Es ist immer wieder etwas Besonderes, wenn Musik dort erklingt, wo sie erschaffen wurde. So ist es mit der e-Moll Sonate von Johannes Brahms passiert: Zwei Weltstars, Cellistin Sol Gabetta und Pianist Kristian Bezuidenhout, haben im Spätsommer 2022 das Brahmshaus Baden-Baden besucht und dort die Sonate am Entstehungsort eingespielt. Lena Hofbauer war Teil dieser besonderen Produktion.
Brahms' e-Moll Sonate am Ort ihrer Entstehung
Eine der bekanntesten Sonaten, geschrieben von Johannes Brahms, ist die e-Moll Sonate Opus 38 für Cello und Klavier. Auch Sol Gabetta findet: „Es gibt keine andere Sonate, die das Cello so repräsentiert!“
Oft wird die e-Moll Sonate auf großen Konzertbühnen zum Besten gegeben. Wir haben die Sonate an ihren Entstehungsort zurückgeholt: 1865 vollendet Brahms das Werk in seinem kleinen Wohnhaus, dem heutigen Brahmshaus Baden-Baden. Fast zehn Jahre verbrachte der junge Brahms seine Sommer in seinem blauen Zimmer in diesem idyllischen Haus am Berg .
„Der Raum hat sehr viel Atmosphäre“, findet Pianist Kristian Bezuidenhout. „Er wirkt sehr bescheiden und strahlt eine bestimmte Art von Einsamkeit aus.“
„Ein Spiegel von sich selbst“
Das allererste Mal hat Sol Gabetta die e-Moll Sonate mit 14 Jahren gespielt, und seitdem immer und immer wieder. „Das ist ein Spiegel von sich selbst, von seiner eigenen Interpretation und Veränderung“, sagt die Weltklasse-Cellistin.
Für sie verändert sich das Stück bei jeder Interpretation aufs Neue. Besonders bei dieser historischen Interpretation entsteht dazu noch etwas Außergewöhnliches. Das spüren wir alle.
„Hier im Brahmshaus zu sein in der Vorstellung, dass Brahms hier gewesen ist, das ist für einen Musiker eine ganz besondere Situation“, schwärmt Gabetta. „Das habe ich noch nie erlebt, ehrlich gesagt.“
Hier verbrachte der Komponist seine Sommer: Das Brahmshaus im Stadtteil Lichtental
Die Solisten spielen auf historischen Instrumenten
Mehrere Tage produzieren wir die komplette Sonate als Musikvideo. Dabei stoßen sowohl die Musiker als auch das Team auf einige Herausforderungen. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten freundet sich Kristian Bezuidenhout schnell mit dem historischen Klavier an.
Denn damit die Sonate so klingt wie damals, brauchen wir die passenden Instrumente: Die Wahl fällt auf ein Stradivari-Cello von 1717 mit bewickelten Darmsaiten und auf ein Tafelklavier aus der Brahmszeit. Einen modernen Konzertflügel bekommen wir nämlich nicht in die Dachmansarde, und für das Tafelklavier musste sogar ein Holzbalken gekürzt werden.
„Es gibt eine Persönlichkeit in dem Raum.“
Die Wahl passt: Auf so einem Tafelklavier soll Brahms selbst gespielt haben. Und auch Kristian Bezuidenhout als Spezialist für historische Tasteninstrumente ist nach dem ersten Schrecken einverstanden: „Ich versuche einfach, mein Spiel an die Größe des Raums anzupassen. Wir sind in diesem winzigen Raum im Obergeschoss, der sehr charmant ist, aber du musst den Klang deines Spiels an den Raum anpassen.“
Das historische Tafelklavier und die Darmsaiten auf dem alten Cello versetzen uns zurück in die Vergangenheit. Auch Sol Gabetta hat Brahms noch nie auf einem Instrument mit Darmsaiten gespielt: „Ein altes Instrument hat eine Geschichte, und hat eine Aura mit sich, eine Persönlichkeit. Und das ist genauso in diesem Raum: Es gibt eine Persönlichkeit in dem Raum.“
Es bleibt das Gefühl, Brahms näher gekommen zu sein
Um das Beste aus der Sonate herauszuholen, kommuniziert das Duo viel über die gemeinsame Interpretation. „Mit Kris fühle ich mich nie in einem Kampf“, sagt Sol Gabetta. Ganz im Gegenteil: „Ich war eher fast zu laut, ich musste mich viel eher zurückhalten klanglich.“
Nach drei gemeinsamen Produktionstagen im Brahmshaus haben wir alles im Kasten. Am Ende haben wir das Gefühl, Johannes Brahms und seiner Musik ein bisschen näher gekommen zu sein.
Besuch bei Brahms: Mit Sol Gabetta und Kristian Bezuidenhout im Brahmshaus Baden-Baden
SWR2 Zur Person Die Cellistin Sol Gabetta
„Ich habe argentinisches Temperament, aber einen europäischen Kopf", sagt die Cellistin Sol Gabetta. Vor allem hat sie jede Menge Disziplin: als Teenager übt sie bis zu 14 Stunden täglich und erlebt bis heute fast keinen Tag ohne Instrument. Trotzdem ist sie permanent auf der Suche: nach dem eigenen Klang und der treffenden künstlerischen Aussage, ein Prozess, der für Sol Gabetta nie abgeschlossen ist und sein wird. Als attraktive, lebhafte junge Frau ist sie ein Liebling der Klassikbranche, und geht doch gesellschaftlichen Treffen am liebsten aus dem Weg. Wir haben mit der Schweiz lebende Cellistin und Fernsehmoderatorin zum Gespräch getroffen.
Podcast mit freien Musiker*innen Bezuidenhout und das Freiburger Barockorchester: Mozart Klavierkonzert
Wenn Kristian Bezuidenhout vom Hammerklavier aus das Freiburger Barockorchester leitet, versteht er sich als Cheerleader für seine Orchersterkolleg*innen. Dazu übernimmt er auch den Solopart in Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert B-Dur KV 456, einem „Erdbeben im Schaffen Mozarts” und unsere aktuelle Aufnahme in #zusammenspielen.
Kammermusik von Johannes Brahms
Musikstück der Woche Brahms’ Horntrio, gespielt von Stefan Dohr, Baiba Skride und Lauma Skride
Hamburg – Wien – Baden-Baden. In der ersten Stadt ist er geboren, die zweite wurde zur Heimat, die dritte Sommerresidenz. Baden-Baden, am Rande des Schwarzwalds gelegen, hat ihn zu einem seiner schönsten Werke angeregt, bezeichnenderweise fürs „Wald“-Horn geschrieben.