Heute steht das Wort Rümlingen für das einzige Musikfestival, bei dem sich das Publikum den Kunstgenuss erwandern muss. Entweder in den Wäldern oder auf den satten Wiesen rund ums Dorf.
14 Ballons für 14 Künstler*innen
Festes Schuhwerk bitte, denn morgens um halb 6 beginnt der Aufstieg auf einen Hügel oberhalb des Monte Verità, ein echtes Berglein, wo damals Isadora Duncan im Morgengrauen ihren Ausdruckstanz entwickelte.
Beim Sonnenaufgang um 06:03 Uhr steigen 14 Ballons aus riesigen, dadaistischen Hüten hinauf in die klare Luft, 14 Stück sind es, weil es 14 Künstlerinnen und Künstler sind, die in den nächsten Tagen ihre eigenen Utopien beschwören werden. Ein jeder Ballon zieht einen langen raschelnden Schwanz hinter sich in die Höhe. Und verschwindet im Nichts.
Aktuelle Fragen
Da fliegen sie hin, die grauen Ballons mit den Papierschwänzen. Ebenso schnell verweht wie die Hirngespinste vor 100 Jahren? Was erwartet uns, das fröstelnde Publikum in den ersten Sonnenstrahlen auf der Bergspitze, in den nächsten Tagen? Sind noch Reste der alten Geister von damals da? Haben sie noch Inspiration? Brauchen wir sowas heute noch?
Geisterbeschwörung auf dem Berg
Das Festival Rümlingen ist – auch jetzt im Tessin – ein Festival in der Natur und damit ein Fest der leisen Töne. Bei der Klangwanderung durch das Onsernonetal, das geht von Ascona aus weit hinein in die Tessiner Berge. Oder bei der Geisterbeschwörung auf dem Monte Verità.
„Rückzug“ zu harmlos?
Es ist reizvoll, über Lebensformen nachzudenken, die nicht dem generellen Normativ entsprechen. Das haben die Aussteiger damals gemacht, hier vor 100 Jahren mit ihren Gedichten und Lichtluftbädern und Ausdruckstänzen.
Auf deren Spuren befinden sich im Tessin die Komponistin Isabel Mundry, der Performancekünstler Lukas Berchtold, die Komponisten Manos Tsangaris oder Leonardo Nevari.
Das ist reizvoll. Und gleichzeitig leben wir in einer Zeit, wo das Modell ‘Rückzug’ zu harmlos ist: eine Insel zu schaffen und dort Utopia aufzubauen. Aber auch das ist nur einer von vielen Gedanken, die einem so durch den Kopf wandern beim leisen, vielschichtigen Festival Rümlingen im Tessin.
Donaueschinger Musiktage 2023 Ryoko Akama: divulgence
In ihrer neuen Klanginstallation verbindet die japanische Klangkünstlerin Ryoko Akama erstmals ihre poetische Klangwelt mit Photographie und inszeniert im Fischhaus die klangliche Dimension analoger Photographie.
Donaueschinger Musiktage 2023 Marina Rosenfeld: The Agonists
In ihrer neuen Installation stellt Marina Rosenfeld Arbeiten auf Papier und Seide aus und führt dabei ihre langjährige Beschäftigung mit sozialen und räumlichen Dispositionen von Klängen und deren Repräsentationen und Verzerrungen fort.
Musikmarkt: Medientipp Eine Alpensinfonie: Das DSO Berlin und Reinhold Messner
Richard Strauss beschreibt in seiner Alpensinfonie eine Bergwanderung: Aufstieg, Abstieg und mittendrin noch ein Gewitter – angeblich inspiriert von einer Kindheitserfahrung. Der Berg, so haben viele Musikwissenschaftler in den letzten hundert Jahren spekuliert, ist vermutlich ein Bild für den Zyklus des menschlichen Lebens. Robin Ticciati und sein Deutsches Symphonie-Orchester Berlin haben sich für ihre Interpretation des Werkes entschlossen, die Bergbesteigung wörtlich zu nehmen und sich als Verstärkung ein alpines Urgestein einzuladen. Der Berg ruft – und Autor Kai Löffler ist dem Ruf gefolgt.