Leeres Wartezimmer in einer Arztpraxis: Immer mehr Arztpraxen gehören nicht mehr dem Arzt. Investoren, Kommunen und Kliniken kaufen sie, sichern so die medizinische Versorgung, verfolgen aber unterschiedliche Ziele: Kliniken drängen in die ambulante Behandlung, Investoren reizt der Profit.

Niedergelassene Ärzte aus Heilbronn-Franken protestieren in Stuttgart

Ärztemangel: Arbeit bis ins hohe Alter - nur aus Verpflichtung?

Stand

In Stuttgart machen am Mittwoch viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ihrem Ärger Luft. Ein Punkt dabei: Der Ärztemangel, der von selbst nicht besser wird.

Auf dem Stuttgarter Schlossplatz protestieren am Mittwoch viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte gegen zu viel Bürokratie, für mehr Honorar und für eine bessere Patientenversorgung: Auch im Raum Heilbronn fehlen Hausärztinnen und Hausärzte. In vielen Praxen arbeitet deswegen so manch einer bis ins hohe Alter.

76-Jähriger arbeitet munter weiter

Etwa in der Hausarztpraxis Obereisesheim bei Neckarsulm (Kreis Heilbronn) hat zwar inzwischen Tobias Neuwirth den Hut auf, der Junior, aber auch der Vater packt weiter mit an. Herbert Neuwirth ist inzwischen 76 Jahre alt, arbeitet immer noch mit, macht Sprechstunde und behandelt seine Patientinnen und Patienten. Das mache ihm auch Spaß und er werde auch gebraucht, erzählt der Junior.

Hausarztmangel wird sich verschärfen

Dass quasi alle niedergelassene Ärztinnen und Ärzte gerade noch gebraucht werden, weiß einer genau. Martin Uellner spricht für die Ärzteschaft Heilbronn und hat im Stadtteil Böckingen selbst eine Praxis. Er sagt, in Heilbronn, und das sei beispielhaft für andere Städte in Baden-Württemberg, seien 40 Prozent der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte älter als 61 Jahre. Er rechnet damit, dass in fünf Jahren die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in Heilbronn um ein Drittel zurückgeht, die Anzahl der Praxen sogar um die Hälfte.

Das würde dann bedeuten, dass bis zu 30 Prozent der Heilbronnerinnen und Heilbronner keinen Hausarzt oder keine Hausärztin mehr hätten. Nachdem eine Praxis in der Nachbarschaft geschlossen wurde, sei auch bei ihm eine Patientin aufgeschlagen und habe um eine Aufnahme gebeten und gebettelt, sie habe drei Krebsarten und keinen Hausarzt mehr.

Uellner: Viele Ärztinnen und Ärzte müssen mit über 67 noch arbeiten

Uellner selbst müsste zwar nicht mehr arbeiten, sagt er, er komme aber gern zur Arbeit. Mit seinen 63 Jahren könnte er sich aber auch vorstellen, mehr Zeit mit Frau und Hund zu verbringen, etwa in den Bergen.

Er hört aber auch von viele Kolleginnen und Kollegen, die mit 67 Jahren und mehr noch arbeiten müssen, um etwa die Ausbildung ihrer Kinder zu finanzieren.

Dr. med. Martin Uellner, Vorsitzender der Ärztegemeinschaft in Heilbronn, bei einem Interview
Hausarzt Martin Uellner, Vorsitzender der Ärzteschaft Heilbronn.

Mehr Honorar für mehr Wertschätzung gefordert

Dem Protest auf dem Stuttgarter Schlossplatz schließen sich beide Ärzte an. Uellner sagt, eine Honorarsteigerung von zwei Prozent und angekündigte Nullrunden seien eine Schande und würden die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen nicht wertschätzen. Kosten würden nämlich steigen, für Energie und oft für die Miete. Neuwirth sagt, ihm gehe es vor allem um eine bessere Patientenversorgung.

Arzt-Patienten-Verhältnis in Gefahr?

Dass junge Ärztinnen und Ärzte nach dem Medizinstudium lieber in eine Anstellung in einer Klinik gehen, können beide nachvollziehen. Dort bekommen sie etwa dasselbe und müssen eher weniger arbeiten und keine Verantwortung tragen für die Beschäftigung anderer.

Dabei entstehe ein vertrautes Arzt-Patienten-Verhältnis eben bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, so Neuwirth. Er habe viele Patientinnen und Patienten von Anbeginn an kennengelernt. Er kenne ihre Familienstruktur und die Hintergründe und das mache die Arbeit auch aus. Weil aber Hausärztinnen und Hausärzte immer mehr und schneller behandeln müssen, ginge das allerdings leider immer mehr verloren.

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