Kommentar

Klimakonzerte: Nur mit der Pastorale lässt sich nichts bewirken

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AUTOR/IN
Hannah Schmidt

Seit ein paar Jahren veranstalten Orchester immer wieder „Klimakonzerte“ und spielen dabei häufig Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ oder Beethovens Pastorale. Soll das aufrütteln? Hannah Schmidt findet, es braucht mehr als die heile Welt zu zeigen. Zum Beispiel ein CO2-Maximum für die Kulturhäuser.

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Das Klimakonzert: ein Format des Tatendrangs

Bei der diesjährigen Climate Change Conference in Bonn soll sehr häufig vor allem ein Satz gefallen sein: „We are doomed“, zu deutsch: „Wir sind verloren“. Das 1,5-Grad-Ziel ist laut dem aktuellsten Bericht des Weltklimarates so gut wie nicht mehr zu erreichen, und die Menschheit steuert auf eine Zukunft der Naturkatastrophen und Dürreperioden zu. Wir müssen jetzt massiv Emissionen reduzieren, um vielleicht doch noch eine Chance zu haben. Es brennt!

Orchester, Opern- und Konzerthäuser haben seit einigen Jahren das Klima als Thema für sich entdeckt und angefangen, über ihre Verantwortung nachzudenken: Konzertreisen, Marketing, Bauprojekte, Ausstattung und Bühnenbild, all das verbraucht schließlich enorme Mengen an Ressourcen. Dabei hat sich, in all dem Tatendrang, auch ein neues Format entwickelt: das Klimakonzert.

Was bringen Wohlfühlkonzerte dem Klima?

Anders als man erwarten könnte, wird bei den meisten dieser Klimakonzerte allerdings nicht aufgeklärt oder wachgerüttelt, sondern im Gegenteil: Bei Vogelzwitschern aus dem Orchester und süßen Reimen auf Wald, Feld und Wiesen kann sich das Publikum so richtig schön entspannen. Hach, die Natur ist ja auch was Wunderbares, Beethoven und Schumann haben sie geliebt!

Aber wehe, es kommen Aktivistinnen und Aktivisten in die heiligen Hallen und kleben sich ans Dirigierpult. Dann buhen die Besucherinnen und Besucher sie aus. Was also bringen diese Wohlfühl-Klimakonzerte? Nostalgie? Flucht vom Alltag? Oder vielleicht vor allem Marketing-Punkte für die Intendanz?

Violinist Yury Revich protestiert in London fürs Klima (Foto: IMAGO, VXimages.com)
„Weniger Umweltverschmutzung, mehr Musik“. Violinist Yury Revich demonstrierte 2020 auf der Londonder London Bridge für mehr Umweltschutz.

Klimaschutz ist eines dieser Themen, bei denen Scheinheiligkeit wütend macht

Entweder man macht zum Thema Klima eine Oper oder einen Liederabend, nach dem die Menschen massenweise auf die Straßen gehen und die Politik unter Druck setzen, oder man kann es gleich lassen. Anstatt heile Welt zu zeigen, müssten Inszenierungen Probleme, Debatten und Lösungsansätze diskutieren, Dystopien und Utopien bekämen eine ganz neue Bedeutung.

Gleichzeitig müssen die Institutionen aber auch hinter den Kulissen konsequent sein: keine Materialschlachten mehr, es sei denn, die Bühnenbilder und Kostüme sind recycelt. Kein Fleisch, kein Fisch, keine Eier und keine Milchprodukte mehr in den Theaterkantinen, keine Butter mehr auf den Salzbrezeln im Foyer. Programmhefte nur noch digital oder gegen eine großzügige Umweltprojekt-Spende aus Recyclingpapier. Ein strenges CO2-Maximum, das ein Haus pro Jahr ausstoßen darf, Geschäfts- und Konzertreisen inklusive.

Naturromantik für die Klimawende funktioniert nicht

Es gibt eine Menge Stellschrauben, an denen justiert werden kann und muss. Manche Institutionen fangen bereits damit an. Solange die Politik aber zu träge ist, wirklich wichtige Entscheidungen zu treffen, sollten die Häuser zusätzlich versuchen, ihre wichtigste Ressource zu mobilisieren, um Veränderung voranzutreiben: das Publikum. Mit Naturromantik funktioniert das aber nicht.

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