Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hat die Entscheidung der Bundesregierung für eine niedrigere Gas-Mehrwertsteuer kritisiert. "Ein knappes Gut sollte nicht für alle pauschal günstiger gemacht werden", twitterte der Grünen-Politiker am Donnerstag. Innerhalb weniger Minuten erreichten Bayaz zahlreiche Reaktionen, darunter Lob, aber auch Kritik an seinen Äußerungen.

Aus seiner Sicht sei es besser, Preise wirken zu lassen, um zum Sparen anzureizen und Bedürftige gezielt zu entlasten, so Bayaz. Die Mehrwertsteuer-Senkung auf Gas sei die nächste Entscheidung, die ökonomisch eine völlig falsche Wirkung erziele, schrieb er.
Unterstützung erhielt der Finanzminister vom baden-württembergischen Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz. Die Mehrwertsteuersenkung auf Gas halte er für zweifelhaft, weil Geringverdiener nicht berücksichtigt würden, so Schwarz gegenüber dem SWR. Notwendig seien dagegen gezielte Entlastungen für Bedürftige.
CDU und SPD für Mehrwertsteuersenkung
Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) begrüßte die Maßnahme dagegen, weil sie die die Inflation dämpfe. Ein erhebliches Manko sieht sie darin, dass die Unternehmen nicht davon nicht profitierten. Direkte Kritik an Bayaz' Äußerungen twitterte der CDU-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Bruchsal-Schwetzingen, Olav Gutting. "Ihr habts gern teuer, gell?" fragte er Bayaz, der daraufhin konterte: "Nein, aber klug."
Auch die Mannheimer SPD-Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori ging mit den Äußerungen von Bayaz hart ins Gericht. Sie seien "zynisch", auch angesichts des schleppenden Ausbaus der erneuerbaren Energien im Land, twitterte sie.
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Sozialverbände kritisieren Zielgenauigkeit
Der Paritätische Gesamtverband wies darauf hin, dass die Mehrwertsteuersenkung alle entlaste, "also auch diejenigen, die es überhaupt nicht nötig haben". Der Spitzenverband der Wohlfahrtspflege plädierte für gezielte Hilfen an Menschen, "die ihre Gasrechnung nicht mehr bezahlen können", hieß es in einer Stellungnahme, die die "Rheinische Post" veröffentlichte.
Der Sozialverband VdK forderte zusätzliche Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger. Präsidentin Verena Bentele sagte, Finanzminister Christian Lindner (FDP) müsse über eine Übergewinnsteuer und eine Vermögensabgabe nachdenken, um Geld für die Entlastung der Schwächsten zu haben.
Unternehmen ächzen unter Energiekosten
Auch Wirtschaftsverbände bezeichnen es als falsches Signal, die Mehrwertsteuer auf Gas zu senken. Weil Unternehmen keine Mehrwertsteuer zahlten, gehe die Entlastung an den Unternehmen vorbei, kritisierte Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundes Deutscher Industrie (BDI). Die Unternehmen kämpften mit ausufernden Energiekosten, so Lösch. Er forderte, die Höhe der Umlage zu senken und die Dauer der Erhebung zeitlich zu strecken.
Steuerzahler: "Belastung der Verbraucher steigt"
Der Bund der Steuerzahler bewertete es hingegen als positiv, dass die Mehrbelastung für Gasverbraucherinnen und -verbraucher "etwas abgemildert" werden solle. "Dennoch darf nicht vergessen werden: Insgesamt steigt durch die neue Gasumlage die Belastung der Verbraucher", stellte Verbandspräsident Reiner Holznagel fest.
Bundesregierung will Mehrwertsteuer auf Gas senken
Wegen der rapide gestiegenen Gaspreise hatte die Bundesregierung am Donnerstag angekündigt, die Mehrwertsteuer auf Erdgas für die Dauer der Gasumlage zu senken. Der Steuersatz auf den Gasverbrauch solle von bisher 19 auf 7 Prozent fallen, hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) mitgeteilt. "Mit diesem Schritt entlasten wir die Gaskunden insgesamt deutlich stärker, als die Mehrbelastung, die durch die Umlagen entsteht, beträgt", sagte Scholz. Der Ampel-Koalition gehören neben SPD und FDP auch die Grünen an.
Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz solle so lange gelten, wie die staatliche Gasumlage erhoben wird, also bis Ende März 2024. Laut Finanzministerium kann er greifen, sobald Bundestag und Bundesrat zugestimmt haben.
Mehr zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Gas in den Wirtschaftsnews des SWR: