Mit Ausnahme von Papst Benedikt XVI. zeichneten sich die Päpste der Moderne nicht als sonderliche Musikliebhaber aus. Deshalb verwundert es kaum, dass die meisten Römerinnen und Römer noch nie etwas von der Päpstlichen Musikhochschule in ihrer Stadt gehört haben. Schafft es der neue Rektor, der junge deutsche Pater Robert Mehlhart, das Institut aus seinem Schattendasein zu führen?
Pater Mehlhart leitet das Päpstliche Institut für Kirchenmusik
Via di Torre Rossa 21 am westlichen Stadtrand Roms. Hier erhebt sich das päpstliche Konservatorium, das Pontificio Istituto di Musica Sacra.
Fast alle Studierenden und das meiste Personal sind derzeit ausgeflogen, es ist Ferienzeit. Aber Pater Robert Mehlhart ist im Haus. Schließlich muss er seinen neuen Arbeitsplatz erkunden, bevor es in einigen Wochen so richtig los geht.
Unterwegs ist er mit einem schweren Schlüsselbund, den ihm sein Vorgänger ausgehändigte. „Mit einem großen neapolitanischen Lächeln“, lacht der Pater. „Da muss man schon ein wenig ausprobieren, was wo passt.”
Sänger, Chorleiter, Professor, Komponist und nun Rektor in Rom
Der 41jährige, ganz in Dominikanerweiß gekleidete Bayer aus Trostberg ist Chordirektor der Vokalkapelle in der Münchner Theatinerkirche und Vizepräsident der Chöre der katholischen Kirche, des Cäcilien-Verbandes, zu dem rund 15.000 Gesangsgruppen gehören.
Jetzt ist er auch Rektor der Musikhochschule der Päpste. Der ehemalige Regensburger Domspatz studierte in Oxford und Wien nicht nur Theologie, sondern auch Musikwissenschaft und Kirchenmusik.
Er ist Sänger, Professor an der Hochschule für Musik und Theater in München und auch Komponist. Aus dem Jahr 2021 stammt seine „Missa brevis in tempore coronae” („Kurze Messe in Zeiten von Corona”) für Sopransolo und Orgel.
Das Sanctus aus Mehlharts „Missa brevis” in der Münchner Theatinerkirche
Melhart sucht den Schulterschluss mit Jazz
Robert Mehlhart macht gleich klar, was für ihn der Unterschied zwischen Profaner Musik und Kirchenmusik ist: Ein Kirchenmusiker oder eine Kirchenmusikerin wolle für den Schöpfer, den Erlöser musizieren. Dies geschehe im Kontext einer konkreten Gemeinde und einer konkreten Kultur. Hört sich ziemlich klassisch-religiös an.
Ist es aber nicht im Fall von Pater Mehlhart. Ein breites Publikum war überrascht, als Sony Classical im vergangenen Jahr eine CD präsentierte, auf der Jazz und Gregorianik zusammenkommen. Ein Projekt des Dominikaners gemeinsam mit dem Pianisten und Jazzmusiker Tim Allhoff.
Robert Mehlhart und Tim Allhoff: „Agnus Dei”
Eine Einspielung von großer musikalischer Suggestivität. Und der Nachweis, dass Pater Mehlhart in Rom der richtige Mann am richtigen Ort ist.
Denn Musik spielt heute in der katholischen Kirche Roms weniger als eine Nebenrolle, trotz der grandiosen kirchenmusikalischen Geschichte und Tradition während der Renaissance und des Barock.
Der neue Rektor gibt sich noch bedeckt
Die Päpstliche Musikhochschule habe ungefähr 200 Studenten, sagt Mehlhart, darunter viele, wenn nicht sogar mehr als die Hälfte, Frauen. Diese gingen dann als Gründerinnen oder Chefinnen von Konservatorien zurück in ihre Länder.
Über konkrete zukünftige Projekte schweigt sich der Neue noch aus. Zunächst einmal, so Mehlhart, müsse er sich ja im Konservatorium der Päpste zurecht finden: „Ich bin kein Neapolitaner wie mein Vorgänger, der gewusst hat, welches Register er wo ziehen muss. Wir Deutschen müssen uns da eher ein wenig hineinfinden.”
„Maria durch ein Dornwald ging”, arrangiert von Robert Mehlhart
Und das braucht Zeit. Aber sicherlich wird der Pater schon bald neue Türen aufstoßen: in Form von Konzerten, von Kompositionsaufträgen und von Konferenzen. Man bilde hier in Rom Musikerinnen und Musiker aus, die auf der ganzen Welt musikalisch tätig werden und Chöre gründen oder die Konzertreihen machen, so Pater Melhart.
Ein Beispiel, das dem neuen Rektor im Gedächtnis geblieben ist: eine Absolventin aus dem Irak, die die vom Aussterben bedrohte und ausschließlich oral weitergegebene Musiktradition der irakischen Christen aufnehme, katalogisiere und publiziere. „Das ist ein kulturelles Erbe, wo die Kirche unmittelbar, ganz direkt hilft, dass es am Leben bleibt.”
Besonders freuen Mehlhart die vielen Kompositionsstudenten
Was den Auch-Komponisten Robert Mehlhart nach seiner ersten Woche am päpstlichen Konservatorium besonders freut: „Wir haben sehr viele Kompositionsstudenten. Wir haben drei Full-Time-Kompositionsprofessoren, deren Klassen voll sind”.
Bleibt zu hoffen, dass unter dem Pater auch der Öffentlichkeitsarbeit des Papstkonservatoriums endlich mehr Bedeutung als bisher zukommen wird, damit musikinteressierte Römer und Rombesucher davon erfahren, wann und was für Konzerte und Konferenzen organisiert werden.
Dort werde, so Robert Mehlhart, die ganze reiche Bandbreite der kirchlichen World-Music präsentiert.
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