Foto einer brennenden Kerze

Aufbahrung von Toten zuhause

Singenerin organisiert würdevollen Abschied

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Bernhard Hentschel
SWR-Redakteur Bernhard Hentschel Autor Bild
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Esther Leuffen
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Früher ist es normal gewesen, heute ist es die Ausnahme: Der Abschied von Verstorbenen zuhause. Marti Schruer aus Singen organisiert die Aufbahrung von Toten daheim.

Marti Schruer aus Überlingen am Ried, einem Teilort von Singen (Kreis Konstanz), will Angehörigen von Verstorbenen ein würdevolles Abschiednehmen ermöglichen. Sie organisiert die Hausaufbahrung von Toten in ihrer eigenen Wohnung.

Verstorbene werden oft direkt vom Bestatter abgeholt

Es sei Schade, wenn Tote kurz nach dem Tod schon vom Bestatter abgeholt wird, so Marti Schruer aus Überlingen am Ried, bei Singen. Aber wie kann ein würdiger Abschied gelingen? Das wollte die gebürtige Niederländerin Schruer herausfinden und bildete sich fort. In Kursen lernte sie etwa, wie man einen Toten wäscht. Der Umgang mit Verstorbenen mache ihr nichts aus, sagt Schruer.

"Ich bin sehr dankbar dafür, in so eine intime persönliche Situation hineingebeten zu werden."

Trauer und Abschied, aber auch Praktisches

Wenn Marti Schruer gerufen wird, geht es um Trauer und Abschied. Aber auch um Praktisches. So hat sie etwa immer eine Metallplatte mit angeschlossenem Kühlgerät dabei. Diese schiebt sie unter den Leichnam. Das soll den Verwesungsprozess verlangsamen. Marti Schruer ist offen dafür, wenn Angehörige dabei helfen wollen, ihre Tote oder ihren Verstorbenen würdevoll herzurichten.

"Die Angehörigen können etwa die Socken anziehen oder die Haare kämmen. Alles was die Hinterbliebenen selber machen, tut ihnen gut."

Marti Schruer hilft schon seit 20 Jahren Angehörigen dabei, ihre Toten daheim aufzubahren. So auch ihrer Freundin Heike Handloser aus Singen. Vor einigen Jahren erkrankte Handlosers Mann an Krebs, und irgendwann hieß es: Es gibt keine Heilung. Für Heike Handloser war klar, dass ihr Mann zuhause sterben soll.

Sterben in der Klinik: zu steril und anonym

Die Klinik war dem Ehepaar zu steril und anonym. Daheim bekam ihr Mann die Chance, vom Zuhause Abschied zu nehmen. Und auch die Familie konnte in Ruhe von ihm Abschied nehmen. Denn der Ehemann wurde zuhause mit Marti Schruers Hilfe aufgebahrt. Das war wichtig, sagt Heike Handloser, um das Unfassbare zu begreifen.

"Ich habe gemerkt, er war tot. Ich wusste, mein Mann ist wirklich gegangen - in eine andere Ebene. Das hat mir sehr geholfen."

Die Angehörigen begreifen, dass der geliebte Mensch tot sei. So helfe die Aufbahrung in den eigenen vier Wänden den Angehörigen in ihrer Trauer, sagt Marti Schruer. Es sei aber auch ein Dienst an den Verstorbenen. Denn der Körper habe sich sehr angestrengt zu sterben, so Schruer. Die Anstrengung müsse noch wegfließen. Dies brauche Zeit und Ruhe. Marti Schruer wird nur selten gerufen. Rechtlich ist die Aufbahrung zuhause zwar erlaubt. Doch diese Form des Abschieds bleibt in unserer Zeit wohl die Ausnahme.