Ermittler suchen vor einer Wand, die in den Landesfarben der Ukraine angestrichen ist und auf die der Großbuchstabe Z gemalt wurde, nach Hinweisen. In Russland wird der Buchstabe Z zum Beispiel auf Autos, Häuser oder Kleidung geklebt. Sie bringen ihre Unterstützung für die russischen Streitkräfte in der Ukraine zum Ausdruck. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/CTK | Hájek Ondøej)

Kommentar von Max Bauer

Leugnung von Kriegsverbrechen kann Volksverhetzung sein

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Max Bauer

In Deutschland war bisher vor allem das Leugnen des Holocaust strafbar. Nun hat der Bundestag die Strafbarkeit deutlich ausgedehnt. Wer Kriegsverbrechen und Völkermord billigt, leugnet oder gröblich verharmlost kann nun leichter bestraft werden. Mit dem Strafrecht gegen krude Geschichtspolitik? Ein juristisch problematisch, aber vielleicht doch notwendiger Schritt.

Die Zeitenwende ist eine Zeitenwende von A bis Z. Von A, wie Putins Angriffskrieg bis zu dem Zeichen Z, das auf den russischen Panzern prangt. Und nicht nur dort. Auch hierzulande zeigen radikale Putin-Versteher das große Z. Für die könnte das Zeichen der Unterstützung des russischen Krieges, wenn sie es öffentlich zeigen, bald ernste juristische Folgen haben. In der ganzen Republik laufen mittlerweile Strafverfahren wegen der Billigung von Straftaten. Und jetzt hat auch der Bundestag den Paragrafen zur Volksverhetzung verschärft. Bis zu drei Jahre Haft für den, der Völkermord oder Kriegsverbrechen öffentlich billigt, leugnet oder gröblich verharmlost. Problematisch ist, dass der Bundestag das Gesetz heimlich, still und leise verschärft hat. Aber dennoch setzt das Parlament nun ein klares Zeichen.

Vorgaben aus dem EU-Recht

Der Grund für die Gesetzesverschärfung sind nicht die Putin-Freunde und das Z auf deutschen Straßen. Das EU-Recht macht diesmal die Vorgabe. Der deutsche Gesetzgeber setzt sie um. Hintergrund ist die Initiative osteuropäischer Mitgliedstaaten, die der Verharmlosung stalinistischer Verbrechen einen Riegel vorschieben wollen. Und das könnte nach Einschätzung von Experten auch die Bedeutung der Gesetzesänderung sein: Der Gesetzgeber fordert Staatsanwälte dazu auf, sensibel zu sein bei geschichtspolitischen Debatten. Krude Geschichtstheorien, die historische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, können vor den Strafgerichten landen. Bisher war klar: Die Leugnung des Holocaust ist in Deutschland strafbar. In Zukunft kann das auch für den deutschen Völkermord an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 gelten. Aber genauso auch für den türkischen Völkermord an den Armeniern.

Aus dem Netz auf die Straßen

Mit dem Strafgesetzbuch gegen populistische Geschichtsfälscher – ist das nicht ein Schritt zu viel? Kann man das Social-Media-Rauschen wirklich mit dem Strafrecht von seinen geschichts-verdrehenden Missklängen befreien? Genau hier liegt das Problem. Die Social-Media-Öffentlichkeit lebt von lauten Lügen und lautem Hass. Natürlich wäre es besser, wenn der freie Meinungsaustausch ohne strenge Strafgesetze auskäme, wenn einfach kluge Argumente den Leugnern deutscher Kolonialverbrechen den Wind aus den Segeln nehmen würden – und ebenso den deutsch-russischen Putinisten. Aber im Zeichen des Z, das für Russlands Verbrechen in Butscha wie für die Zeitenwende steht, ist die Welt eine andere. Bei Pro-Putin-Demos in Sachsen werden Ukrainer verhöhnt und beleidigt, in Mecklenburg-Vorpommern brennt eine Unterkunft für ukrainische Geflüchtete und bürgerliche Politiker der CDU zündeln mit dem perfiden Vorwurf des „Asyl-Tourismus“. In einer solchen Lage auf den freien Meinungskampf zu setzten, ist naiv. Und es ist gut, dass die übelsten Versuche, Menschheitsverbrechen zu leugnen und zu verharmlosen, jetzt leichter bestraft werden können – von A bis Z, vom Angriffskrieg bis zu dem Z, das für russische Kriegsverbrechen steht.

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Max Bauer