Teurerer Sprit und Lebensmittel, höhere Rechnungen beim Heizen und Strom: Verbraucherinnen und Verbraucher in Baden-Württemberg spüren die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine deutlich. Nun kommt der nächste Preisschub. Das Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Netzbetreiber, Trading Hub Europe (THA), hat am Montag die Höhe der Gasumlage bekannt gegeben: Die Abgabe soll ab Oktober rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde betragen. Viele Menschen müssen damit ab Herbst tiefer in die Tasche greifen.
SWR-Korrespondent Georg Link ordnet die Gasumlage ein:
Verbraucher in BW zahlen mehr
Ein vierköpfiger Haushalt, der rund 20.000 Kilowattstunden im Jahr verbraucht, müsste etwa 480 Euro mehr bezahlen - die Mehrwertsteuer noch nicht eingerechnet. Die wird aber laut EU-Recht für Gaskunden auch noch fällig. Die Bundesregierung drängt in Brüssel jedoch auf eine Ausnahmeregelung.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb deshalb einen Brief an die EU-Kommission:
Mit dem Geld sollen Energieunternehmen vor der Pleite gerettet werden. Der ARD-Podcast "Energiekrise - und jetzt?" geht in seiner vierten Folge der Frage nach, ob das gerecht ist.
BW-Finanzminister Bayaz: Anreiz, Gas zu sparen
Die baden-württembergische Landesregierung hat die Umlage als notwendigen Schritt bezeichnet, um die Energieversorgung sicherzustellen. Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) bezeichnete sie als Anreiz, Gas zu sparen. Sie sorge zudem für eine faire Verteilung der Kosten. Sollte es vonseiten der EU keine Ausnahmeregel geben, müssten gezielt Menschen mit kleinen Einkommen und Renten entlastet werden. Niemand sollte frieren, weil er seine Gasrechnung nicht mehr bezahlen kann, so Bayaz. Ähnlich äußerte sich das Umweltministerium. Wichtig sei es, mit den Einnahmen durch die Gasumlage den Menschen zu helfen, für die gestiegene Energiepreise eine große finanzielle Belastung seien, so ein Sprecher gegenüber dem SWR.
Bundeskanzler Scholz kündigt weitere Entlastungen an
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Bürgerinnen und Bürgern angesichts der Gasumlage ein weiteres Entlastungspaket zugesichert. "Wir lassen niemanden allein mit den höheren Kosten", teilte er Montag auf Twitter mit. Zugleich räumte Scholz ein: "Es wird teurer - da gibt es kein drum herumreden. Die Energiepreise steigen weiter." Bisher seien schon staatliche Hilfen über 30 Milliarden Euro beschlossen worden.
Mack kritisiert die Gasumlage der Ampelkoalition als unsozial
Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Winfried Mack, bezeichnete die Gasumlage der Bundesregierung als "wirtschafts- und sozialpolitisch fragwürdig". "Wenn Unternehmen aus übergeordneten Gründen zu retten sind, dann muss dies der Bund direkt finanzieren. Die Unternehmen können dann die Rettungsgelder in den nächsten 30 Jahren wieder abstottern", sagte Mack. Stattdessen verschiebe die Bundesregierung das Problem auf die Gaskunden. "Wenn die Gas-Importunternehmen keine Rücklagen für den Fall des Ausbleibens von russischem Gas gebildet haben, kann dies nicht über den Geldbeutel einer Verbrauchergruppe im Land gelöst werden."
Karlsruher Stadtwerke erhöhen Preise um 55 Prozent
Die Stadtwerke Karlsruhe haben angekündigt, die Preise zum Oktober um 55 Prozent zu erhöhen - das macht unterm Strich für einen Vier-Personen-Haushalt in einem Einfamilienhaus mindestens 160 Euro mehr pro Monat. In Bruchsal (Kreis Karlsruhe) sollen die Preissteigerungen ähnlich ausfallen.
Wie Energieversorger am Bodensee auf die Umlage reagieren:
Steigende Energiekosten Stadtwerke Konstanz bereiten sich auf Gasumlage vor
Die Gasumlage über 2,42 Cent pro Kilowattstunde ab Oktober ist am Montag beschlossen worden. Energieversorger aus der Region Bodensee-Oberschwaben müssen darauf nun reagieren.
Heilbronner Wohnbauunternehmen schreibt Preis bis Ende 2022 fest
In manchen Städten sollen Preissprünge zunächst abgefedert werden. Das kommunale Wohnbauunternehmen Stadtsiedlung in Heilbronn etwa hat den Gas- und Strompreis bis Ende des Jahres festgeschrieben. So zahlen Bewohnerinnen und Bewohner noch eine Zeit lang den Tarif zu den günstigeren Einkaufspreisen für Gas. Bei den Vorauszahlungen hat das Unternehmen bereits angezogen, um hohe Nachzahlungen zu vermeiden.
