Patienten warten im Wartezimmer einer Arztpraxis.

Zusätzliche Ärztin steigt in Praxis ein

Ärztemangel: Neue Patienten mit Tränen in den Augen in Satteldorf

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Jan Arnecke
Jan Arnecke

In Satteldorf beginnt eine neue Ärztin am Montag ihre Arbeit in der Hausarztpraxis von Doktor Simsch. In der Woche zuvor wurde die Praxis regelrecht von neuen Patienten überrannt.

Die Menschen in Satteldorf (Kreis Schwäbisch Hall) standen am Montag, Dienstag und Mittwoch vergangene Woche vor der Hausarztpraxis Simsch, um als neue Patienten aufgenommen zu werden. Grund für den Ansturm: Eine neue Ärztin wird dort ab 2. Oktober das Praxisteam verstärken.

Neue Ärztin nimmt Patienten auf: Lange Schlangen sind die Folge

Doch zurück zum Anfang: Als klar ist, dass Doktorin Anne-Christin Klein im Oktober in der Praxis ihre Arbeit aufnehmen wird, macht die Praxis Werbung in der Zeitung, bietet an, neue Patientinnen und Patienten aufzunehmen, "damit die neue Kollegin nicht arbeitslos herumhängt", scherzt Simsch.

Vom Andrang, der sich dann über die drei für die Neuaufnahme ausgeschriebenen Tage erstreckte, waren dann auch er und sein Team "komplett erschlagen". Dennoch habe der normale Praxisalltag weitergehen können, auch wenn von morgens 6:45 Uhr bis abends 18 Uhr eine Schlange von rund 80 Menschen vor der Tür gestanden habe.

In den drei Tagen seien so rund 800 neue Patientinnen und Patienten aufgenommen worden. Geplant waren etwa 500 Neuaufnahmen. Auf der Webseite der Praxis heißt es deshalb jetzt: "Wir können leider ab sofort für unbestimmte Zeit keine weiteren Patienten aufnehmen, da unsere Kapazität überschritten ist."

Ärztemangel auf dem Land: "Das war fast schon peinlich"

Simsch berichtet von rührenden Szenen, von Menschen, die "Tränen in den Augen" gehabt hätten, weil sie endlich einen Hausarzt gefunden haben. "Fast schon ein bisschen peinlich", gibt er zu. Warum? Weil es eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass man auch auf dem Land ohne Probleme einen Hausarzt findet, so Simsch weiter.

Den Grund für dieses Problem sieht er "in den Versäumnissen der letzten 15 Jahre" der Politik. Da habe auch jede Partei ihren Anteil dran. Die Politik habe "das System an die Wand gefahren." Das spüre zurzeit jede Patientin und jeder Patient. Es fehle an Nachwuchs und es sei abzusehen gewesen, dass ältere Kollegen in Rente gehen werden. Außerdem sei es auch ein Risiko, sich als Arzt niederzulassen, egal wo.

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Motivierte neue Kollegin

Dem pflichtet auch die neue Kollegin, Doktorin Anne-Christin Klein, bei. Sie ist seit 2010 als Ärztin aktiv. Vor Satteldorf hat sie in Nürnberg gelebt und in Erlangen in einer Klinik gearbeitet, erzählt sie. Auch sie berichtet davon, dass der finanzielle Druck durch die Krankenkassen und das Risiko einer Niederlassung viele junge Ärzte von der Selbstständigkeit abschrecke. Auch sie sei in Satteldorf erst einmal "nur" angestellt.

Warum sie selbst zurück aufs Land kam? Die Frage beantwortet sie so: Sie selbst stamme aus Satteldorf, also vom Land, wollte nach vielen Jahren in Nürnberg zurück in die Natur und in die Heimat. Und natürlich habe auch der Faktor Ärztemangel eine Rolle gespielt, allerdings keine tragende. Sie sei hoch motiviert und bereit, mit der Arbeit loszulegen und freue sich auf den neuen Alltag in der ländlichen Praxis und die Abwechslung, die es bringe, Patientinnen und Patienten von jung bis alt mit allen medizinischen Facetten behandeln zu können.

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