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Rat für Rechtschreibung besorgt

Interview mit Sprachexpertin: "Rechtschreibung ist eine Schlüsselkompetenz"

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Patrick Figaj
SWR Journalist Patrick Figaj (Foto: SWR)

KI-Sprachmodelle und verkürzte Kommunikation in sozialen Medien. Der Rat für deutsche Sprache befürchtet den Bedeutungsverlust von Schreibweisen. Mit langfristigen Auswirkungen.

Korrekte Rechtschreibung und die Auseinandersetzung mit schriftlicher Sprache ist wichtig für das gesamte Leben und die berufliche Entwicklung. Davon ist die Geschäftsführerin und Leiterin der Geschäftsstelle des Rats für deutsche Rechtschreibung, Sabine Krome, überzeugt.

Sie sagt: "Rechtschreibung ist eine Schlüsselkompetenz." Sprachnachrichten und KI-gesteuerte Autokorrekturen lassen vor allem Jugendliche aber den Bezug zum geschriebenen Wort verlieren. Mit vielschichtigen Auswirkungen, wie sie im SWR-Interview beschreibt. Krome leitet parallel zu ihrer Tätigkeit für den Rat Projekte am Leibniz-Institut für deutsche Sprache (IDS) in Mannheim.

SWR Aktuell: Wir sind umgeben von Autokorrekturen und Sprachnachrichten. Was macht das aus Ihrer Sicht vor allem mit Jugendlichen?

Sabine Krome: Der Umfang von Sprachnachrichten nimmt in der Tat unglaublich zu. In allen Medien und auf allen Kanälen werden wir davon geradezu überschwemmt. Was aber zu beobachten ist, zum Beispiel auch in Nachrichten - dass Alltagssprache immer stärker mit Sachinformationen vermischt wird. Das macht es oft schwierig, sich auf das wirklich Wesentliche zu konzentrieren. Jugendliche bewegen sich noch dazu natürlich besonders viel in sozialen Medien. Und die Kommunikation in diesem Medium orientiert sich verstärkt am mündlichen Gebrauch der Sprache. Bei der Korrektur von Texten verlässt man sich eben zum großen Teil auf Rechtschreibprogramme. Auch dann, wenn man andere Texte schreiben muss.

SWR Aktuell: So wie Sie das beschreiben, befähigt das geschriebene Wort zu Dingen, die uns fehlen, wenn wir nicht mehr schreiben. Ist das so?

Krome: Ja, auf jeden Fall. Man macht sich vom Agierenden zum Reproduzierenden und zum Reagierenden. Damit macht sich der Mensch auch abhängig von technischen Systemen. Das sieht man im Bereich Künstliche Intelligenz (KI). Hier wird sehr viel diskutiert, denn dieser Bereich entwickelt sich enorm. KI birgt aber auch Gefahren, die damit verbunden sind.

Besorgniserregende Entwicklungen bei Grundkompetenzen

SWR Aktuell: Wir sind umgeben von dieser Technik und natürlich gehört sie auch in gewisser Art und Weise dazu. In welcher Verantwortung sehen Sie denn aktuell die Schulen? Es gibt ja starke Tendenzen, eine ganz andere Fehlerkultur zuzulassen, mehr Fehler auch im Schriftlichen zu akzeptieren. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Krome: Wir sind schon etwas besorgt, auch im Rat für deutsche Rechtschreibung. Die Rechtschreibung ist eine Schlüsselkompetenz in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und eine Grundkompetenz, die mit anderen sprachlichen Kompetenzen verbunden ist. Das hat übrigens gerade das Bundesverfassungsgericht noch mal in Zusammenhang mit einer Debatte über die Bewertung von Legasthenie in Schulen festgesetzt. Das fanden wir sehr interessant. Für Schulen und Behörden gilt die amtliche Regelung als verbindlich. Sie sind auch die großen Multiplikatoren. Daher hat die Schule eine große Verantwortung.

"Die Schulen haben eine große Verantwortung."

Es ist sehr wichtig, dass in diesen Bereichen die Rechtschreibung weiterhin eine herausragende oder wieder eine herausragende Bedeutung erhält. Die Pisa-Studien zeigen ja bereits, dass die Fähigkeiten im Lesen und Schreiben zurückgegangen sind. Es besteht die Gefahr, dass die Gesellschaft sich auseinander entwickelt. Wenn einige sich mit hochkomplexen sprachlichen Zusammenhängen beschäftigen. Zum Beispiel auch mit der Entwicklung von KI. Andererseits aber breite Schichten der Bevölkerung außen vor gelassen werden.

"Schreiben ist direkt mit Denkprozessen verbunden"

SWR Aktuell: Das heißt, das Ganze hat - aus Ihrer Sicht - auch starke, prägende Entwicklung für das spätere Berufsleben?

Krome: Auf jeden Fall! Rechtschreibung ist ja nicht eine isolierte Fähigkeit. Viele Studien zeigen, dass Rechtschreibung mit anderen sprachlichen Fähigkeiten verbunden ist. Mit dem Denken: Man hat herausgefunden, dass beim Schreiben mit dem Stift auch gleichzeitig Denkprozesse vollzogen werden. Das ist schon nicht mehr so stark der Fall, wenn man auf einem Computer tippt. Wenn über die Rechtschreibung auch so viel nachgedacht werden muss, weil sie nicht mehr intuitiv angewandt wird, dann gehen auch andere sprachliche Fähigkeiten verloren. Auch die Eigenständigkeit, Gedanken zu formulieren, sie zu äußern und in mündlicher und schriftlicher Form auszudrücken.

SWR Aktuell: Als Rat für Rechtschreibung geben Sie Empfehlungen ab. Welche geben Sie denn ganz konkret für die nähere Zukunft? Oder lässt sich diese Entwicklung überhaupt nicht mehr wirklich aufhalten?

Krome: Ganz aufhalten lässt sich das natürlich nicht. Denn die Gesellschaft verändert sich. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Es geschieht rasant auf vielen Ebenen. Sprachlich sieht man das in diesem großen Umfang an Anglizismen, die in die deutsche Sprache eingehen. Aber wir geben eben Empfehlungen, wie mit solchen Entwicklungen umzugehen ist. Es gibt nämlich tatsächlich Möglichkeiten, gegenzusteuern. Und das sollten die entsprechenden Gremien. Ich denke aber auch die Politik. Wir hoffe auch, die Bedeutung und den Stellenwert der Rechtschreibung durch unsere Arbeit langfristig und nachhaltig unterstützen zu können.

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