Razzia in Kupferzell (Foto: SWR, Lukas Föhr)

Durchsuchungen in Kupferzell: Bürgermeister froh über Vereinsverbot

Bundesweite Razzia gegen rechtsextremistische "Artgemeinschaft"

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Svitlana Magazova
Jan Arnecke

Bei Razzien gegen die rechtsextremistische "Artgemeinschaft" schlugen die Beamten auch in Kupferzell zu. Der Bürgermeister begrüßt das Verbot dieser Vereinigung.

Mit einem Großaufgebot hat die Polizei am Mittwochmorgen bundesweit 26 Wohnungen von 39 Mitgliedern der rechtsextremistischen Vereinigung "Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung" durchsucht - auch in Baden-Württemberg. Im Kupferzeller Ortsteil Hesselbronn (Hohenlohekreis) wurde demnach, als einzigem Einsatzort im Land, ein größeres Anwesen durchsucht. Der Bürgermeister Kupferzells berichtet davon, dass die Bewohnerinnen und Bewohner des Anwesens zumindest teilweise in der Vergangenheit schon an potentiell ausländerfeindlichen Demonstrationen teilgenommen hätten.

Die rechtsextremistische "Artgemeinschaft" wurde zuvor von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verboten. Um dieses Verbot durchzusetzen, fanden die Durchsuchungen am Mittwochvormittag statt.

Einsatz gegen rechtsextremistische Vereinigung im Hohenlohekreis

Die BW-Polizei durchsuchte laut Landeskriminalamt (LKA) in einem Großeinsatz das Objekt in Kupferzell (Hohenlohekreis). Ziel war nach Angaben eines Sprechers das "Einfrieren von Vereinsvermögen". Zudem gehe es um die Sicherstellung potentieller Beweismittel wie etwa Orden, Fahnen und Büsten, die dem Nationalsozialismus zugeordnet werden.

Laut Landesinnenministerium wurden die Maßnahmen durch Kräfte des Polizeipräsidiums Heilbronn und des Polizeipräsidiums Einsatz sowie der Bundespolizei unterstützt. Die Vereinigung sei damit aufgelöst und jede weitere Tätigkeit untersagt. Festnahmen habe es zunächst keine gegeben. Wie viele Beamte genau im Einsatz waren, dazu könne er keine Aussage machen, so LKA-Sprecher David Fritsch. So viel könne er aber sagen: "Wir haben hier knapp 100 Einwohner, und wir hatten heute Morgen mehr Polizeikräfte hier im Ort, als es Einwohner gibt."

Kupferzell-Hesselbronn (Foto: SWR, Simon Bendel)
Großaufgebot: Am Mittwochmorgen waren in Kupferzell-Hesselbronn (Hohenlohekreis) mehr Polizeibeamte im Einsatz als der Teilort Einwohner hat. Die Einwohnerzahl liegt bei 108 (Stand: 30.06.2023)

Bürgermeister: "Nichts nach außen gedrungen"

Im SWR-Interview berichtet der Kupferzeller Bürgermeister Christoph Spieles (CDU), Mitglieder der Familie, die auf dem durchsuchten Gelände lebt, hätten schon 2016 bei "Hohenlohe wacht auf" im Zuge der damaligen Flüchtlingssituation an regelmäßigen Demonstrationen in Öhringen (ebenfalls Hohenlohekreis) teilgenommen. Insofern sei bekannt gewesen, dass "da eine rechte Gesinnung vorherrscht", erklärt der Bürgermeister. Doch das sei nie öffentlich nach außen getragen worden.

Auch sei aufgefallen, dass es wohl immer wieder "Veranstaltungen" auf dem Gelände gegeben haben muss. Dort hätten dann auch Autos mit Kennzeichen von weit her gestanden. Allerdings sei auch von diesen Veranstaltungen oder deren Inhalt nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Daher, so Spieles, habe es auch keine Handhabe für die ansässigen Behörden gegeben. Bezüglich der Razzia zeigt sich das Gemeindeoberhaupt "glücklich", dass die Gruppierung nun verboten sei. Spieles hofft darauf, dass "adäquates Beweismaterial" gesichert werden konnte, sodass die Behörden mit "allen Mitteln des Rechtsstaats" vorgehen könnten.

Strobl: Null Toleranz gegenüber Rechtsextremismus

Laut Innenminister Thomas Strobl (CDU) gehen die Sicherheitsbehörden entschlossen und mit allen Mitteln des Rechtsstaats gegen Rechtsextremisten vor.

Wer rechtsextremistisches Gedankengut verbreitet, bekommt die volle Härte des Gesetzes zu spüren. Gegenüber rechtsextremem Gedankengut zeigen wir null Toleranz.

In Baden-Württemberg dulde man keine rechtsextremistischen Vereinigungen, die in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufwiesen, so der Innenminister. "Wir senden damit ein klares Stopp-Signal an alle, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gefährden."

Razzia in Kupferzell (Foto: SWR, Lukas Föhr)
Die Polizei durchsuchte am Mittwoch ein Anwesen der "Artgemeinschaft" in Kupferzell (Hohenlohekreis).

SPD-Verfassungsschutzexperte lobt Zusammenarbeit

Die Landes-SPD lobte die Razzia und das Verbot als "klares Signal im Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus!" Der Verfassungsschutzexperte der SPD-Landtagsfraktion, Boris Weirauch, lobte die zugleich gute und intensive Zusammenarbeit aller Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern.

Das erneute Verbot einer rechtsextremistischen Vereinigung, [...] ist ein starkes Signal im Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus.

Vereinigung "sektenartig" und "zutiefst rassistisch"

Das Verbot gegen die Vereinigung, die dem Milieu der völkischen Siedler zugerechnet wird, sei mehr als ein Jahr vorbereitet worden, so das Bundesinnenministerium. Maßgeblich seien hierbei Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gewesen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beschrieb "Die Artgemeinschaft" in einer Mitteilung als "sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung". Die Ministerin begründete ihre Entscheidung auch mit dem Kindeswohl. Sie sagte: "Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen."

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Laut Bundesinnenministerium umfasst das Verbot auch alle Teilorganisationen der Bewegung, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden rund 150 Mitglieder hat. Dazu gehörten "Gefährtschaften", "Gilden", "Freundeskreise" und ein Verein namens "Familienwerk". Durchsuchungen gab es den Angaben zufolge in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.

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In der vergangenen Woche hat das Innenministerium die elitäre Neonazi-Gruppierung "Hammerskins Deutschland" verboten. Vor allem durch die "manipulativ indoktrinierende Erziehung ihrer Kinder" und den Vertrieb entsprechender Schriften sei die nun verbotene "Artgemeinschaft" nicht weniger gefährlich als die "Hammerskins", sagte die Ministerin.

Zur Begründung des Verbots führte ihr Ministerium aus, die Siedlerbewegung verbreite unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ein gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild. Zentrales Ziel sei die Erhaltung und Förderung der eigenen "Art", was mit dem nationalsozialistischen Begriff der "Rasse" gleichzusetzen sein.

Der Verfassungsschutz führt Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten in seinem aktuellen Jahresbericht gesondert auf. In dem Bericht heißt es, Ziel dieser Bewegungen sei zumeist der "Erhalt der Deutschen". "Deutschsein" werde hierbei vor allem unter Rückgriff auf den ethnischen Volksbegriff im Sinne der völkischen "Blut-und-Boden"-Ideologie definiert.

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