Dem CDU-Sozialflügel in Baden-Württemberg gehen die von der Bundespartei geplanten Sanktionen für Empfänger einer möglichen neuen "Grundsicherung" zu weit. So nennt die Partei ihr am Montag vorgestelltes Konzept, mit dem sie das Bürgergeld wieder ersetzen will - sollte sie nach der nächsten Bundestagswahl die Regierung stellen.
Der Landesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, sagte nun dem SWR, er unterstütze zwar grundsätzlich die geplante Umbenennung des von der Ampel eingeführten Bürgergeldes in eine "Grundsicherung". Dabei müsse es auch möglich sein, Arbeitslose, die Jobangebote ablehnen, zu sanktionieren. Doch an den im CDU-Konzept enthaltenen Sanktionsplänen äußert er deutliche Kritik.
Bäumler: "Niemanden verhungern oder obdachlos werden lassen"
"Eine vollständige und dauerhafte Streichung der Grundsicherung ist jedoch mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar", kritisierte Bäumler, der auch stellvertretender CDA-Bundeschef ist. "Wir dürfen in einem Land wie Deutschland niemanden verhungern oder obdachlos werden lassen." Der CDA-Landesvorsitzende Bäumler widersprach mit seiner Kritik auch dem CDA-Bundeschef Karl-Josef Laumann, der das Konzept einen "sehr ausgewogenen Vorschlag" genannt hatte.
Die CDU-Spitze hatte am Montag verkündet, das Bürgergeld nach einem Sieg bei der Bundestagswahl 2025 ersetzen zu wollen. Die Partei will bei der geplanten "Grundsicherung" härtere Anforderungen und Sanktionen für Arbeitslose einführen, die "ohne sachlichen Grund eine zumutbare Arbeit" ablehnen. Bei ihnen will die CDU davon ausgehen, dass sie "nicht bedürftig" seien. Dasselbe droht Menschen, die einen Termin im Jobcenter "ohne sachlichen Grund" mehr als einmal verpassen.
Sozialverbände kritisieren CDU-Pläne zum Bürgergeld scharf
Sozialverbände haben die CDU-Pläne für einen radikalen Umbau des Bürgergelds zurückgewiesen. "Es ist unsäglich, dass mit dieser Debatte wieder Vorurteile gegen Menschen im Grundsicherungsbezug geschürt werden", sagte die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Statt für bessere Löhne zu kämpfen und dafür zu sorgen, dass sich Arbeit wirklich lohne, spiele die CDU die Ärmsten der Gesellschaft gegeneinander aus. "Bedürftigen Familien das ihnen verfassungsrechtlich zustehende Existenzminimum zu verweigern, ist der falsche Weg", so Engelmeier.
Kritik kam auch vom Sozialverband VdK. "Ich habe den Eindruck, dass hier sehr frühzeitig der Wahlkampf mit populistischen Angriffen gegen das Bürgergeld eingeläutet wird", sagte dessen Präsidentin Verena Bentele dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Dabei werden auch Vorschläge gemacht, die verfassungswidrig sind, wie zum Beispiel eine politisch gesetzte Begrenzung bei den Regelsätzen. Das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum lässt das aber nicht zu." Die von der CDU genannten "Totalverweigerer" seien eine sehr kleine Gruppe, die häufig mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hätten, so die Sozialverbände.
In Baden-Württemberg beziehen laut Bundesagentur für Arbeit 486.519 Menschen Bürgergeld (Stand: Januar 2024). 143.109 Menschen davon sind nicht erwerbsfähig - viele sind Minderjährige, da man ab dem 15. Lebensjahr als erwerbsfähig gilt.
Bisher kann Bürgergeld für zwei Monate gestrichen werden
Jobcenter können Arbeitslosen bisher das Bürgergeld für maximal zwei Monate streichen, wenn die Betroffenen eine Arbeitsaufnahme nachhaltig verweigern. Diese Verschärfungen hatte die Koalition im Zuge ihrer Sparmaßnahmen beim Bundeshaushalt auf den Weg gebracht. Bisher waren die Sanktionsmöglichkeiten vergleichsweise moderat: 10 Prozent bei versäumten Terminen, bis zu 30 Prozent bei unterlassenen Bewerbungen oder Kursteilnahmen trotz Absprache.
Bei der Höhe der Leistungen und auch den Sanktionen gelten die Anforderungen des Grundgesetzes, für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach hingewiesen. Im November 2019 hatte Karlsruhe entschieden, dass monatelange Minderungen um 60 Prozent oder mehr nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Jobcenter durften die monatlichen Leistungen aber um bis zu 30 Prozent kürzen, wenn Hartz-IV-Empfänger ihren Pflichten nicht nachkamen.