Wirkungslos

Cranberries bei Harnwegsinfektion

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Ulrike Till
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Kein Nutzen belegt

Einfache Blasenentzündungen lassen sich häufig mit Hausmitteln in den Griff bekommen. Ärzte empfehlen auch Cranberrysaft oder –kapseln. Die Beeren sollen vor allem auch bei der Vorbeugung helfen. Doch eine neue Studie zeigt: Es gibt dafür keine Beweise.

Cranberries gelten seit Jahrzehnten als natürliche Waffe gegen Blasenentzündung und andere Harnwegsinfekte. Weil sie den Urin saurer machen, sollen Bakterien sich schlechter vermehren können; außerdem stecken in den leuchtend roten Moosbeeren sogenannte Proanthocyanidine – im Reagenzglas bremsen diese Pflanzenstoffe die Besiedlung von Zellkulturen mit Bakterien. Das klappt aber nur im Labor so gut, warnen die Kritiker der Cranberry-Therapie schon lange – und bekommen nun Unterstützung von Wissenschaftlern der amerikanischen Yale-Universität.

Krank machende Bakterien siedeln in den Zellen der Blasenwand (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Krank machende Bakterien siedeln in den Zellen der Blasenwand

Aussagekräftige Studie?

Die Forscher haben 185 Seniorinnen in Pflegeeinrichtungen in Connecticut über ein Jahr beobachtet. Die Hälfte der Teilnehmerinnen bekam zwei Cranberry-Kapseln täglich; die Kontrollgruppe schluckte ohne es zu wissen nur Placebo-Pillen. Nach einem Jahr zeigte sich kein Unterschied in der Häufigkeit der Harnwegsinfekte. Ist damit nun ein für allemal bewiesen, dass man mit Cranberries keine Blasenentzündungen verhindern kann? Ganz so einfach ist es nicht. Die Autoren der neuen Studie weisen selbst auf mögliche Einschränkungen hin: die Probandinnen waren im Schnitt schon Mitte achtzig – vielleicht hätte bei ihnen Cranberrysaft mehr gebracht als Kapseln.

Denn damit wäre garantiert, dass sie auch ausreichend trinken; ein entscheidender Faktor bei Harnwegsinfekten. Irritierend ist auch, dass es in den ersten sechs Monaten durchaus einen kleinen positiven Effekt in der Cranberry-Gruppe gab; in der zweiten Studienhälfte verschwand der dann aber wieder. Vielleicht hat sich in dieser Phase der Gesundheitszustand der alten Damen allgemein verschlechtert? Oder sie haben doch nicht mehr brav alle Cranberrykapseln geschluckt – das wurde nämlich gar nicht im Detail kontrolliert. Überhaupt ist fraglich, ob sich die Ergebnisse bei hochbetagten Menschen mit sowieso schwächeren Abwehrkräften auf jüngere Frauen übertragen lassen.

Die Skeptiker haben Recht

Da ist es sehr hilfreich, dass im Journal of the American Medical Association zusammen mit der Cranberry-Studie auch gleich der Kommentar einer renommierten kanadischen Internistin erschienen ist: Lindsey Nicholle von der Universität von Manitoba. Sie hat die umfangreiche Literatur zum Thema gesichtet und stellt fest, dass alle wissenschaftlich soliden Studien keinen Nutzen von Cranberry-Produkten feststellen. Weder bei amerikanischen Studentinnen noch bei Niederländerinnen vor den Wechseljahren halfen Cranberrysaft oder Kapseln, Blasenentzündungen zu vermeiden. Es gibt durchaus auch Untersuchungen, die für Cranberry sprechen, aber die haben bisher alle gravierende Mängel in Konzept oder Durchführung. Genau wie Forscher der angesehenen Cochrane-Collaboration kommt Lindsey Nicholle zu einem eindeutigen Ergebnis: Ärzte sollten keine Cranberryprodukte mehr zur Vorbeugung von Harnwegsinfekten empfehlen, es gibt keinen Beweis für einen medizinischen Nutzen.