Günter Baumann und Wolf Theilacker erleben das Pershing-Unglück am 11. Januar 1985 auf der Heilbronner Waldheide ganz unterschiedlich. Baumann ist Feuerwehrmann der ersten Stunde. Er ist einer der ersten, der am Unglücksort eintrifft.
Als der Alarm kommt, rückt die gesamte Heilbronner Feuerwehr sofort aus, erinnert sich der Feuerwehrmann: Das Eingangstor zum "Fort Redleg", wie die US-Amerikaner ihren Raketenstützpunkt nennen, steht offen. Die Soldaten haben sich in den hinteren Bereich zurückgezogen. Mit Schaum und Wasser löscht die Heilbronner Feuerwehr die brennende Raketenlafette. Das ist eine Vorrichtung zum Start der Pershings. Ein lebensgefährlicher Einsatz, wie sich rasch herausstellt, sagt Feuerwehrmann Baumann.
Damals protestiert Wolf Theilacker bereits seit Jahren gegen die Stationierung von Atomraketen. Als erster Grünen-Stadtrat von Heilbronn fordert er vehement, dass die Stadt Heilbronn sich gegen den Pershing-Standort wehrt - bis zum Zeitpunkt des Unglücks vergeblich.
"Auf der Heilbronner Waldheide stehen nur Raketen-Attrappen"
Auf der Waldheide stehen nur Attrappen zum Üben für die Soldaten, habe es damals offiziell geheißen, erinnert sich Theilacker: "Die haben uns verarscht".
Dann folgt das Umdenken: 13 Tage nach dem Unglück formuliert der Gemeinderat einstimmig eine Forderung, wonach der Raketenstandort unverzüglich beseitigt werden müsse, dokumentiert das Heilbronner Stadtarchiv.
An Friedensdemonstrationen beteiligt sich Feuerwehrmann Günter Baumann nicht, politisch hält er sich zurück. Ihn prägt vor allem die Erinnerung an den Löscheinsatz: Ausgelöst wird die Explosion durch eine chemische Reaktion in der Rakete, wird später bekannt. Schnell bemerken die Einsatzkräfte, dass weitere Raketen wenige hundert Meter entfernt stehen. Die Flammen drohen auch sie zu entzünden. "Das wäre fatal gewesen, da haben wir dann aus größerer Entfernung gelöscht", sagt er heute.
Baumann: Den Film unterm Feuerwehrhelm versteckt
Baumann sorgt dafür, dass Bilder des Unglücks öffentlich werden. Heimlich fotografiert der Feuerwehrmann die Löscharbeiten, missachtet dabei ein Verbot der US-Armee. So lange bis das Feuer nahezu gelöscht ist und sich die Soldaten wieder aus der Deckung trauen.
Als ein Offizier auf ihn aufmerksam wird und er kontrolliert werden soll, hat er den Film in seinem Fotoapparat schnell zurückgespult, unter seinem Feuerwehrhelm versteckt und einen leeren Film eingelegt, berichtet Baumann. "Dem Soldaten habe ich dann den leeren Film gegeben."
Theilacker: "Nie wieder Atomraketen"
1991 sind die US-Truppen aus Heilbronn abgezogen, die Waldheide ist seitdem ein Heilbronner Naherholungsgebiet. Der Heilbronner Friedensaktivist Wolf Theilacker wertet dies auch als Erfolg der Heilbronner Friedensbewegung. Allerdings nur als vorübergehenden Erfolg.
Mit Sorge betrachtet er den Krieg in der Ukraine, die Krisen weltweit, die neuen Pläne, in Deutschland wieder Raketen zu stationieren. Der Friedensaktivist der 1980er Jahre ist strikt dagegen, auch heute noch. Ein atomares Schutzschild gebe es nicht, durch Atomraketen werde man zur Zielscheibe der Gegenseite. Davon ist Theilacker überzeugt.
Baumann: "Keine Atomraketen in Ballungszentren"
Auch der weit unpolitischere Feuerwehrmann von damals, Günter Baumann, sorgt sich um die Zukunft, schränkt allerdings ein: "Atomraketen sollten zumindest nicht mehr in Ballungszentren stationiert werden." Denn eines der Argumente gegen die Pershing-II Raketen auf der Waldheide ist damals die Nähe der atomaren Sprengköpfe zur Großstadt Heilbronn.
Fazit nach 40 Jahren Heilbronner Waldheide
40 Jahre nach dem Pershing-Unglück treffen sich die beiden Zeitzeugen Baumann und Theilacker auf der Waldheide am Gedenkstein, der an das Geschehen von damals erinnert. Schnell kommen sie ins Gespräch, tauschen ihre Erfahrungen aus. Am Ende sind sich beide einig: Auch wenn die Pershing-II Raketen Geschichte sind. Die Bedrohung für den Frieden ist womöglich noch größer als damals. Die Angst vor einem Krieg ist wieder da.