Der Eingang des Turley-Geländes. (Foto: SWR, SWR)

Verbindungen zu internationalem Betrugsfall

Versteigerungen von Mannheimer Kaserne: Investiertes Geld aus dubiosen Quellen?

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Ulrike Koch
Eric Beres
Natalie Akbari

Die ersten Zwangsversteigerungen zu Gebäuden auf dem ehemaligen Turley-Kasernengelände in Mannheim haben begonnen. Das Finanzierungskonstrukt eines Investors wirft Fragen auf.

Als erstes wurde ein Neubau versteigert, in dem sich aktuell eine Ballettschule befindet. Vom Amtsgericht Mannheim waren als Verkehrswert 900.000 Euro angesetzt, unter den Hammer kam das Gebäude am Ende für 801.000 Euro. Den Zuschlag bekam eine Bietergemeinschaft. Um wen es sich genau handelt, ist nicht klar, die Vertreter bei der Versteigerung waren zu keiner Auskunft bereit.

Angesetzt hatte die Zwangsversteigerung die Sparkasse Rhein-Neckar-Nord, sie ist Gläubigerin des früheren Haupt-Investors auf dem Turley-Gelände, Tom Bock. Der hatte vor zehn Jahren einen Großteil des Areals von der städtischen Tochtergesellschaft MWSP gekauft und wollte dort unter anderem Wohnungen, ein Hotel und Gastronomie errichten. Tom Bock war bei der Zwangsversteigerung anwesend, wollte sich aber nicht äußern.

Zwangsversteigerungen sorgen für Gesprächsstoff

Die anstehenden Zwangsversteigerungen sorgen in Mannheim seit Wochen für Gesprächsstoff: Vergangenen Samstag trafen sich Mitglieder des sogenannten Mietshäuser-Syndikats auf dem Turley-Gelände zu einer Kundgebung und machten ihrem Ärger Luft. Die Mitglieder haben sich in Wohnbauprojekten zusammengeschlossen. Einige von ihnen wohnen zu günstigen Mieten auf Turley. Sie beklagen den baulichen Stillstand auf dem Gelände, sprechen von Spekulationsgewinnen und werfen der Stadt Versagen vor.

"Ich finde es erbärmlich, dass diese Häuser so verrotten. Es ist ein Skandal, dass auf dem Areal so lange Stillstand herrscht"

Kaum noch Bautätigkeit in Mannheim

Nachdem das Areal als Kasernengelände Ende des 19. Jahrhunderts gebaut worden war, nutzte es nach dem Zweiten Weltkrieg die US-Armee. 2012 ging das Gelände an eine städtische Gesellschaft, die "MWS Projektentwicklung" (MWSP). Diese verkaufte elf der 14 Immobilien und Gelände an Firmen des Frankfurter Investors Tom Bock. Dieser modernisierte einige der Immobilien und machte daraus Wohn- und Geschäftsgebäude. In einer der Neubauten ist heute eine Ballettschule untergebracht.

Doch nach 2015 kamen die Bauaktivitäten auf der 13 Hektar großen Konversionsfläche mehr und mehr zum Erliegen, so Beobachter. 2020 verklagte die MWSP den Investor wegen "massiver und andauernder Leistungsstörung". Kritik daran, dass dieser Schritt zu spät erfolgt sei, weist die MWSP gegenüber dem SWR schriftlich zurück: Es handele sich um "eine Entscheidung von großer juristischer Tragweite und kann demzufolge nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt stattfinden." Nach SWR-Informationen hat das Landgericht Mannheim im Juni einer ersten Kaufrückabwicklung hinsichtlich zweier Baufelder (IV und V) stattgegeben. Der Fall liegt nun vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe. Ein weiterer Verhandlungstermin steht noch nicht fest.

Leerstehende Gebäude auf dem Turley-Gebäude in Mannheim.. (Foto: SWR, SWR)
Nur auf wenigen Flächen wird gebaut - viele Gebäude auf dem Turley-Kasernengelände in Mannheim stehen leer.

Unterschlagene Gelder aus Übersee?

Für Unmut sorgen auch Meldungen über die Finanzierung des Projekts. Laut der regionalen Newsportale "6800.info" und "Neckarstadtblog" gibt es den Verdacht, der Investor Tom Bock könnte veruntreute Gelder investiert haben. Diese könnten aus einem internationalen Betrugsfall stammen, dem sogenannten 1MDB-Skandal. Dabei ging es um Geld, das aus einem malaysischen Staatsfonds veruntreut wurde. Laut Medienberichten sollen etwa 4,5 Milliarden US-Dollar unterschlagen worden sein. 2019 erhoben amerikanische Behörden Anklage gegen mehrere Beschuldigte, die teilweise die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen.

Laut Dokumenten, aus denen "6800.info" und "Neckarstadtblog" zitieren und die auch dem SWR vorliegen, zeigen einzelne Transaktionen eine Verbindung von handelnden Personen in dem Skandal zu dem Investor Tom Bock auf. Demnach hat eine Frau aus den Emiraten der "Soho Campus", einer von Bocks Turley-Gesellschaften, 2013 ein Darlehen über knapp 5,4 Millionen Euro gewährt. Das geht aus Unterlagen im Handelsregister hervor.

Brisant: Die Frau ist die ehemalige Lebenspartnerin eines Beschuldigten in dem 1MDB-Betrugsfall und wird auch in der Anklageschrift erwähnt. Laut Anklage hat sie von dem Beschuldigten zwischen Juli 2013 und März 2014 insgesamt 17,5 Millionen Dollar auf ein deutsches Bankkonto überwiesen bekommen. Wurde also veruntreutes Geld in Turley investiert? Eine Anfrage des SWR dazu ließ Tom Bock bisher unbeantwortet.

Weiterer Streit mit dem Investor?

Nach SWR-Informationen soll es um den Investor weiteren Ärger geben. Tom Bock hatte 2018 zwei bis dahin unbebaute Baufelder an die Hamburger Fortoon-Gruppe verkauft - laut Medienberichten für 36 Millionen Euro, dem sechsfachen des ursprünglichen Preises. Bei dem Verkauf soll er verschwiegen haben, dass auf Teilen der Gelände noch Baulasten liegen, nämlich insgesamt 126 PKW-Parkplätze, so berichtet es ein Insider dem SWR. Diese Flächen könnten nun nicht bebaut werden, wodurch ein Schaden von mehr als einer Million Euro entstanden sei. Um diesen Vorgang soll es nun eine gerichtliche Auseinandersetzung geben. Auch dazu äußerte sich Tom Bock bisher nicht.

Tatsächlich wird auf den verkauften Baufeldern derzeit eifrig gebaut. Allein auf dem Baufeld 4 sollen 267 hochwertige Mietswohnungen entstehen - während Bestandsgebäude auf dem Turley-Gelände weiter brachliegen, wie etwa eine baufällige Reiterhalle.

Die Mitglieder des Mietshäuser-Syndikats sähen es am liebsten, wenn Gebäude und Flächen auf Turley einem Investor zufielen, der sich ausschließlich dem Gemeindewohl verpflichtet sieht: Wohnungen mit günstigen Mieten oder ein Studentenwohnheim - das sind die Ideen, die sie sich auf Turley umgesetzt wünschen. Sie haben die Sorge, dass die nun anstehenden Versteigerungen an Meistbietende dazu führt, dass das Turley-Gelände erneut zu einem Spekulationsobjekt wird, in dem es nur um größtmöglichen Profit geht.

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