Das Buchcover von "Tauben im Gras" in einer Buchhandlung

Kritik wegen rassistischer Wortwahl

Alternative zu "Tauben im Gras": BW-Kultusministerium will weitere Abitur-Lektüre anbieten

Stand

Nach der Kritik an der Abitur-Lektüre "Tauben im Gras" will das Kultusministerium eine Alternative anbieten. Ministerin Schopper appellierte, keine diskriminierenden Worte im Unterricht zu benutzen.

Für die umstrittene Abitur-Lektüre "Tauben im Gras" steht nach SWR-Informationen eine Alternative fest, die ab 2025 im Abitur gelesen werden kann. Wie das Kultusministerium dem SWR mitteilte, werden die Schulen in Baden-Württemberg in diesen Tagen informiert.

Kritik wegen Verwendung des N-Worts

Statt Wolfgang Koeppens Roman "Tauben im Gras", der wegen rassistischer Wortwahl kritisiert wird, soll ab 2025 im Abitur Anna Seghers "Transit" zur Auswahl stehen. Die Entscheidung, welches Buch gelesen wird, liegt laut Ministerium bei den Lehrkräften vor Ort. Koeppens Roman aus der Nachkriegszeit verwendet ohne Erklärungen rund hundert Mal das sogenannte N-Wort, welches für Schwarze Menschen stark diskriminierend ist.

Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sagte dem SWR, man habe Handlungsbedarf erkannt, um vulnerable Gruppen im Unterricht zu schützen. Sprache verändere sich, auch wenn dieser Begriff für Schwarze Menschen früher häufig benutzt worden sei. Sie appelliert an die Lehrkräfte, keine diskriminierenden Worte im Unterricht zu benutzen.

Schülerinnen und Schüler, die das N-Wort nicht aussprechen oder ausschreiben wollen, sollten bei der Benotung keine Nachteile erfahren, so die Kultusministerin. Die Benotung richte sich im Abitur letztlich nach dem Vergleich zweier literarischer Werke. Über das Vorlesen von rassistischen Begriffen im Unterricht hatte es an anderen Schulen bereits Auseinandersetzungen gegeben, wie in einem Fall in Offenbach am Main.

Drei verschiedene Abitur-Lektüren in BW

Im Abitur in Baden-Württemberg können in Zukunft nun Katharina Hackers "die Habenichtse" mit entweder Wolfgang Koeppens "Tauben im Gras" oder Anna Seghers "Transit" verglichen werden. Dabei geht es um das literarische Motiv des Umbruchs. Rassismus sollte bei Koeppens "Tauben im Gras" zwar thematisiert werden, war aber nicht der Anlass für die Auswahl des Buchs.

Langfristig will das Kultusministerium mit der Landeszentrale für politische Bildung an einem Kriterienkatalog für den Umgang mit rassistischen Ausdrücken in Schulbüchern arbeiten. Dafür will das Kultusministerium mit der Landeszentrale für politische Bildung, dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung sowie Betroffenen zusammenarbeiten. So soll das Bundesnetzwerk "TANG - The African Network of Germany" dabei sein. TANG stand nach eigenen Angaben auch in den vergangenen Monaten bereits im intensiven Austausch mit dem Kultusministerium.

Die Vorsitzende Sylvie Nantcha freut sich daher über die Entscheidung, eine alternative Lektüre bereit zu stellen und die Positionierung der Ministerin gegen das N-Wort auf Schulhöfen und im Unterricht: "Diese klare Position der Ministerin ist uns wichtig, da für den Jahrgang 2024 noch keine Lösung gefunden wurde. Wir brauchen in Baden-Württemberg eine rassismusfreie Lernumgebung. Das N-Wort darf weder in Bildungseinrichtungen noch im öffentlichen Raum verwendet werden. Wir hoffen, dass Baden-Württemberg und vor allem die Landesregierung hier eine Vorreiterrolle einnehmen kann."

Ulmer Lehrerin hatte Petition gegen Lektüre gestartet

Eine Ulmer Deutschlehrerin, Jasmin Blunt, hatte eine Petition gestartet, um "Tauben im Gras" als Pflichtlektüre im Abitur zu stoppen. Sie hätte das Buch "Tauben im Gras" im kommenden Schuljahr unterrichten müssen, geht nun aber aus eigener Entscheidung für ein Jahr in Beurlaubung ohne Bezüge. Außerdem greift das Haus der Geschichte in Stuttgart den Fall der Ulmer Lehrerin im kommenden Jahr in einer Dauerausstellung auf. Porträtiert werden Menschen, die politische Teilhabe verlangen.

Die Bildungsgewerkschaft GEW begrüßt, dass das Kultusministerium auf die Debatte reagiert und es eine Alternativ-Lektüre gibt. Die baden-württembergische Landesvorsitzende Monika Stein sagte dem SWR, der Weg zu einer Gesellschaft ohne Rassismus und Diskriminierung sei weit. Das gelte auch für die 4.500 Schulen in Baden-Württemberg. Die Diskussion über diese Abi-Lektüre sei deswegen wichtig. Bisher gebe es noch zu wenige Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter, um auf Rassismus schnell und gut reagieren zu können.

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