Pilz im Wald wird gepflückt (Foto: IMAGO, imago)

Pilzexperte ist besorgt

Trockenheit: Keine Pilze in der Rhein-Neckar Region

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INTERVIEW
Matthias Wiest

Die Trockenheit hält an, kein Regen ist in Sicht. Nicht nur für die Pflanzen und Tiere ein Problem. Pilzexperte Bernhard Otto spricht von einem kompletten Ausfall der Pilzsaison.

Die Pilzsaison ist gestartet. Ab Mitte August wird normalerweise fleißig gesammelt - eigentlich. Aber dieses Jahr ist weit und breit von Pilzen keine Spur. Bernhard Otto ist Vorsitzender des Mykologischen Arbeitskreises Rhein-Neckar und spricht im SWR-Interview davon, dass er einen solchen Ausfall der Pilzsaison noch nie erlebt hat.

SWR Aktuell: Wie steht es bei der Trockenheit um die Pilze? Fällt die Saison aus?

Bernhard Otto: Bis jetzt ist sie vollständig ausgefallen. Im Frühjahr schon die Morchel-Saison. Aber auch die Frühsommersaison, die durch Steinpilze, Sommersteinpilze und Flockenstielige Hexenröhrlinge geprägt ist, ist komplett ausgefallen.

SWR Aktuell: Könnte man normalerweise um diese Jahreszeit schon Pilze finden?

Otto: Ja, natürlich. Die Sommerpilze kommen jetzt normalerweise, wenn die Witterung entsprechend wäre. Da gehört der Sommer-Steinpilz dazu. Pfifferlinge findet man schon gelegentlich oder den Flockenstieligen Hexenröhrling, der ein sehr beliebter und guter Speisepilz ist. Auch die Täublinge würde man jetzt schon finden.

SWR Aktuell: Liegt das an der Trockenheit und an der Hitze?

Otto: Das liegt an der Trockenheit. Wobei es bei uns gar nicht so trocken war. Bei uns hat es auch ein paar Mal geregnet. Aber selbst nach den Regenfällen im Abstand von ein bis zwei Wochen ist dann fast nichts gewachsen. Das ist schon sehr verwunderlich.

"Eine vergleichbare Situation hatten wir noch nicht."

SWR Aktuell: Können Sie für den Herbst schon eine Prognose erstellen? Fällt die genauso düster aus?

Otto: Wir führen ja auch immer Pilz-Gespräche. Da gibt es Leute, die sagen: Im Herbst wird das nichts mehr. Andere sagen, warten wir ab, vielleicht kriegen wir einen feuchten Herbst. Man weiß es nicht. Ich würde sagen, es ist offen. Mir fehlt vor allem die Erfahrung. Eine vergleichbare Situation hatten wir noch nicht, weil wir mehrere Jahre hintereinander sehr trockene Jahre gehabt haben. Da scheint es so, dass auch die Pilzpartner - das sind ja die Bäume oder Pflanzen, mit denen die Pilze zusammenleben - dass die nachhaltig geschädigt sind, so dass sie momentan Pause einlegen oder noch schlimmer, dass sie weiter geschädigt sind. Das weiß man nicht.

SWR Aktuell: Wenn jetzt der große Dauerregen käme - was er ja vermutlich nicht tut - aber wenn er käme, wäre dann noch etwas zu retten in den wenigen Wochen bis zum Herbst?

Otto: Für die Pilze sicher schon und für die Pflanzen. Das tut immer gut. Aber nachhaltig, ob man das dieses Jahr noch merkt? Man weiß es nicht. Mir fehlt einfach die Erfahrung. So eine lange Trockenheit für mehrere Jahre habe ich auch noch nicht erlebt.

"Ohne Pilze gibt es bei uns keine Wälder."

SWR Aktuell: Was bedeutet dieser Verlust aus Ihrer Sicht? Das ist ja nicht nur für Feinschmecker nicht schön, dass sie auf die Pilze verzichten müssen. Da steckt ein größeres Natur-Dilemma dahinter.

Otto: Ja, das ist die Gefahr für unser Ökosystem und unsere Wälder. Denn ohne Pilze gibt es keine Wälder bei uns. Die meisten Bäume leben mit dem Pilzpartner zusammen. Die eigentlichen Pilze, also die Pilz-Lebewesen leben im Verborgenen, in der Erde mit den Wurzeln der Bäume zusammen. Zur Saison kommen nur die Fruchtkörper, das ist ähnlich wie die Früchte beim Baum. Momentan sehen wir nur, dass die Pilzfruchtkörper nicht erscheinen. Wie weit die eigentlichen Pilz-Lebewesen unter der Erde geschädigt sind, beziehungsweise das Zusammenspiel zwischen Baum und Pilz, weiß man nicht. Es reicht auch, wenn der Baum geschädigt ist. Wenn der nicht genug Nährstoffe produziert, ernährt er den Pilz ja nicht.

SWR Aktuell: Wenn das ein Dauerzustand werden sollte, kann man dann, vergleichbar mit anderen Gemüse- oder Pflanzensorten, möglicherweise versuchen für Ersatz zu sorgen?Also für hitzeresistentere Arten. Gibt es so eine Möglichkeit im Bereich der Pilze?

Otto: So eine Möglichkeit im Bereich der Pilze gibt es nicht. Einige Baumarten kann man schon mit Pilz-Myzelien impfen. Das macht man zur Erzeugung von Speisepilzen. Zum Beispiel bei Trüffel ist das ein gängiges Verfahren. Auch bei Steinpilzen kann man das machen, da wachsen die Bäume besser. Aber wenn man davon absieht, ist das eine Maßnahme des Naturschutzes. Das könnte man natürlich forstwirtschaftlich machen, weil die Bäume es schwer haben. Dass man resistentere Baumarten macht und die mit Pilzen impft. Aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Vielfalt, die wir im Boden haben, ist unersetzbar für die Natur, für den Wald und unsere Ökosysteme und für die Landwirtschaft.

"Wir hoffen auf nächstes Jahr."

SWR Aktuell: Fängt in der Natur im nächsten Jahr wieder alles bei Null an? Oder muss man befürchten, dass die Schäden sich sozusagen fortpflanzen?

Otto: Ob sich die Schäden fortpflanzen hängt davon ab, wie der Winter wird und wie sich die Pflanzen und die Bäume erholen. Man sollte vielleicht nicht zu pessimistisch sein. Manchmal läuft es besser, als man denkt. Und wir hoffen natürlich, dass es nächstes Jahr eine gute Baum-, Wald- und Pilzsaison gibt.

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