Das Forschungsschiff Polarstern im Eis (Foto: Alfred-Wegener-Institut/Stefan Hendricks)

Klimaforschung

Polarstern startet zu großer Arktis-Mission

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Thomas Samboll
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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)

Das Forschungsschiff Polarstern startet in Richtung Nordpol. Wissenschaftler wollen sich mit dem Schiff im Eis festfrieren lassen, um neue Erkenntnisse zum Klimawandel zu bekommen.

Ein Jahr lang dauert die Reise auf dem deutschen Forschungseisbrecher Polarstern. In dieser Zeit werden rund 600 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus 17 Ländern an Bord gehen. Geleitet wird die Expedition mit dem Namen Mosaic vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven.

Zum Einfrieren lassen bleibt nicht viel Zeit

Wenn die Polarstern den Hafen von Tromsö im Norden Norwegens verlassen hat, dann muss Kapitän Stefan Schwarze ganz schön auf die Tube drücken. Denn Mitte Oktober beginnt die Polarnacht. Dann ist es in der Nordpolregion stockduster. Die Arktisforscher wollen aber vor der Dunkelheit im Eis ankommen:

schmale Rinne führt durch das Eis (Foto: Alfred-Wegener-Institut)
Eine schmale Rinne führt durch das Eis

Es wird ein Wettlauf mit der hereinbrechenden Polarnacht, denn wir müssen erstmal Eis finden, das geeignet ist, um uns da in der Umgebung dann einfrieren zu lassen. Dann folgt der Aufbau des gewaltigen Equipments, der Messinstrumente, die wir auf das Eis in einem Forschungscamp neben der „Polarstern“ aufbauen wollen. Dazu brauchen wir dringend Tageslicht.

Polarstern soll mit der Eisdrift ziehen

Normalerweise ist die Nordpolgegend im Winter gar nicht zugänglich. Das Eis ist zu dick, als dass dort Schiffe fahren könnten. Deshalb soll die Polarstern einfach festfrieren und sich von den Eismassen mitziehen lassen. Dass es diese sogenannte Eisdrift gibt, hatte Fridtjof Nansen vor rund 125 Jahren mit der Fram bewiesen. Jetzt setzen Wissenschaftler wie der Meereis-Physiker Lars Kaleschke auf Experimente, die in der winterlichen Arktis bislang unmöglich waren:

Forschung Polarstern (Foto: Alfred-Wegener-Institut / Esther Horvath)

Arktis -Forschung soll Klimamodelle sichern

In der Arktis schreitet der Klimawandel besonders schnell voran, und wir müssen verstehen, warum das so ist. Wir wollen zum Beispiel wissen: Wie sieht das Temperaturprofil genau aus und das Dichteprofil im Schnee und im Eis? Diese Informationen können wir nur durch Messungen vor Ort erhalten. Und wir brauchen dringend Langzeitmessungen über ein ganzes Jahr.

Wegen der fehlenden Daten stehen die Klimamodelle für die Arktis bislang auch noch auf ziemlich wackeligen Beinen. Das führt zu erstaunlichen Unterschieden bei den Ergebnissen: Manche Modelle prognostizieren z.B. einen Temperaturanstieg von 5 Grad bis Ende des Jahrhunderts, andere Modelle sagen eine Erwärmung um 15 Grad Celsius voraus.

Das liegt eben daran, dass wir die Prozesse bisher nie beobachten konnten und deswegen nicht genau wissen, wie das da abläuft.

Die Arktis ist der Hotspot des Klimawandels

Nimmt der Temperaturgegensatz zwischen der Arktis und dem Äquator ab, kommt es zu gravierenden Veränderungen in den globalen Wind- und Wettersystemen – mit Schneestürmen in Florida und Gluthitze in Mitteleuropa. Auch das rasante Abschmelzen des Meereises spielt dabei eine wichtige Rolle. Das Hauptziel der großen Arktis-Expedition ist herauszufinden, warum sich das arktische Meereis, sich so schnell zurückzieht. Deutlich schneller, als es Klimamodelle vorhergesagt haben.

