Generalintendant Tilmann Pröllochs ist zuversichtlich, das Mannheimer Nationaltheater in eine gute Zukunft führen zu können.
Das Gespräch führte SWR-Reporter Vuk Dajović:
SWR Aktuell: Wo stehen die Bauarbeiten für die Sanierung des Nationaltheaters?
Tilmann Pröllochs: Wir sind jetzt bei einem Drittel der Bauzeit. Ursprünglich waren zwar fünf Jahre geplant, von 2022 bis 2027. Wir sind wegen der Schadstoffsanierungen und der Kampfmittelsondierungen mit einem Jahr Verspätung unterwegs. Deswegen werden es jetzt sechs Jahre Bauzeit. Wir wollen 2028 zurück ins Haus. Begonnen hat die Maßnahme aber schon mit ersten Überlegungen 2009. Insofern sind wir schon 15 Jahre hier in dieser Stadt mit diesem Thema beschäftigt.
SWR Aktuell: Warum steigen die Baukosten so dramatisch?
Tilmann Pröllochs: Es sind verschiedene Aspekte. Die Mehrkosten, die wir bis jetzt haben, sind aktuell faktisch bei 21 Millionen Euro. Das sind die Beträge, die wir im Vergabeverfahren drauflegen mussten, wenn wir die Angebote nicht so wie kalkuliert bekommen haben, sondern die Preissteigerungen auf dem Markt dazukommen. Und die Kalkulationen sind teilweise vor der Corona-Pandemie und vor den Krisen gemacht worden. Das heißt, wir haben hier einen Preisanstieg von allein 41 Prozent. Und da sind selbst die 62,5 Millionen Euro Mehrkosten, die wir jetzt gerechnet haben, die auch noch nicht feststehende Mehrkosten beinhalten, mit 25 Prozent Steigerungen eigentlich ein guter Wert - verglichen mit anderen Baustellen.
Ein Drittel der Bauzeit vorüber Nationaltheater Mannheim: Drei Gründe für das finanzielle Fiasko
In Mannheim spitzt sich die Lage bei der Finanzierung der Nationaltheater-Sanierung zu. Die Stadt sucht nach einem Ausweg, denn Mitte nächsten Jahres ist das Geld alle.
SWR Aktuell: Die Sanierung belastet den Mannheimer Haushalt enorm. Warum braucht Mannheim ihrer Meinung nach trotzdem eine solche Theatersanierung ?
Tilmann Pröllochs: In der Geschichte hat es schon vielfach solche Situationen gegeben. Auch in Mannheim nach dem Krieg, als dieses Haus hier, das wir jetzt generalsanieren, gebaut worden konnte, war das ein Kraftakt für die Bevölkerung. Sicher waren die Zeiten anders. Wir leben in einer Zeit, wo es viele weitere und neuere Entwicklungen gibt, die sich kostentreibend auswirken. Zum Beispiel zunehmende Sicherheitsbestimmungen, fortschreitende Technik. Früher konnte man deutlich einfacher bauen, die Sicherheitsanforderungen waren nicht so hoch. Wir bauen jetzt hier eine komplette Überwachung mit Brandmeldern und Sprinkleranlagen ein. Das haben wir früher so nicht gebaut.
Es ändert aber nichts daran, dass die Bevölkerung, dass die Gesellschaft ein Bedürfnis danach hat, sich nicht nur mit den Krisen, sondern eben auch mit der Kunst zu beschäftigen. Der Eigenbetrieb Nationaltheater ist ein Bestandteil unserer Gesellschaft, unserer Kultur. Wir entwickeln alternative Ideen und das kreative Potenzial entwickelt auch Strahlkraft für eine Region. Das trägt dazu bei, dass die Region attraktiv ist, dass man auch in der Industrie und in der freien Wirtschaft Fachkräfte hierher bekommt.
SWR Aktuell: Was entgegnen Sie den kleineren Kulturschaffenden, die sagen "Bei uns wird jetzt gespart, damit man das Nationaltheater finanzieren kann"?
Tilmann Pröllochs: Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir an dieser Stelle nicht an ein Gegeneinander denken, sondern eher miteinander überlegen, wie wir insgesamt zu mehr Kultur kommen. Wir sind als großer Betrieb mit über 800 Menschen einfach anders aufgestellt als kleinere Kulturanbieter. Und das heißt nicht, dass kleinere Kulturanbieter weniger wert wären. Wir sind nicht deshalb groß, weil wir einfach nur groß sein wollen, sondern weil etwas gewachsen ist über bald 250 Jahre.
Zum Beispiel die jüngsten ausverkauften Aufführungen unseres Orchesters mit Beethovens Neunter im Rosengarten. Es ist wichtig, dass so etwas stattfindet.
SWR Aktuell: Wie empfinden Sie den Gegenwind?
Tilmann Pröllochs: Der gehört ein Stück weit einfach dazu. Das muss man annehmen. Wichtig ist für mich, dass ich mir vorstelle, was sein wird, wenn dieses denkmalgeschützte Haus nach der Sanierung für die Stadt Mannheim das wieder erfüllen kann, was es vor der Sanierung erfüllt hat. Ich bin sehr froh, dass sich Mannheim auf den Weg gemacht hat, das beschlossen hat und dass wir begonnen haben.
SWR Aktuell: Wäre ein Neubau nicht viel besser gewesen?
Tilmann Pröllochs: Das ist zum einen eine der großen Herausforderungen dieser Sanierung, weil der Denkmalschutz natürlich uns die eine oder andere Auflage erteilt, die Dinge wieder so zu machen, wie sie vorher waren. Das Opernhaus wieder sehr nah an das heranführen, was die Menschen kennen. Das Schauspielhaus hier wird dagegen einen sehr einschneidenden Eingriff erleben und wird eine ganz andere Anmutung haben. Und wir werden den Goetheplatz vor dem Haus klimaresilienter gestalten, damit er nicht so heiß ist und mehr Aufenthaltsqualität bekommt.
SWR Aktuell: Möchten Sie auch der Stadtgesellschaft inhaltlich entgegenkommen? Einige sagen ja: "Ich war früher öfter da, aber das ist nichts mehr für mich."
Tilmann Pröllochs: Also vielleicht ein Blick zurück: Ich bin jetzt seit über 30 Jahren in der Theaterleitung tätig. Diesen Aspekt, dass man sich Werktreue wünscht als Theaterbesucher, den haben wir schon vor 30 Jahren diskutiert, und da wird weiter diskutiert werden. Ich glaube, es ist wichtig. Deswegen wird auch Kunst öffentlich gefördert, dass wir die Dinge immer wieder auf ihren Aktualitätsgrad überprüfen, dass wir auch neue Dinge machen.
Und natürlich haben wir kein Interesse daran, das Haus leer zu spielen, sondern dass das, was wir künstlerisch erarbeiten, auch tatsächlich vom Publikum goutiert wird. Wir wollen einen guten Mix fahren. Das ist die Herausforderung, das so zu gestalten, dass man mehrheitlich an eine gute Auslastung heranführt, und gleichzeitig aber auch spannende Uraufführungen bringen kann..