Instrumente verbringen den lieben langen Tag in ihren Koffern, in Proberäumen, in Orchestergräben. Da wird hin und wieder auch mal ein Tapetenwechsel fällig. Wir haben einen Kontrabass im Wanderurlaub besucht.
Das starke Fundament bei den Streichern
Ich bin’s, der Kontrabass! Aber schon klar: Die hohen Instrumente sind wieder mehr aufgefallen: Flöte, Geige… so schön, so hoch. Wie Wolkenkratzer.
Aber ich sag euch eins: Was wäre der schönste Wolkenkratzer ohne ein starkes Fundament? Und ich bin so ein Fundament! Ich bin das größte und tiefste der Streichinstrumente. Mit vier oder manchmal sogar fünf Saiten.
Oh Gott, hier gehts aber tief runter. Aber heute will ich mal ganz nach oben. Ich bin nämlich zum ersten Mal wandern, obwohl das eigentlich gar nicht zu mir passt. Oder hast du schon mal eine Marschkapelle mit Kontrabass gesehen?
Ein bisschen Geige, ein bisschen Gambe
Naja, aber ich dachte, ich probier’s mal aus. Und meinen Bogen kann ich ja vielleicht als Wanderstock benutzen.
Ich gehöre ja nämlich zur Familie der Streichinstrumente. Aber dann wird’s schon schwieriger, denn manche sagen, ich gehöre zu den Geigen, andere sagen zu den Gamben. Ich habe eben irgendwie was von beiden.
F-Löcher wie eine Geige aber abfallende Schultern wie eine Gambe. Ich lasse mich nicht gerne in eine Schublade stecken. Musikalisch schon gar nicht.
Das hier ist übrigens die Sinfonie Nummer 39 von Mozart. Und damals in der Wiener Klassik fing es auch erst an, dass überhaupt jemand an mich gedacht hat. Also so richtig als Soloinstrument.
Das erste Solokonzert von Forstmeister Dittersdorf
Hier ist Carl Ditters von Dittersdorf. Er ist hier der Forstmeister und komponieren kann er auch. 1767 hat er eines der ersten Solokonzerte für mich geschrieben.
Bis heute ein sehr gefragtes Stück, das auch oft bei Aufnahmeprüfungen verlangt wird. Das Kontrabass-Konzert in Es-Dur, heute meist in E-Dur gespielt.
Dittersdorfs Kontrabass-Konzert Es-Dur
Kontrabässe halten den Laden zusammen
Meistens sind wir Kontrabässe aber keine Solisten, sondern wir halten den Laden zusammen. Im Jazz zum Beispiel bilde mit Schlagzeug, Klavier und manchmal Gitarre die Rhythmusgruppe.
Da lasse ich den Bogen oft weg und zupfe stattdessen. Und was ich zupfe, ist fast schon ironisch. Das Wandern fällt mir schwer und doch bin ich ein Meister im Gehen.
Schon mal von Walking-Bass gehört? Da gehe ich von Grundton zu Grundton. Schön gleichmäßig in Viertelnoten. Einfach weiter und weiter…
Das Oscar Peterson Trio mit „Blues for Basie“ mit Jazzlegende Ray Brown am Bass
Bill Black hat in der ersten Band von Elvis gespielt und war berühmt für seine Slap-Technik… der wird nie müde! Nimm deinen guten alten Walking-Bass und zupf so fest, dass es klatscht! So klingt der Bass viel lauter und auch gleichzeitig ein bisschen nach Schlagzeug.
Die Rockabillies und Elvis haben es geliebt, pass auf:
Heute für jedes Genre gefragt
Das hat noch mal gut Energie gegeben. Und da vorne ist ja schon der Gipfel! Mensch habe ich euch jetzt so lange vollgetextet? Naja, ich habe ja auch viel erlebt zwischen Klassik, Jazz und Rock’n’Roll. Es gibt eigentlich noch viel mehr zu erzählen.
Übrigens: Heute werde ich für so ziemlich jedes Genre gefragt. Die Grenzen der Musikrichtungen und Besetzungen sind inzwischen ja ohnehin völlig egal. Man macht einfach, was einem gefällt. Und mir ist jetzt nach singen zumute.
Ich verabschiede mich mit dem Titel „Begin Againers“ von Scott Mulvahill aus Amerika. Das Album ist von 2018 und heißt „Himalayas“. So hoch werd ich heute nicht mehr wandern, aber das Lied kann ich trotzdem spielen.
Instrumenteninterviews
Instrumenteninterviews Mehr als eine Quetschkommode: Das Akkordeon
Auch Instrumente brauchen mal Urlaub. In unserer kleinen Sommerreihe haben wir letzte Woche einen Kontrabass beim Wandern besucht. Heute geht es nach Frankreich an die Küste. Dort sind wir mit einem echten Akkordeon verabredet und lassen uns erklären, wie es eigentlich funktioniert und wie vielseitig dieses noch echt junge Instrument klingen kann.
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