Jetzt ist für die 1.800 verbliebenen Kumpel von der Zeche Prosper Haniel Schluss. Symbolisch wird ein allerletztes Stück Kohle an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht. Dann ist Schicht im Schacht. Wie geht es realistisch mit der Energiewende weiter?
Wasserkraft im ehemaligen Bergwerk
Geht es nach Professor André Niemann, dann hat das Bergwerk Prosper Haniel auch nach seiner Schließung eine große Zukunft. Nicht als Ort der Kohleförderung, sondern als gigantischer Energiespeicher. Mit seinem Team hat er untersucht, ob man den Schacht in ein unterirdisches Pumpspeicherkraftwerk verwandeln könnte.
Tief unter der Erde wäre Platz für ein großes Unterbecken, über Tage - auf dem Zechengelände - könnte der Speichersee entstehen. Aus den unterirdischen Kohleschächten würde so ein Kraftwerk, das die Bewohner der Region zuverlässig mit Strom aus Wind und Sonne versorgt – rund um die Uhr. Der Fachbegriff dafür ist Unterflur-Pumpspeicherkraftwerk.
Halbherzige Unterstützung
Das gäbe Strom für 80.000 Haushalte – das entspricht immerhin der Einwohnerzahl einer typischen Ruhrgebietsstadt wie Castrop-Rauxel. Die Vorteile liegen für den Experten für Wasserbau und Geologie auf der Hand – und sind im Vergleich zu Pumpspeicherkraftwerken oder Talsperren über Tage, also in Bergregionen und Flusstälern, überdeutlich.
Die RAG Steinkohle AG, und vor allem die RAG Stiftung, die für die Bergbaufolge-Kosten aufkommen muss, kann und will das Projekt aber nicht selbst finanzieren. Auch die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen und die örtlichen Energieversorger zögern, und die Stadt Bottrop unterstützt das Projekt bestenfalls halbherzig.

Denn der hochverschuldeten Stadt erscheint es lukrativer, die freien Bergbauareale als Gewerbeflächen zu vermarkten, statt ein solches Pumpspeicherkraftwerk zu errichten, in das zunächst einmal investiert werden müsste. Und das Zeitfenster ist eng: Mindestens 300 Millionen Euro, schätzt Niemann, wären nötig, um den Schacht in den nächsten Monaten und Jahren so abzusichern, dass er für die Nutzung als Pumpspeicherkraftwerk erhalten bleibt.
Frage der Nachhaltigkeit
Doch noch fehlt dazu das Geschäftsmodell. Das weiß auch André Niemann. Für ihn hat die Idee des Energiespeichers aber eine Bedeutung weit über Deutschland hinaus - als Signal und Impuls auch für andere Länder, die früher oder später aus der Kohle aussteigen.
Damit sich das ändert, hat die Europäische Kommission in Brüssel eine Kohleplattform einberufen. Das ist ein regelmäßig tagendendes Experten-Forum, aus dem Vertreter aus allen 41 Kohleregionen in Europa anreisen. Zusammen vertreten sie 240.000 Menschen, die Jobs in Zechen und Kohlekraftwerken haben. In diesem Forum wird darüber gesprochen, wie das Bergbau-Erbe für eine erneuerbare Energiezukunft genutzt werden kann.
Energieeffizienz ist in Bottrop zum Megathema geworden. 2009 wurde die Stadt von einer deutschen Jury zur Pilotstadt für die energetische Stadtsanierung gekürt. Bottrop bekam das Label "Innovation City Ruhr". Dahinter steht der Initiativkreis Ruhr, ein Verbund aus Universitäten, Kirchen und vor allem Unternehmen.

Stadt der Zukunft
Es ging darum, Lösungsansätze für die Stadt der Zukunft zu entwickeln. Nicht am Reißbrett, mit Modellrechnungen und Hochglanzprospekten, sondern praktisch. Das Beispiel Bottrop sollte zeigen, wie Klimaschutz sozialverträglich und möglichst Industrie-freundlich vorangebracht werden kann.
Fast in jedem der zurückliegenden Jahre wurden mehr als drei Prozent der Wohnungen energetisch saniert. Der Bundesdurchschnitt liegt bei unter einem Prozent. Dabei sollte das ursprünglich gar nicht diese große Rolle spielen.
Denn das Innovation-City-Konzept setzte anfangs viel mehr darauf, CO2-Emissionen in der Industrie zu vermindern, durch optimierte Fertigungsprozesse. Doch da bewegte sich - zum Erstaunen der Planer - kaum etwas in den vergangenen acht Jahren. Auch die erhoffte Verkehrswende ist ausgeblieben.
Energiewende von unten
Aber gerade beim klimagerechten Umbau von Stadtvierteln wurde viel bewegt: Energiewende von unten, von Haus zu Haus, von Quartier zu Quartier. In der Modellstadt Bottrop wurden 125 Einzelmaßnahmen umgesetzt. Das, was funktioniert hat, wird jetzt auf 20 weitere Städte im Ruhrgebiet übertragen. Darunter auch die Großstadt Essen.
Rüdiger Schumann der InnovationCity Management GmbH ist sichtlich angetan vom Eltingviertel. Eingerahmt von großen Stadtautobahnen, liegt hier, nur fünf Gehminuten von der Essener Innenstadt entfernt, ein architektonisches Kleinod. Das Konzept des Umbaus setzt Maßstäbe dafür, wie sozialer Wohnungsbau und energetische Gebäudesanierung Hand in Hand gehen können.
Die Formel: 90 Prozent der möglichen CO2-Einsparpotentiale müssen mit maximal zehn Prozent höheren Kosten erreichbar sein, inklusive der Verbesserung der Lebensqualität für die Bewohner. Damit überzeugte das Innovation-City-Management auch große Wohnungsunternehmen, alte Mietshäuser sozialverträglich zu sanieren.
Lebendiger und moderner Ort
95 Prozent der Mieter wohnen auch nach der Renovierung in der Eltingsiedlung – viele davon Rentner und Sozialhilfeempfänger. Neu dazugekommen seien Familien mit Kindern und Studierende, also just jene Gruppen, die bislang im Stadtbild des Viertels fehlten. Und entsprechend wird jetzt auch die Infrastruktur in der Fußgängerzone familienfreundlicher. Der Fachbegriff dafür: Integrierte Stadtentwicklung.
Und so schickt sich das Ruhrgebiet an, zum Ideenlabor der Energiewende-Macher und Umsetzer zu werden. Und auch wenn der Wandel von der alten hin zur neuen Energie im Revier längst noch nicht abgeschlossen ist: Die Leidenschaft, mit der die Dinge vorangetrieben werden, hat Vorbildcharakter.