Rechter Aussteiger in Überlinger Schule

Verführung über Gefühlswelt in radikale Szene

Aussteiger klärt an Überlinger Schule auf

Stand
Autor/in
Thomas Wagner

Philip Schlaffer ist viele Jahre in rechtsextremistischen Kreisen unterwegs gewesen. Eine Gefängnisstrafe hat ihn zum Nachdenken gebracht. Nun hat er in einer Überlinger Schule berichtet.

Philip Schlaffer war ein bekanntes Gesicht in der Rechtsextremismus-Szene. Inzwischen gilt er als einer der prominentesten Aussteiger. Nun hält er Vorträge an Schulen und zeigt auf, wie leicht man in die Szene abgleiten kann. Was mit Schmierereien an der Schulwand beginnt, kann in Rassismus, rechtsextreme Parolen und Hass abgleiten. Am Dienstag hat Philip Schlaffer Schülerinnen und Schülern am Gymnasium Überlingen (Bodenseekreis) seine Geschichte erzählt. 

Als Jugendlicher fühlte er sich nirgends angenommen

Philip Schlaffer erzählte den Schülern in Überlingen seine Lebensgeschichte. Einen Teil seiner Kindheit habe er in England verbracht. Nach der Rückkehr nach Deutschland habe er alle Freunde samt sozialem Rückhalt verloren, er habe das Gefühl gehabt, von niemandem geliebt zu werden.

"Ich bin morgens mit Wut aufgewacht. Ich war ein dauerhaft wütender junger Mann."

Oft habe er vor dem Jugendrichter gestanden, erzählte Schlaffer. Geld- und andere Strafen habe er erhalten. Immer wieder sei die Polizei zu ihm nach Hause gekommen. Mit 16 sei er erstmals in eine Partei eingetreten, Die jungen Nationaldemokraten (JN), das ist die Jugendorganisation der als rechtsextrem eingestuften NPD. Dort habe er zunächst das Gefühl gehabt, menschliche Wärme und Freunde gefunden zu haben, erzählte er den Schülern.

Radikalisierung und "Aufstieg" im kriminellen Umfeld

Dann folgte eine immer stärkere Radikalisierung. Philip Schlaffer wurde einer der führenden Köpfe der norddeutschen Neonazi-Szene, er habe sich einen Platz in der Führungsriege in einer kriminellen Rockergang erkämpft, er habe auch Drogenhandel und Prostitution organisiert, so der geläuterte Aussteiger.

Philip Schlaffer ist mit Ende 30 aus der Szene ausgestiegen. Damals musste er erneut eine Haftstrafe absitzen. Und es habe zu der Zeit auch Mordversuche aus den eigenen Reihen gegen ihn gegeben. Das habe zum Zusammenbruch und zu der Gefängnisstrafe geführt. Dort sei dann das Nachdenken gekommen - über sein Leben, über die vergangenen Jahre.

Authentischer Bericht geht unter die Haut

Die Überlinger Schule hat Aussteiger Philip Schlaffer im Rahmen eines Projektes der Friedrich-Ebert-Stiftung eingeladen. Für Gemeinschaftskundelehrerin Linda Orlowsky hat der Erfahrungsbericht von Schlaffer die Jugendlichen auch angesprochen, berührt und deutlich gemacht, wo die Gefahren lauern.

"Ich habe die Kinder beim Zuhören beobachtet. Sie fühlen sich angesprochen bei der Wut. Sie fühlen sich angesprochen beim Alleinsein."

Im Internet wird Kontakt über Gefühle gesucht

Heute lauerten die Gefahren für Jugendliche im Internet, so Aussteiger Schlaffer. Viele Rechtsextremisten versuchten, über soziale Medien ihre Inhalte so zu verbreiten, dass sie zunächst nicht als solche zu erkennen seien. Der Zugang wird über die Gefühlswelt gesucht. Für Lehrerin Orlowsky ist es besonders wertvoll, dass Philip Schlaffer erzählt, wie man in die Szene hineinrutschen kann, wo es enden kann, und dass er dann auch aufzeigt, dass man eine andere Richtung einschlagen kann.

"Durch diesen Vortrag hat man das viel besser mitgenommen als im Unterricht. Wenn man einen Menschen selbst darüber reden hört, schaut man mit ganz anderen Augen auf das Ganze."

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