Kartuschen, die Distickstoffmonoxid (Lachgas) enthielten, liegen auf dem Boden.

Gesundheitsgefahr durch legale Partydroge

BW-Gesundheitsministerium offen für Verkaufsverbot von Lachgas an Jugendliche

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Johannes Böhler
Johannes Böhler

Lachgas ist frei verkäuflich, gilt unter Jugendlichen aber als Partydroge. Nach einem Vorstoß aus NRW zeigt sich auch das BW-Gesundheitsministerium offen für strengere Regeln.

Das baden-württembergische Gesundheitsministerium ist offen für strengere Regeln beim Verkauf von Lachgas. "Wir halten Maßnahmen gegen den steigenden Lachgaskonsum bei jungen Menschen für fachlich angezeigt", so eine Sprecherin des Ministeriums auf eine Anfrage des SWR. Obwohl das Inhalieren von Lachgas Gesundheitsgefahren berge wie Kälteverbrennungen bei unerfahrenen Konsumenten sowie ein Risiko neurologischer Schädigungen bei Intensiv- und Dauerkonsumenten, werde der Konsum von vielen Jugendlichen als unproblematisch, weil legal betrachtet. Hier bedürfe es der Aufklärungs- und Präventionsarbeit", so die Sprecherin weiter.

Niedersachsen lässt Verkaufsverbot prüfen

Auch ein Abgabeverbot sei ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Die rot-grüne Landesregierung von Niedersachsen hatte bereits am Mittwoch angekündigt, eine entsprechende Bundesratsinitiative zu prüfen. Die Ausbildung eines Schwarzmarktes müsse jedoch vermieden werden, betonte die Sprecherin des Gesundheitsministeriums Baden-Württemberg. Und die industrielle und medizinische Nutzung von Lachgas, etwa in der Zahnmedizin und der Gastronomie müsse weiterhin möglich sein.

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat bereits Stellung zur Lachgas-Problematik bezogen. "Die schnelle Verbreitung bei Kindern und Jugendlichen muss uns allen Sorge machen", sagte Lauterbach am Mittwoch in Berlin. Daher halte er es für nicht vertretbar, dass Lachgas in Automaten oder "Spätis" (Spätkaufläden) verkauft werde, insbesondere nicht an Kinder und Jugendliche. Er sei dazu mit den zuständigen Ressorts der Regierung im Gespräch, sodass man hoffentlich bald zu Regelungen kommen werde. "Es kann auf keinen Fall so bleiben, wie es jetzt ist", so Lauterbach.

In Baden-Württemberg konsumieren schon Jugendliche ab zwölf Lachgas

Das baden-württembergische Gesundheitsministerium sieht den Konsumschwerpunkt in Nordrhein-Westfalen und Norddeutschland. Der Stoff sei aber auch in Baden-Württemberg unter Jugendlichen verbreitet, teilweise bereits ab dem zwölften Lebensjahr, hieß es aus dem Ministerium. Die wachsende Beliebtheit sei zudem der leichten Verfügbarkeit, günstigen Preisen sowie der allgemeinen Wahrnehmung geschuldet, dass der Konsum von Lachgas relativ sicher sei, teilte das Ministerium unter Berufung auf Erkenntnisse der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) mit.

Lachgas, also Distickstoffmonoxid (N2O), ist seit einigen Jahren als sogenannte Partydroge auf dem Vormarsch. Die Konsumenten atmen den euphorisierenden Stoff über Luftballons ein. Dabei fällt Lachgas in Deutschland bisher nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und kann zum Beispiel in Sahnekapseln oder Kartuschen im Supermarkt, in Tabakläden oder im Internet gekauft werden. Andere Staaten haben bereits gesetzliche Regelungen gegen den Missbrauch getroffen. In Großbritannien ist der Besitz von Lachgas seit Ende 2023 illegal, auch die Niederlande und Dänemark haben strenge Vorgaben.

