In den Kneipen Bolognas unterwegs
Ihre außergewöhnliche Stimme fiel schon früh auf. So kam es, dass sie zu allen möglichen Anlässen wie Hochzeiten, Geburtstagen und beim Gottesdienst sang. Eines ihrer "Kinderlieder" war "Un bel di vedremo" aus der Oper "Madame Butterfly" von Giacomo Puccini. Als sie 16 Jahre alt war, verlor ihr Vater durch einen schweren Autounfall und geschäftliche Fehlentscheidungen die ganze Habe. Plötzlich musste sie mit ihrem Gesang den Familienunterhalt mitfinanzieren. In den Tanzlokalen von Bologna trug sie sonntags Schnulzen vor. Ihre Schwester begleitete sie als "Anstandsdame", denn die musste stets dabei sein.
Der Sieg beim Gesangswettbewerb öffnete Milva alle Türen
Der Aufstieg zu einer glänzenden Karriere startete mühsam und trostlos. Sie begann sogar, ihren Gesang zu hassen, der ihr vom Schicksal aufgezwungen schien. Die Wende kam 1959, als die italienische Rundfunk- und Fernsehgesellschaft RAI einen Gesangswettbewerb ausschrieb. Mehr als 7.000 Bewerbungen gingen ein und das Publikum sollte per Postkarte entscheiden, wer der oder die Beste sei. Milva nahm daran teil und wurde Siegerin. Die RAI nahm sie unter Vertrag und zahlte ihr ein festes Monatsgehalt. Sie erhielt noch dazu Gesangsstunden und Schauspielunterricht.
"La Pantera" heiratet Maurizio Corgnati
Der Durchdruch kam 1961 beim San Remo-Festival in Italien. Ihr explosiver Interpretations-Stil brachte ihr den Beinamen "La Pantera" ("Die Pantherin“) ein. Italienische Schallplattenkritiker kürten sie zur "besten Sängerin des Jahres". Bereits ein Jahr später stand sie zusammen mit Gina Lollobrigida zum ersten Mal für einen Film vor der Kamera. In dieser Zeit lernte Milva den Regisseur Maurizio Corgnati kennen. Er sollte für ihren weiteren Lebensweg von entscheidender Bedeutung sein. Der Regisseur kritisierte sie, machte sich über sie lustig und verliebte sich in sie. Wenige Monate später standen die beiden vor dem Traualtar.
Milva lernt Geschmack und Stilempfinden
Es war ein vollkommen gegensätzliches Paar: Milva verkörperte noch das typische Provinzmädchen mit hochtoupiertem Haar, schwarzumrandeten Augen und stark geschminkten Lippen. Corgnati war hochgebildet und einige Jahre älter als seine Frau.
Er spielte seiner Frau klassische Musik vor und machte sie mit französischen Chansons, Gospels und Spirituals bekannt. Damit wurde der Grundstein zu ihrer "zweiten Karriere", abseits der Schlagerwelt, gelegt. Auf Anregung ihres Mannes sang Milva schließlich auch Brecht. 1969 zerbrach die Ehe jedoch wieder.
Brecht und Schlager sind zwei Seiten der Musik - Milva mag beide
Milva und Berthold Brecht war so eine Art "Liebe auf den ersten Blick". Sie kannte die armen Verhältnisse, die in Brechts Werk eine große Rollen spielen, allzu gut. Niemand könnte besser diesen Charakteren aus der Unterwelt Leben einhauchen. Sie identifizierte sich mit seinen Liedern, die für sie ein Stück Jugend aufleben ließen. Das Schweizer Publikum erlebte Milva 1973 als Brecht-Interpretin im Züricher Schauspielhaus und die Schotten bewunderten sie im selben Jahr in Edinburgh. Diesen Auftritt bezeichnete die Sängerin als "ihren entscheidenden internationalen Durchbruch". Lotte Lenya, die Witwe Kurt Weills, urteilte: "Sie ist die größte Fortsetzerin der besten Weill’schen Tradition".
Die Kunst der Milva
Erfolge in der rein literarischen Unterhaltung ließen sie ihre musikalische Karriere nicht vernachlässigen. Kontinuierlich veröffentlichte sie Schallplatten unterschiedlicher Stilrichtungen, trat in Musicals und Opern auf. Zwischendurch gab sie immer wieder Brecht-Recitals oder brillierte als "Seeräuber-Jenny" in der "Dreigroschenoper" auf der Bühne, spielte Theater.
"La Rossa" fühlt sich Deutschland verbunden
In Deutschland war sie schon früh präsent: "Es verbindet mich sehr viel mit diesem Land. Mit einem Deutschen, Bertolt Brecht, begann für mich meine zweite Karriere. Meine Konzerte, TV-Auftritte und die in deutscher Sprache gesungenen Platten haben mich dem Land sehr nahe gebracht." Sie eröffnete 1975 die Berliner Festwochen mit Brecht-Liedern und ein Jahr später sah man sie in der TV-Show "Milva, was möchten Sie singen?", in der es hauptsächlich darum ging, ihre stetige Entwicklung zu dokumentieren.
"Hurra, wir leben noch" wurde ihr populärster Hit
Dass sie auch mit der leichten Muse stets auf der Höhe der Zeit blieb, dokumentieren einige Produktionen, die sie mit erfolgreichen Rock- und Popkünstlern erarbeitete. Hierzu zählt "Hurra, wir leben noch", das zu einem ihrer populärsten Lieder wurde. Ihre Präsentation in der legendären "ZDF-Hitparade" ist unvergesslich, denn gegen Ende des Vortrags passierte Milva ein Missgeschick: ihren leidenschaftlichen Gesang unterstrich sie mit entsprechenden Gesten. Hierbei glitt ihr das Mikrofon aus den Händen, doch sie rettete die Situation, indem sie reaktionsschnell nach dem Kabelende griff. Unberührt setzte sie ihren Live-Gesang fort. Ein wahrer Profi…
Große Karriere mit zahlreichen Preisen
Hierzulande zeigte sich Milva 2012 letztmalig im Fernsehen. Bereits vor längerer Zeit hatte sie sich aus gesundheitlichen Gründen ins Privatleben zurückgezogen. Die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes kann auf eine Erfolgsbilanz mit vielen Höhepunkten zurückblicken: dazu zählen auch die Ernennungen zum Ritter der Ehrenlegion und zum Offizier des "Ordre des Arts et des Lettres" sowie die Verleihung des Titels "Kommandeur des Verdienstordens der Italienischen Republik".
Nach langer Krankheit gestorben
Am 17. Juli 2019 feierte Milva ihren 80. Geburtstag. Deshalb erschien im selben Jahr unter dem Titel "Il mare nel cassetto" eine Doppel-CD mit 50 Aufnahmen der Jahre 1960 bis 1962. Mit dem titelgebenden Lied gab sie 1961 ihr Debüt beim San Remo-Festival, bis 2007 war sie insgesamt 15 Mal mit von der Partie und stellte damit einen Rekord in der Geschichte des Song-Wettbewerbs auf.
Am 23. April 2021 starb Milva im Alter von 81 Jahren nach langer schwerer Krankheit. Zur genauen Todesursache ist nichts bekannt. Zuletzt hatte sie in Mailand gewohnt.