Das denken Menschen in Heilbronn über die Umlage:
Während der Konzern RWE angekündigt hat, die Umlage nicht nutzen zu wollen, will der Mannheimer Energieversorger MVV darauf zurückgreifen. Auch der Karlsruher Energiekonzern EnBW will die geplante Gasumlage nutzen. Die Tochter VNG sei vom Ausfall russischer Gaslieferungen betroffen, erklärte der Versorger am Montag. "Daher werden wir diese Umlage auch in Anspruch nehmen."
BW-Handwerk warnt vor Betriebsschließungen
Die baden-württembergischen Handwerksbetriebe sind wegen der Umlage in Sorge. "Die Gasumlage darf nicht dazu führen, dass Handwerksbetriebe aufgrund dieser unverschuldeten Krise ihre Energiekosten nicht mehr stemmen können und letztlich sogar schließen müssen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Handwerkstags, Peter Haas, laut einer Mitteilung. 2023 könne es für Handwerksbetriebe beim Strom eine Verdopplung der Preise geben, beim Gas sogar eine Verdreifachung. "Dabei leiden bereits jetzt viele Betriebe unter der Preisexplosion, beispielsweise Bäckereien. Für einen durchschnittlichen Betrieb kann die Gasumlage schnell zu Mehrkosten von vielen Zehntausend Euro pro Jahr führen", warnte er.
Industrie: Umlage zeitlich strecken
Der Bundesverband der Deutschen Industrie fordert, besonders schutzbedürftige Unternehmen zu unterstützen. "Die Politik sollte sich überlegen, die Umlage über 2024 hinaus zeitlich zu strecken, denn die Kosten werden viele Unternehmen überfordern", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Holger Lösch am Montag laut Mitteilung. "Dazu muss die Politik noch einmal über die Reduktion staatlicher Lasten auf den Energiebezug nachdenken." Die Bundesregierung solle außerdem schnell dafür sorgen, so viel Energie aus nicht-russischen Quellen bereitzustellen wie möglich.
Städtetag: Zeitraum der Abgabe strecken
Auch der Deutsche Städtetag schlägt vor, die Abgabe über längere Zeit zu strecken. "Die Umlage ist der richtige Weg: Sie hilft zu verhindern, dass die Lieferkette zusammenbricht", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy am Montag laut Mitteilung. "Aber sie darf die Menschen nicht weiter verunsichern oder überfordern, sondern muss verlässlich sein." Daher solle die Umlage gestreckt und nicht alle drei Monate geändert werden. Weitere Preissteigerungen müssten durch Zuschüsse des Bundes abgefedert werden.
Hälfte aller Haushalte in Deutschland betroffen
Die Umlage soll von Privathaushalten und auch Unternehmen gezahlt werden, die Gas verbrauchen. Das betrifft Millionen Menschen in Deutschland, denn etwa die Hälfte aller Wohnungen wird mit Gas beheizt. Dazu kommen Haushalte mit Mischsystemen wie beispielsweise Solarthermie oder Pelletheizungen, die durch Gas ergänzt werden. Mieter, die keine eigenen Gasverträge haben, müssen mit deutlich höheren Nebenkostenabrechnungen und gegebenenfalls Heizkostenabschlägen rechnen. Bislang ist unklar, wie mit Kundinnen und Kunden mit Festverträgen umgegangen wird. Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es bisher nur, dies werde geprüft.
Auf Bewohner kommen höhere Kosten zu Gasumlage macht auch vor Pflegeheimen nicht Halt
Wegen der Gasumlage müssen Verbraucher ab Oktober tiefer in die Tasche greifen. Auch Pflegeheime sind von den Preissteigerungen betroffen.
VdK-Chefin: Regierung muss Entlastungspaket nachlegen
Verena Bentele, Chefin des Sozialverbandes VdK, sagte im Interview mit dem SWR, viele Verbandsmitglieder würden sich mit ihren Anliegen an sie wenden - so beispielsweise Menschen mit einer kleinen Rente, die Bedenken bezüglich der steigenden Kosten hätten. "Hier muss die Regierung dringend ein Entlastungspaket nachlegen", so Bentele. Sie fordert unter anderem, dass Rentnerinnen und Rentner die Energiepreis-Pauschale in Höhe von 300 Euro bekommen. Zudem soll es laut Bentele einen Grundbedarf für jeden Haushalt geben, der bezahlbar ist und jedem zur Verfügung steht: "Dazu gehören Gas und Strom und wer wirklich mehr braucht, wer den Pool im Keller noch beheizen kann und möchte, der kann auch mehr bezahlen."