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Auch Grüne besorgt über Gesundheitsschäden

Die Fraktion der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg sprach sich gegenüber dem SWR für mehr Aufklärung sowie strengere Regeln in Bezug auf Lachgas aus. "Schwerwiegende und langfristige Gesundheitsschäden können durch den unkontrollierten Konsum entstehen", erklärte die Sprecherin für Gesundheit der Grünen-Fraktion, Petra Krebs. Sie verwies auch auf die baden-württembergische Drogentoten-Statistik. Demnach war der Konsum von Lachgas 2023 Mitursache für den Tod von fünf Menschen in Baden-Württemberg. "Lachgas hat somit nichts auf Partys oder in Social Media Challenges zu suchen", so Krebs. "Lachgas in das sogenannte Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz aufzunehmen wäre eine Möglichkeit, einen missbräuchlichen Konsum zu unterbinden", so die Grünen-Politikerin.

Die SPD-Fraktion im Landtag befürwortete im Gespräch mit dem SWR ein Verkaufsverbot von Lachgas an Kinder und Jugendliche. Ein solches sei notwendig, um sie vor den Folgen des Lachgas-Konsums zu schützen, sagte der suchtpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Andreas Kenner. Da Lachgas offiziell bislang nicht als Droge gelte, sei der Erwerb besonders leicht. Zudem würden sowohl im Internet als auch an Kiosken zum Teil auch Lachgas-Kartuschen mit Geschmacksrichtungen wie Pfirsich, Erdbeere oder Mango angeboten, was gerade junge Menschen zum Konsum animiere.

SPD fordert mehr Geld für Drogenberatung

Zusätzlich fordert die SPD im Land von der grün-schwarzen Landesregierung mehr Geld für die Drogenberatung. Die Suchtberatungsstellen im Land hatten zuletzt Alarm geschlagen, weil sie wegen klammer Kassen ihre Angebote einschränken mussten. Das Land fördert die Drogenberatungsstellen - der Fördersatz wurde jedoch seit 25 Jahren nicht erhöht.

FDP gegen Verkaufsverbot von Lachgas

Die FDP-Fraktion ist gegen ein Verkaufsverbot von Lachgas. "An der Cannabis-Politik der vergangenen Jahrzehnte sieht man allerdings deutlich, dass allgemeine Verkaufs- oder Konsumverbote nicht die Lösung der Probleme sind", begründete der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Jochen Haußmann, gegenüber dem SWR. Hinzu komme, dass das Gas in der Lebensmittelbrache weit verbreitet sei und dort kaum ersetzt werden könne. Anstelle eines Verkaufsverbots fordert die FDP-Fraktion mehr Aufklärung und Prävention. Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene müssten erfahren, welche Risiken beim Missbrauch von Lachgas auftreten.

AfD vermisst einheitliche Linie in Drogenpolitik

Der AfD-Fraktion dagegen ginge ein Verkaufsverbot von Lachgas nicht weit genug. "Es ist geradezu schizophren, wenn die Politik eine Droge legalisiert und einen Monat später über das Verbot einer anderen debattiert", so der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Bernhard Eisenhut, mit Blick auf die Cannabislegalisierung der Bundesregierung. Mit dieser habe die Bundesregierung klar gemacht, dass sie kein Problem im Drogenkonsum sehe, so der AfD-Politiker. Es verwundere daher nicht, wenn Jugendliche verstärkt auch zu anderen Drogen griffen. "Vor ein Verbot sollte eine einheitliche Linie gesetzt sein", so Eisenhut. Doch insbesondere Jugendlichen müsse klargemacht werden, "dass Drogenkonsumenten auch in Zukunft zu den Verlierern gehören".

CDU fordert Verkaufsverbot an Jugendliche und Mengenbegrenzungen für den Besitz

Die CDU begrüßt die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, den Verkauf von Lachgas als Partydroge einzudämmen. Nach der "verfehlten Cannabislegalisierung" tue Lauterbach wieder das, wofür er zuständig sei, nämlich die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu schützen, so der sozialpolitische Sprecher der CDU im Landtag, Stefan Teufel. "Aus meiner Sicht spricht viel dafür, jetzt schnell auf den Trend zum Lachgas-Missbrauch zu reagieren", sagte Teufel dem SWR. Wegen der erheblichen gesundheitlichen Gefahren fordere die CDU ein generelles Verkaufsverbot an Minderjährige und Mengenbegrenzungen für den Besitz.

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