Die Kassenärztliche Vereinigung beklagt den Ärztemangel in Baden-Württemberg: Ein Schild mit der Aufschrift "Arztpraxis zu vermieten" steht vor einem Gebäude.

Hunderte Stellen unbesetzt

Ambulante Versorgung gefährdet - verdienen Hausärzte in BW zu wenig?

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Petra Thiele
SWR-Wirtschaftsredakteurin Petra Thiele

Die Kassenärztliche Vereinigung BW beklagt einen dramatischen Ärztemangel - sogar in Städten. Schuld daran: Zu viel Bürokratie - zu geringe Bezahlung. Aber: Was verdienen Ärzte?

Rund 7.000 Hausärzte gibt es in Baden-Württemberg. Knapp 40 Prozent sind über 60 Jahre alt. Viele davon stehen kurz vor der Rente, so die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). Nach ihren Angaben sind momentan schon 900 Hausarztsitze nicht besetzt - 300 Stellen mehr als noch vor vier Jahren. Dadurch sei die Sicherstellung der ambulanten Versorgung extrem gefährdet, warnt die KVBW.

Selbst in attraktiven Regionen finden Hausärzte keine Nachfolger

Nachrückende Jungmediziner könnten das nicht auffangen. Auch, weil viele von ihnen nur Teilzeit arbeiten möchten. Selbst in attraktiven Regionen wie am Bodensee, in Karlsruhe oder in Stuttgart sei es schwierig, Nachwuchs zu finden, so die Kassenärztliche Vereinigung. Schuld daran seien vor allem die geringe Vergütung von Hausärzten und der hohe bürokratische Aufwand.

Nettomonatsgehalt von 7.785 Euro im Schnitt

Nach einer Vorabinformation des "Praxis-Panel 2022" des Zentralinstituts für Kassenärztliche Versorgung  - das der FAZ vorliegt - blieben niedergelassenen Ärzten 2021 im Durchschnitt 93.414 Euro als verfügbares Nettoeinkommen übrig: Das sind pro Monat 7.785 Euro. Das Zentralinstitut für Kassenärztliche Versorgung (ZI) weist allerdings darauf hin, dass ein Praxisarzt im Mittel 45 Stunden in der Woche arbeite. Daraus ergebe sich ein Nettostundensatz von 45 Euro.

Der Nettostundensatz spiegelt den Wert der Arbeit weder materiell und erst recht nicht im Sinne der Wertschätzung wider.

Damit sind die Einnahmen der niedergelassenen Ärzte in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als die Ausgaben. Trotz der Inflation hat sich auch der Jahresüberschuss erhöht, zwischen 2018 und 2021 um real knapp 11 Prozent auf knapp 190.000 Euro je Praxisinhaber.

Privatpatienten sorgen im Schnitt für 16 Prozent der Einnahmen

Die Gesamteinnahmen lagen im Schnitt bei 357.500 Euro. Fast 80 Prozent des Umsatzes ergaben sich aus Behandlungen von gesetzlich Krankenversicherten. 16 Prozent der Einnahmen kamen über Privatpatienten - obwohl nur 10 Prozent der Bevölkerung so versichert sind. Die Jahresausgaben betrugen im Durchschnitt 168.100 Euro, 7 Prozent mehr als im Vorjahr und 16,2 Prozent mehr als 2018. Fast 56 Prozent der Aufwendungen entfielen aufs Personal, 19 Prozent auf Miete und Nebenkosten, 10 Prozent auf Material und Labor.

Starke Unterschiede je nach Fachrichtung

Nach der Auswertung der Kostenstruktur bei Arztpraxen des Statistischen Bundesamtes verdienen Radiologen mit einem Reinertrag von 1.128.000 Euro am meisten. Am Ende der Tabelle teilen sich Neurologen und Psychiater Platz 12: Sie können mit einem Reinertrag von 238.000 Euro rechnen. Der Reinertrag ist nicht gleichzusetzen mit dem Gehalt für niedergelassene Ärzte. Es kommen noch Kosten für die Krankenversicherung, Rente, Steuern, eventuell Rückzahlungen für die übernommene Praxis und Darlehen hinzu. Selbstständige Ärzte müssen auch noch die Versicherungskosten für ihre Familie tragen.

Einnahmen und Reinertrag pro Praxis (Quelle: Destatis)
FachbereichEinnahmenReinertrag
Radiologe3.003.000 €1.128.000 €
Augenarzt728.000 €370.000 €
Hautarzt709.000 €342.000 €
Orthopäde741.000 €341.000 €
Urologe613.000 €334.000 €
Chirurg756.000 €325.000 €
Internist721.000 €321.000 €
Allgemeinmediziner466.000 €252.000 €
Frauenarzt482.000 €251.000 €
HNO Arzt477.000 €243.000 €
Kinderarzt474.000 €239.000 €
Neurologen / Psychiater403.000 €238.000 €

Langer Ausbildungsweg bevor eine Praxis eröffnet werden kann

Ärztinnen und Ärzte haben im Vergleich zu anderen Berufsgruppe einen sehr langen Ausbildungsweg: Der Zugang zum Medizinstudium ist allein schon durch den Abiturnotenschnitt von 1,0 in vielen Bundesländern begrenzt. Die Studienzeit beträgt mindestens sechs Jahre. Die Prüfungen und verschiedenen Staatsexamen gelten als überaus schwierig. Junge Mediziner sind dann erst noch einige Jahre Assistenzärzte, bevor als letzter Schritt die Facharztprüfung abgelegt werden kann.

Praxisverwaltung nimmt immer mehr Zeit in Anspruch

Wenn Arztpraxen keine Nachfolge finden, springen oft Investoren ein. Sie kaufen Praxen auf, übernehmen Geschäftsführung und Verwaltung, und die Ärzte arbeiten als Angestellte. Die Organisationsform dieses Unternehmens nennt sich dann "Medizinisches Versorgungszentrum" (MVZ). Der Vorteil: Die Mediziner können sich wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Die bürokratische Verwaltungsarbeit, die inzwischen in den Praxen viel Zeit in Anspruch nimmt und von etlichen Medizinern als nervige Last empfunden wird, entfällt. Allerdings ist dieses System auch umstritten, weil befürchtet wird, dass die medizinische Behandlung unter rein wirtschaftlichen Aspekten betrieben werden könnte.

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