Schöffen in Karlsruhe bei Gericht (Foto: SWR, SWR/ Laura Bisch)

Neue Amtsperiode beginnt

Was machen Schöffen? Blick hinter die Kulissen am Amtsgericht in Karlsruhe

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Laura Bisch
Laura Bisch, Reporterin und Redakteurin im SWR Studio Karlsruhe (Foto: SWR, SWR)

Mit dem neuen Jahr beginnt eine neue Amtsperiode für Schöffen. Das heißt: Neue und wiedergewählte Laienrichter treten ihren fünfjährigen Dienst an. Was machen Schöffen eigentlich?

Matthias Bohrer betritt das Amtsgericht Karlsruhe mit einem gefalteten Stück Papier in der Hand. An der Pforte zeigt er es vor und sagt: "Schöffensitzung heute!". Mit einem Nicken öffnet der Pförtner die Schleuse. Damit beginnt für Matthias Bohrer sein letzter Tag als Schöffe. Acht Jahre war der 61-Jährige als Laienrichter im Einsatz.

Der Tag am Gericht beginnt mit einem Fragezeichen

Ein typischer Tag für einen Schöffen bei Gericht beginnt mit einem Fragezeichen. Was verhandelt wird, das erfahren Matthias Bohrer und seine Schöffen-Kollegin Yvonne Halmich erst, wenn sie den Aushang im Gericht lesen. Dort steht: Wohnungseinbruchsdiebstahl. Beide murmeln vor sich hin: "Spannend, (...) zehn Zeugen, das könnte lang gehen".

Yvonne Halmich und Matthias Bohrer kennen sich seit einem Jahr - in dieser Zeit waren die beiden meist als Tandem eingeteilt. Dass Schöffen für einen Jahr lang einen festen Partner oder eine feste Partnerin bekommen, ist üblich. Yvonne Halmich blickt auf fünf Jahre im Amt zurück, auch sie ist in der neuen Amtsperiode nicht mehr dabei.

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Schöffen müssen den Durchblick bei Gericht behalten

Heute entscheiden die beiden Schöffen zusammen mit Richter Constantin Hofmann. Er ist einer von drei Richtern, die am Amtsgericht gemeinsam mit Schöffen arbeiten. Hofmann erklärt den beiden Schöffen den Fall und gibt ihnen vor der Verhandlung einen Überblick über die Akte.

Schöffen in Karlsruhe bei Gericht (Foto: SWR, SWR/ Laura Bisch)
Die Schöffen im Beratungszimmer mit Richter Constantin Hofmann.

Die Herausforderung für die beiden Schöffen: Sie müssen trotz der vielen neuen Infos den Durchblick behalten. Yvonne Halmich ist sich sicher:

Als Schöffe glaube ich, dass man auf das Wesentliche gucken muss. Worum geht es hier eigentlich? Was ist passiert? Ist es schlimm, was da passiert ist? Und kann man das wirklich an diesem Angeklagten alles festmachen?

Laienrichter mit Augen und Ohren bei den Angeklagten

Dann beginnt die Hauptverhandlung: Die Schöffen ziehen mit dem Richter in den Saal ein, sie setzten sich rechts und links neben ihn. Für Matthias Bohrer und Yvonne Halmich heißt es jetzt: alle Augen und Ohren auf die Angeklagten.

Während der Verhandlung machen sich die Schöffen Notizen und achten auf jede Reaktion der Angeklagten. Außerdem dürfen sie auch Fragen stellen.

Schöffen in Karlsruhe bei Gericht (Foto: SWR, SWR/ Laura Bisch)
Zu Anfang der Verhandlung erheben sich alle im Saal. Ganz vorne: die beiden Schöffen und Richter Hofmann.

Richter: Schöffen bieten Mehrwert für die Justiz

Richter Constantin Hofmann sieht die Schöffen als großen Mehrwert für das Justizsystem. Denn sechs Augen sehen mehr als zwei, sagt er. Außerdem hilft es dem Richter - je nach Fall -, dass Schöffen oft Erfahrung aus ihren Berufen einfließen lassen können. Matthias Bohrer arbeitet etwa bei der Kirche, Yvonne Halmich ist Pressesprecherin.

Schöffen bringen oft Berufs- und Lebenserfahrung mit. Wenn sie beim Finanzamt arbeiten, hilft diese Erfahrung zum Beispiel in einer Steuerstrafsache.

Außerdem sei es hilfreich für den Richter, wenn unter den Schöffen eine Frau sei - etwa wenn es in der Hauptverhandlung um Sexualstraftaten gehe. Allerdings hat der Richter keinen Einfluss darauf, welche Schöffen bei welchen Verhandlungen eingeteilt sind.

Schöffe Matthias Bohrer: "Das Vertrauen ist sehr hoch"

Yvonne Halmich und Matthias Bohrer haben in den vergangenen Jahren viele Stunden in dem Gerichtsgebäude verbracht. Eine Erfahrung, aus der beide das Fazit ziehen: Das Justizsystem ist fair. Matthias Bohrer sagt:

Das Vertrauen ist sehr hoch und ist auch sehr hoch geblieben.

Als Begründung sagt Matthias Bohrer, er habe durch sein Amt wirklich gesehen, "dass bei jedem Sachverhalt alle Aspekte behandelt werden". Es werde niemand im Schnellverfahren durchverurteilt.

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Laienrichter bei der Urteilsfindung in Karlsruhe dabei

Sobald alle Zeugen gehört sind, ziehen sich Richter Hofmann und die beiden Schöffen ins Beratungszimmer zurück. Dann geht es an die Urteilsfindung. Alle drei erklären: Man diskutiere dabei so lange, bis sich alle einig seien. Kampfabstimmungen seien eher selten. Yvonne Halmich fasst nach einem langen Tag bei Gericht zusammen:


Es war ein sehr langer und auch wirklich ein sehr herausfordernder Tag - auch mit einer überraschenden Wendung: Auf einmal kamen ganz neue Aussagen, wo man gar nicht drauf vorbereitet war.

Für die Angeklagten endet der Tag mit Haftstrafen. Für die beiden Laienrichter Yvonne Halmich und Matthias Bohrer endet er mit der Gewissheit, dass sie heute zum letzten Mal als Schöffen durch die Tür des Amtsgerichts gehen.

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