Pilze im Wald bei Treherz im Allgäu (Foto: SWR, Corinna Scheller)

Pilzsaison hat begonnen

Allgäuer Experte sieht in Pilzen unentdecktes Forschungspotential

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Thea Thomiczek
SWR-Redakteurin Thea Thomiczek Autorin Bild (Foto: SWR, Leander Bauer)
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Julia Kretschmer
Julia Kretschmer Portrait SWR Volontärin 2022 (Foto: SWR, Patricia Neligan)

Pilze sind für viele ein kulinarisches Highlight. Doch immer mehr geraten sie auch in den Fokus der Forschung. Der Allgäuer Pilzexperte Rainer Schall sieht in ihnen ein noch großes unerforschtes Gebiet.

Mit dem Spätsommer beginnt die Pilzsaison. In der Region Bodensee-Oberschwaben kommt sie aber nur langsam in Schwung, denn es war zu trocken, sagt der Allgäuer Pilzexperte und Wildnispädagoge Rainer Schall. In seiner Wildnisschule bietet er auch Kurse in Pilzkunde an. Im SWR-Interview spricht er über die besondere Faszination für Pilze.

SWR-Moderatorin Thea Thomiczek hat ihn gefragt, ob er bei seiner letzten Pilzexkursion viele Pilze gefunden hat:

SWR: Wie viele Pilze haben Sie bei Ihrer letzten Pilzexkursion gefunden?

Rainer Schall: Von der Quantität her nicht so viel wie in den letzten Jahren. Für diejenigen, die vielleicht erwartet haben, dass wieder viele Maronen wachsen, die wurden enttäuscht. Aber wir hatten doch sehr, sehr viele verschiedene Pilze gefunden, sodass es zwei Tage lang immer etwas über Pilze zu besprechen gab. 

SWR: Welche Pilze waren das? 

Rainer Schall: Sehr viele Pilze. Es waren jetzt Perlpilze da. Und der Perlpilz ist insofern interessant, dass er in die Familie der Knollenblätterpilze gehört, aber eben einer der wenigen ist, der essbar ist und ein sehr guter Speisepilz ist. Und wir haben Pfifferlinge gefunden. Es gab einiges an Täublingen. Hierbei handelt es sich auch um eine ganz spannende Gruppe. Denn wenn man erkennt: Ich habe einen Pilz aus der Familie der Täublinge, dann darf ich diesen auch mit der Geschmacksprobe untersuchen. Wenn der Pilz mild schmeckt, dann ist er essbar. Schmeckt er aber bitter oder scharf, dann wird er nicht genommen. Aber man muss hundertprozentig wissen, wir haben Täublinge vor uns und nur den dürfen wir probieren. 

SWR: Da ist schon auch Vorsicht geboten und deshalb bieten Sie ja auch Kurse an. Insgesamt ist aber noch nicht so viel los, was die Pilzsaison angeht, oder? 

Rainer Schall: Ja, wir hatten doch einen sehr trockenen Sommer, extrem trocken. Und bis dann der ganze Waldboden mal wieder durchnässt ist, braucht es dann doch länger. Der eigentliche Pilz liegt ja im Boden. Das ist dieses Pilzmyzel und wenn der genügend Feuchtigkeit hat und die Umweltbedingungen stimmen für ihn, dann erst schiebt er seine Fruchtkörper raus. Und die Fruchtkörper sind ja dann das, was wir als Pilze bezeichnen, was wir dann sammeln. 

SWR: Und es wird noch kommen? 

Rainer Schall: Ich meine schon. Wir haben sicherlich nochmal ein paar Regentage. Und vor allem auch diese herbstlichen Frühnebel, die bringen extrem viel Feuchtigkeit mit. Und das begünstigt das Wachstum der Pilze auch sehr gut.

SWR: Dann lassen wir uns einfach überraschen, was dann noch kommt in der Pilzsaison. Sie haben gerade schon erzählt vom Myzel. Pilze sind ja auch ein geheimnisvolles Wesen. Wir betrachten die ja immer nur von unserem Genuss her, aber die haben ja viele Aufgaben im Wald. Was fasziniert Sie denn an den Pilzen? 

Rainer Schall: Da haben Sie recht. Die Pilze sind noch so ein unerforschtes Gebiet. Man ist sehr stark daran interessiert, noch mehr über die Heilwirkung von Pilzen zu erfahren. Da wird jetzt erst langsam mit der Forschung angefangen. Und Heilpilze könnten da nochmal ganz große Überraschungen bieten. Es sind schon einige Pilze bekannt, die in der Krebstherapie sehr wirksam sind. Wir können aber auch einfach ganz viel erkennen über dieses Zusammenleben von Pilzen und Bäumen. Das ist auch super spannend: die sogenannten Mykorrhiza-Pilze, wie die miteinander eine Lebensgemeinschaft bilden. Kein einziger Pilz kann ja irgendwie selber Energie herstellt. Der hat ja keine Möglichkeit, Photosynthese zu betreiben, so wie grüne Pflanzen. Und deswegen sind alle Pilze drauf angewiesen, sich irgendwo Nahrung zu beschaffen. Sei es aus dem Waldboden oder aus der Wiese oder Holz zu zersetzen. Und einige Pilze haben dann mit den Bäumen einen Pakt geschlossen, bringen den Bäumen dann Spurenelemente, verschiedene Stoffe, an die die Bäume nicht drankommen. Sie bekommen dann von Bäumen diese Zuckerstoffe, die der Baum über Photosynthese herstellt. 

SWR: Also spannende Dinge, die sich da in der Natur abspielen. Herr Schall, sie betreiben auch eine Natur- und Wildnisschule im Allgäu. Sie sind selbst Experte in diesen Dingen. Interessieren sich denn die Menschen verstärkt für die Natur? 

Rainer Schall: Also ich habe schon das Gefühl, dass in den letzten Jahren immer mehr Interessenten da sind, die zurück zur Basis möchten und zurück zu den Wurzeln und über Natur mehr erfahren möchten. Ich sehe das ganz deutlich bei den Wildkräuterkursen, aber auch bei den Pilzen. Und ganz oft höre ich den Satz: "Ja früher waren wir dann mit der Großmutter im Wald, die kannte sich aus". Und mittlerweile gehen die Großmütter wahrscheinlich auch nicht mehr raus. Es fehlt so ein bisschen diese Information.