Neue Musik

Die Macht von 50 Klavieren: Haas-Uraufführung bei „Wien Modern“

Stand
AUTOR/IN
Regine Müller
ONLINEFASSUNG
Teodora Mebus

Der unbestrittene Höhepunkt des Auftakts vom großen Neue Musik Festival „Wien Modern“ war die österreichische Erstaufführung von Georg Friedrich Haas‘ „11.000 Saiten“ für 50 Klaviere – gestimmt im Hundertsteltonabstand – und Kammerorchester im großen Saal des Konzerthauses. Regine Müller hat in Wien das außergewöhnliche Konzert erlebt.

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Keine verstimmten Klänge. Stattdessen: Dur-Dreiklänge

Das Konzept von 11.000 Saiten ist wie folgt: 50 Klaviere werden im Hundertsteltonabstand gestimmt, also auf jeweils minimale Abweichungen getrimmt. Klavier 1 und Klavier 50 sind am Ende einen Halbton voneinander entfernt. Das klingt nach schmerzenden Reibungen. Tatsächlich war bereits das Publikum der Bozener Uraufführung überrascht von der gegenteiligen Wirkung.

„Folgendermaßen: Ich habe gelesen, dass da jetzt 50 gegeneinander verstimmte Klaviere spielen werden und ich hab mir – ich sag’s ehrlich – grauenvolle Dissonanzen vorgestellt, aber was ich gehört habe, waren Konsonanzen“, so Georg Friedrich Haas über die Reaktion eines Besuchers.

Ein Eindruck von Wien Modern: Georg Friedrich Haas‘ „11.000 Saiten“ für 50 Klaviere
50 Klaviere stehen angeordnet zu einem riesigen Oval, dazu gesellen sich 25 Musikerinnen und Musiker des Ensembles Klangforum Wien. Im Parkett sind die Sitze ausgebaut, das Publikum sitzt am Boden, steht, oder kann flanieren.

Die Idee zum Stück

Die Initialzündung für dieses Projekt stammt von Peter Paul Kainrath, dem künstlerischen Leiter von Klangforum Wien. Auf einer Chinareise besuchte er die Klavierfabrik Hailun. „Ich hatte eine Führung und kam dann in den vierten Stock dieses Fabriksgeländes und da gab es ca. 100 Klaviere, die gleichzeitig von Maschinen gespielt worden sind.“

Spontan rief Kainrath den Komponisten Georg Friedrich Haas an und schlug ihm vor, eine Partitur für 50 Klaviere zu komponieren. „Dieses Nirwana wartet auf dich, auf deine Gestaltungskraft. Und er war dann kurz perplex, aber meinte dann: Ok, wenn dem so ist und du mir die 50 Klaviere bringst, schreibe ich die Partitur.“

Es klingt fremd, als wären die Klänge synthetisch erzeugt. Tatsächlich aber tönt keinerlei Elektronik wir hören ausschließlich analoge, nicht verstärkte Klänge. Haas‘ Komposition breitet sich in Wellen aus, auf wuchtige Passagen folgen filigrane, zarte Momente. Am Ende herrscht lange Stille, bevor großer Applaus losbricht.

Der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas ist bekannt für seine Klangtüfteleien im Bereich der Mikrotonalität und erreicht mit seinen Kompositionen auch ein breiteres Publikum, weil seine Musik emotional sehr unmittelbar anspricht.

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