Musikgespräch

„Apotheose des Cello-Repertoires“: Manuel Fischer-Dieskau über Bachs Cello-Suiten

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Martin Hagen
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Dominic Konrad

Pablo Casals nannte Bachs Suiten für Cello „das Evangelium der Cellisten“. Damit hat er nicht unrecht, meint Manuel Fischer-Dieskau. Für eine Videoproduktion hat der Cellist die Bach-Sonaten im Palais Lichtenau in Potsdam aufgenommen. Besonders ist die Wahl des Instruments: ein Violoncello Piccolo, das eine zusätzliche Saite besitzt.

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Manuel Fischer-Dieskau spielt Bach

Manuel Fischer-Dieskau trägt nicht bloß den großen Namen seines Vaters, des Sängers Dietrich Fischer-Dieskau. Er selbst hat sich einen Namen gemacht als Solo-Cellist und Kammermusiker. An der Mainzer Gutenberg-Universität unterrichtet der Verfechter der historisch informierten Aufführungspraxis als Professor Violoncello und Kammermusik.

Nun hat Fischer-Dieskau die sechs Cello-Suiten von Johann Sebastian Bach für eine Videoproduktion neu eingespielt, im Potsamer Palais Lichtenau. Die Aufnahmen fanden ohne Publikum statt, doch Fischer-Dieskau wollte so spielen, als säße da ein Publikum. Das verrät der Cellist im Gespräch mit SWR2.

Die Gefahr bei Aufnahmen sei grundsätzlich, es zu perfekt machen zu wollen. Dabei könne die Stimmung verloren gehen: der Charakter der Tänze und das Spirituelle. Er versuche sich vorzustellen, es wäre ein Konzert mit Publikum, so der Cellist.

Fassade des Potsdamer Palais Lichtenau, eines klassizistischen Villenbaus, mit blauem Sommerhimmel. (Foto: IMAGO, IMAGO / Eberhard Thonfeld)
Erbaut wurde das Potsdamer Palais Lichtenau Ende des 18. Jahrhunderts unter Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. Heute dient der festsaal der Villa als Veranstaltungsort.

Pflicht-Repertoire für Cellisten

Einmal im Leben sollte ein Cellist die sechs Bach-Suiten aufgenommen haben, meint Manuel Fischer-Dieskau. Es sei für ihn ein schönes Gefühl, dies endlich zu tun, aber auch eine große Verantwortung, deren er sich bewusst sei.

Ob die Videoproduktion auch die Grundlage für eine CD sein könnte? Der Cellist ist da skeptisch. Eine CD-Einspielung sollte heutzutage möglichst makellos sein, beim Video sei der Gestus mitunter wichtiger. Ausschließen möchte Fischer-Dieskau es aber nicht, je nachdem, wie die Aufnahme geworden ist.

Manuel Fischer-Dieskau spielt die Cello-Suite Nr. 6

Das wunderbarste Musikstück für Cello

Besonders wird die Aufnahme auch durch die Instrumente, die der Cellist für seine Aufnahme gewählt hat. Neben einem Barock-Cello spielt Fischer-Dieskau auch ein Violoncello piccolo.

Das Instrument, für das Bach seine sechste Cellosuite komponiert hatte, war über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten. Es hat zusätzliche Saiten, je nach Instrument eine zusätzliche Bass-Saite oder, im Falle von Fischer-Dieskau, eine hohe E-Saite, durch die das Cello in den Sopran gehen kann, ohne dass der Spieler in die kompliziertere hohe Daumenlage wechseln muss.

Das Ergebnis, findet Fischer-Dieskau, ist ein reizvoller Klang, der an die Gambe erinnert. Passend für die sechste Cello-Suite, die für den Interpreten das „wunderbarste Musikstück, was es für Cello gibt“ ist.

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Miriam Feuersinger, Sopran (Zion)
Jana Pieters, Sopran (Maria)
William Shelton, Alt (Seele)
Daniel Johannsen, Tenor (Evangelist)
Jonathan Sells, Bass (Petrus)
Tiemo Wang, Bass (Jesus)
Barockensemble Il Gardellino
Leitung: Alexander Grychtolik
Johann Sebastian Bach:
Passionsoratorium BWV Anh. 169, als Fragment rekonstruiert und vervollständigt von Alexander Grychtolik
(Konzert vom 5. August 2023 in der Augustinuskirche Schwäbisch Gmünd)

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