Die Arktis ist eine der Hauptsteuergrößen für das Klima. Der Umweltwissenschaftler Andreas Preußer von der Uni Trier ist an Bord der Polarstern, um die arktischen Winde und Turbulenzen zu messen. Wind ist schließlich eine bedeutende Komponente im Bündel der Klimafaktoren.

Wir versuchen das arktische Klimasystem besser zu verstehen. Das betrifft alle Aspekte, da alles miteinander verbunden ist. Gerade diese Verbindungen und die gegenseitigen Abhängigkeiten stehen im Mittelpunkt der Forschungen auf der Polarstern.

Dreiviertel des Arktis-Eises schmilzt im Sommer

Schließlich sind Dreiviertel des Eises im Sommer schon weggeschmolzen. Da sind nur noch 25 Prozent übrig. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Arktis im Sommer in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts komplett eisfrei werden könnte.

Die Reise der Polarstern soll künftige Vorhersagen genauer und zuverlässiger machen.

Forschungs-City auf dem Eis

Die Wissenschaftler wollen rund um ihr Schiff eine kleine Stadt aufbauen.

Die Pläne dazu sehen fast aus wie ein Plan von Downtown Manhattan mit den ganzen Datenkabeln, den Stromkabeln, den Laufwegen, den Wegen, wo wir mit Scootern langfahren können.

Für die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen werden eigene Viertel eingerichtet.

Schutz vor Eisbären

Die Forscher haben ein ausgefeiltes „Eisbär-Sicherheitskonzept“ entwickelt: So scannen Wärmebildkameras pausenlos die Umgebung der Polarstern ab. Im Ernstfall wird das Forschungsschiff zur Fluchtburg. So sollen Begegnungen mit Eisbären von vornherein vermieden werden.

Eisbären suchen auch in Forschungscamps nach Essen.  (Foto: SWR, SWR -)
Eisbären suchen auch in Forschungscamps nach Essen.

Eisdrift übernimmt das Kommando


Kapitän Stefan Schwarze wird nach dem Festfrieren das Kommando über sein Schiff abgeben – an das Eis. Während der Drift hat er keinen Einfluss mehr auf den Kurs. Das Schiff treibt dann im Transpolardrift etwa 7 Kilometer weit pro Tag. Im Laufe eines Jahres macht es dann schon mehrere tausend Kilometer Strecke.

Im Drift die richtige Strömung erwischen

Geplant ist, dass die Polarstern Ende September nächsten Jahres nach Tromsö zurückkehrt. Das klappt aber nur, wenn jetzt der richtige Startpunkt für die Drift gefunden wird. Denn sonst könnte das Schiff auf Jahre im Eis stecken bleiben. Es gilt den berüchtigten Beaufort-Wirbel zu vermeiden.

Nordpol: Auf dem Arktischen Ozean am Nordpol schwimmen mehrere Eisplatten (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Es gibt einen magischen Punkt im Eis irgendwo nördlich von Grönland. Die Eismassen, die westlich dieses Punktes vorbeidriften, werden umgelenkt in den Beaufort-Wirbel, wo das Eis dann mehrere Jahre im Kreis driftet, auch sehr dick wird.

Selbst ein Eisbrecher wie die Polarstern würde dort nur schwierig wieder herauskommen. Deshalb muss sie östlich daran vorbei driften - dorthin, wo dass Eis im Sommer dünn genug ist, dass die Polarstern wieder herauskommt.

Wissenschaftsgeschichte Die Tiefsee-Expedition Valdivia – Ein Forschungsabenteuer 1898

Im Juli 1898 beginnt die erste deutsche Tiefsee-Expedition. Sie wird neun Monate dauern und Funde aus geheimnisvollen Tiefen holen, die die Forschung bis heute beschäftigen.

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