Eine "Sarco"-Suizid-Kapsel ist zu sehen. Die Kapsel wurde am Montag bei Schaffhausen in der Schweiz erstmals eingesetzt. Durch Knopfdruck kann sich der Mensch im Inneren das Leben nehmen. Jetzt wird über ein Verbot diskutiert.

Nach Einsatz von "Sarco" Sterbekapsel

Meinung: Entscheidend ist die Würde des Menschen

Stand
Autor/in
Mark Kleber

Nach dem Einsatz einer Sterbekapsel ist die Debatte über Beihilfe zum Suizid neu entfacht. Im Fokus muss Prävention stehen, meint Mark Kleber, SWR-Abteilungsleiter Religion und Welt.

"Violett ist die Farbe der Würde", heißt es auf der Homepage der Organisation "Last Resort". Sie verantwortet den ersten Einsatz der "Sarco"-Sterbekapsel in der Schweiz. Die Kapsel ist in Weiß und Violett gehalten, weil sie angeblich ein würdevolles Sterben ermöglicht. Würde - das ist der zentrale Begriff, um den sich seit Jahren die Diskussion über Sterbehilfe dreht. Aber wie würdevoll ist es, den Tod einer 64-jährigen Amerikanerin in der Schweiz als gezielten Tabubruch zu nutzen, um möglichst viel Öffentlichkeit zu schaffen?

Der Medizinethiker Giovanni Maio von der Universität Freiburg glaubt nicht, dass die Kapsel in dieser Form in Deutschland eine gesellschaftlich akzeptierte Form des Sterbens werden wird:

Über das schwierige Thema muss man in der Tat sprechen. Aber die Schlagzeilen sind auch erschreckend gute Werbung für die Organisation und deren Kapsel aus dem 3-D-Drucker, die so edel designt ist, dass sie schon als "Tesla der Suizidhilfe" bezeichnet wurde. Das klingt für mich sehr nach Produktmanagement und sehr wenig nach der Würde des Einzelnen. Obwohl "Last Resort" zusichert, das Angebot sei kostenlos. Aber bleibt es das auch? Ich habe da meine Zweifel. Auf der Homepage der Organisation steht, künftige "Sarcos" würden voraussichtlich rund 15.000 Euro pro Stück kosten, einschließlich der Innenausstattung. Willkommen beim Nachbau!

Mark Kleber, Leiter Abteilung Religion und Welt
Mark Kleber, Leiter Abteilung Religion und Welt

Sterbekapsel hat keine Zulassung

In der Schweiz bleibt Sterbehilfe generell unter bestimmten Bedingungen straffrei. Dass es nach dem ersten Einsatz der Sterbekapsel jetzt in der Schweiz zu Festnahmen kam, liegt an ganz handfesten juristischen Gründen, denn sie hat keine Zulassung, unter anderem weil sie aus offizieller Sicht die Anforderungen des Schweizer Gesetzes für Produktsicherheit nicht erfüllt. Aber im Hintergrund der plötzlich neu aufgeflammten Diskussion über den sogenannten assistierten Suizid stehen viel tiefgreifendere Fragen. Wie schwer sie zu lösen sind, zeigt sich daran, dass wir in Deutschland immer noch keine klare gesetzliche Regelung haben, nachdem das Bundesverfassungsgericht vor vier Jahren entschieden hat, dass jeder Mensch das Recht darauf habe, selbstbestimmt zu sterben. Dazu gab es verschiedene Gesetzentwürfe. Doch der Bundestag konnte sich auf keinen einigen.

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Die Bilder der schicken Kapsel, die jetzt so viel Aufmerksamkeit finden, lösen auch bei mir Emotionen aus. Neugier ebenso wie Befremden. Aber markiert "Sarco" tatsächlich, wie die Verantwortlichen behaupten, einen Wendepunkt in der Geschichte von Tod und Sterben? Nein. Denn die existenziellen Fragen in der Diskussion über Sterbehilfe bleiben dieselben, ob ich nun ein entsprechendes Medikament nehme oder einen Knopf drücke, um angeblich friedlich zu ersticken. Das beginnt für mich bei der Frage, wie würdevoll es ist, wenn man, eingeschlossen und technisch abgekapselt, einen Knopf drückt, statt in den letzten Minuten menschliche Nähe zu erfahren. Ich denke, wir haben in der Corona-Pandemie erlebt, was Sterben in der Isolation für Leid mit sich bringt.

Meine Fragen reichen aber weiter: Wie wollen wir als Gesellschaft mit dem Wunsch von Menschen umgehen, ihrem Leben ein Ende zu setzen? Gründe dafür sind oft schwere Krankheiten und die Angst vor Schmerzen. Aber auch Depressionen und Einsamkeit, ein wachsendes Problem in unserer Gesellschaft. Ich möchte nicht, dass Menschen sich aus Einsamkeit in ein Sterben auf Knopfdruck flüchten.

"Jeder Suizid ist einer zu viel"

Hinter "Sarco" steht der Australier Philip Nitschke, der schon lange für eine Liberalisierung der Sterbehilfe kämpft. Er gehört übrigens nicht zu den in der Schweiz Festgenommenen, weil er den Einsatz der Kapsel per Kamera in sicherer Entfernung aus dem Ausland verfolgte - der Tod im Live-Stream. Dass er ankündigt, er wolle auch eine Sterbekapsel für Paare entwickeln, hinterlässt bei mir noch mehr Fragezeichen.

Denn wichtiger als die Frage, wie smart und "verbraucherfreundlich" sich ein Suizid in der Öffentlichkeit darstellt, ist die Frage nach der Suizid-Prävention. Jeder Suizid ist einer zu viel, und deshalb müssen wir alles daransetzen, dass Menschen Alternativen zur Selbsttötung angeboten werden. Dies gilt für die Auseinandersetzung im Bundestag ebenso wie für den Wirbel um die "Sarco"-Sterbekapsel. Ganz egal, in welcher Farbe sie lackiert ist.

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