Bachtyar Ali hat den Heidelberger Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil erhalten. Der 57-jährige Schriftsteller floh Anfang der 1990er Jahre aus seiner nordirakischen Heimat, weil er dort politisch verfolgt wurde. Er lebt in Köln. Am Dienstagabend hat die feierliche Preisübergabe im Großen Rathaussaal in Heidelberg stattgefunden. Die Auszeichnung ist mit 15.000 Euro dotiert.
Bachtyar Ali: "Exil ist nicht nur ein Ort, sondern eine Perspektive"
Menschen, die im Exil leben, verbinden mit dem Wort "Exil" oft Heimatlosigkeit und schwierige Erlebnisse. Die hat Bachtyar Ali sehr wohl erfahren. Dennoch hat er in den rund 30 Jahren seines Exils eine sehr besondere Haltung entwickelt. Er betrachtet das Exil nämlich nicht nur als etwas Tragisches, sondern auch als Möglichkeit, dass etwas Neues entsteht. Exil sei nicht nur ein Ort, sondern auch eine Perspektive, meint er. Die Welt brauche Fremde und Wanderer, damit Bewegung in starre Strukturen kommt.
In seiner Heimatstadt Slimani war er nicht mehr sicher
Bachtyar Ali kommt er aus der nordirakischen Stadt Sulaimaniyya – auch Slimani genannt. Als der irakische Diktator Saddam Hussein 1991 dort die Kontrolle über die Stadt verlor, folgte eine Phase der Freiheit. Und die haben Bachtyar Ali und andere junge Kurden genutzt, um eine Zeitschrift herauszugeben. Sie haben die Politik, die gesellschaftlichen Strukturen und die Religion hart kritisiert. Einige Zeit lang ging das gut. Als es aber nach wenigen Jahren zum Bürgerkrieg kam, gab es Morddrohungen. Bachtyar Ali entschied sich zu fliehen. Er wäre gerne nach England gegangen - wegen der Sprache. Aber letztendlich entschieden die Schlepper, so landete er in Deutschland.
Jury lobt ihn als sprachmächtigen und fabelhaften Erzähler
Alle seine Bücher schreibt er auf Kurdisch, wobei die allermeisten in Deutschland entstanden sind. Das Kurdische ist eine Sprache, in der Geschichten traditionell mündlich überliefert wurden. Unter anderem Bachtyar Ali hat dafür gesorgt, dass sich daraus eine Literatursprache entwickelt.
Offenbar ist ihm das sehr gut gelungen. Die diesjährige Jury des Hilde-Domin-Preises bezeichnet Ali als sprachmächtigen und fabelhaften Erzähler. Und auch die Literaturkritik ist begeistert von seinen Büchern. Seine Romane spielen meist im Orient und thematisieren politische Gewalt und Willkürherrschaft. Allerdings nie direkt, sondern auf eine sehr parabelhafte Weise. Er selbst nennt es "orientalischen magischen Realismus".
Sein Thema: Gewalt und Willkürherrschaft
In seinem Buch "Mein Onkel, den der Wind mitnahm" etwa wird ein Mann in der Gefangenschaft so dünn, dass der Wind ihn aus dem Gefängnis weht. Er wird an andere Orte getragen und weitergeweht, rutscht an jedem Ort in eine andere Rolle und verliert immer wieder das Gedächtnis, seine Persönlichkeit und seine Geschichte. Das Buch war nicht zuletzt in seiner Heimat ein großer Erfolg. Weil es die Lebenswelt in einem Land beschreibe, in dem die Menschen ständig auf die nächste Katastrophe warten und keine Zeit haben, über die Vergangenheit oder die Zukunft nachzudenken, meint Bachtyar Ali selbst.
Extremisten und Barbaren seien auf der ganzen Welt gleich
Man könnte meinen, dass seine Erfahrungen Bachtyar Ali bitter gemacht hätten. Aber der Wanderer zwischen den Welten wirkt nach außen hin heiter. Auch, wenn er als politischer Mensch beobachtet, wie gesellschaftszerstörende Extremisten auf der ganzen Welt auf dem Vormarsch sind – egal, ob in Deutschland oder in seiner Heimat.
Ein russischer Autor habe gesagt: Die Zivilisationen kommen und gehen, aber die Barbaren bleiben. Das sei eine sehr tragische Wahrheit.