Gespräch

Virtuos und mit Klangsinn: Die Jazzsängerin Ulita Knaus

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INTERVIEW
Jörg Armbrüster

„Effortless and brilliant. The woman can just sing!“ Das sagte einer der ganz Großen im Jazz, der Klarinettist Rolf Kühn über Ulita Knaus. Sie zählt zu den bedeutendsten Sängerinnen in Deutschland und ist auf vielen renommierten Jazzfestivals zu Hause - liebt aber nach wie vor auch das intimere Jazzerlebnis in Clubs. Demnächst kommt sie mehrfach in den Südwesten.

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Enorme stilistische Wandlungsfähigkeit, Virtuosität und Leichtigkeit

Die Hamburgerin Ulita Knaus präsentiert ihre Songs mit einer enormen stilistischen Wandlungsfähigkeit, Virtuosität und Leichtigkeit. Alles ist perfekt und doch ganz natürlich, ihre Kompositionen und Interpretationen berühren unmittelbar. Musik hat sie schon als Kind in ihrem Zuhause begleitet. Ihr Vater, selbst ein klassisch ausgebildeter Sänger, führte sie in die Welt der Oper ein. Doch das sei gar nicht ihr Ding gewesen, wie sie erzählt.

Durch Zufall auf Platten von Mahalia Jackson gestoßen

„Wenn die Eltern schon eine Richtung vorgeben, dann wollen die Kinder das Gegenteil machen“, sagt Ulita Knaus im Gespräch mit SWR2. Ein bisschen sei das auch so bei ihr gewesen.

Ich wollte schon Musik machen und habe meinen Vater auch bewundert, aber DAS wollte ich nun gar nicht machen. Also habe ich angefangen, Popmusik zu komponieren auf dem Piano. Und dann bin ich irgendwann durch Zufall auf Platten von Mahalia Jackson gestoßen und von anderen alten Gospelsängern – ja und so fing das bei mir an.

Den Gesang habe sie wie selbstverständlich für sich entdeckt, sagt Ulita Knaus rückblickend. Die Stimme sei einfach aus ihr herausgekommen und sie hätte sich zu Hause auch ganz frei entfalten können.

Singen als Teil der Familienkultur

Gesungen habe man in der Familie schon immer, vor allem bei Familienfesten erzählt Ulita Knaus: „Das war sozusagen Teil unserer Kultur. Das war etwas ganz Natürliches, da habe ich nie drüber nachgedacht, ich habe es einfach gemacht.“

Mit 19 Jahren trat Ulita Knaus als Sängerin auf mit dem Salsa- und Latin-Orchester Havana und wirkte auch bei Platten-Produktionen mit. Nur ein Jahr später, 1989, begann sie, Jazzgesang an der Amsterdamer Hochschule der Künste (Konservatorium Hilversum) zu studieren.

Youtube-Video: Ulita Knaus, „Me or you“ beim Jazzfest Bonn 2018

Zwischen Jazz, Soul, Folk und elektronischen Soundwelten

Ulita Knaus ist eine ungemein wandlungsfähige und neugierige Sängerin, sie bewegt sich zwischen Jazz, Soul, Folk und elektronischen Soundwelten. Eine feste stilistische Heimat hat sie nicht – gerade das reizt sie.

„Es gibt in jeder Stilistik etwas Tolles und Interessantes zu finden und ich kann mich in verschiedenste Genres hineindenken, hineinfühlen“, sagt Ulita Knaus. „Und manchmal kommt mir ein Song durch das Radio unter oder ich gehe auf ein Konzert und denke: WOW, was ist das denn?“

Man braucht Melodien, man braucht Harmonien und einen Text, eine Aussage, und dann – ja mal gucken, wo es hingeht.

Ulita Knaus (Foto: Pressestelle, Arnd Geise, Ulita Knaus)
Ulita Knaus

Udo Lindenberg und Till Brönner: Prägende künstlerische Begegnungen 

Ulita Knaus hat mit zahlreichen Musikerpersönlichkeiten auf der Bühne gestanden – mit Roger Cicero, Ack van Rooyen, Jacob Karlzon, Bobby McFerrin, Stefano di Battista und Udo Lindenberg, um nur einige zu nennen. Zwei Begegnungen haben besonders stark in ihr nachgewirkt.

Unvergesslich war für sie die Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg: „Es war ein ganz anderes Arbeiten, ein ganz anderes Genre. Ich bin unglaublich daran gewachsen, das alles so zu erleben.“

Als Jazzmusikerin schätzt Ulita Knaus Begegnungen mit Musikern wie Till Brönner, mit dem sie vor einem Jahr für eine Woche auf Sylt zusammenarbeitete. Gemeinsam traten sie auch auf und verbrachten privat Zeit miteinander: „Davon profitiere ich auch noch sehr, weil ich aus der Begegnung ganz viel rausziehe und auch lerne.“

Youtube-Video: Ulita Knaus, „Have a Cigar“ beim Jazzfest Bonn 2015

Liebe zur künstlerischen Freiheit

Ulita Knaus hat von Beginn an ihre künstlerische Freiheit und Unabhängigkeit geliebt. Nach dem Studium gründete sie gleich eine Gesangsschule. Diese Passion begleitet sie bis heute – sie hat als gefragte Gesangspädagogin in den letzten 30 Jahren schon tausende von Stimmen ausgebildet.

Darüber hinaus hat sie früh eine Band gegründet und für ihr aktuelles, achtes Studioalbum ein eigenes Label ins Leben gerufen: Knaus Records. Die Zeiten seien schwieriger geworden, daher habe sie das Label gegründet, erklärt sie.

Durch das Streamen, durch Spotify usw. gibt es einfach nicht mehr so viele Möglichkeiten, bei Plattenfirmen unterzukommen. Und es bleibt den Künstlern am Ende auch kaum noch etwas übrig.

Zu wenige Auftrittsmöglichkeiten für junge Jazzmusiker*innen

Verschärfte Bedingungen gäbe es auch für das Konzertieren von Jazzmusiker*innen in Deutschland, besonders für die jüngeren Begabungen, sagt Ulita Knaus.

Fördergelder seien zwar gut, findet sie, aber: „Wir können Nachwuchskünstlern nicht nur die Möglichkeit geben, ein Album herauszubringen. Sie sollen auch spielen können. Das ist nach wie vor das Wichtigste für alle. Wir brauchen Spielorte, wo wir uns ausprobieren können. Und wenn wir es da geschafft haben, dann hat man vielleicht auch mal die Möglichkeit, auf einem Festival gebucht zu werden. Aber die Basis muss erst wieder her.“

Sehnsucht nach dem Publikum in Jazzclubs

Die „Coronadelle“ sei durchaus noch spürbar, sagt Ulita Knaus - das bestätigten ihr auch andere Künstler. Die ganz großen Konzerte seien davon weniger betroffen, aber es gäbe viel Konkurrenz zum Liveerlebnis in Clubs – Youtube, Netflix usw., all das könne man bequem auf dem Sofa zu Hause genießen.

„Es wäre schön, wenn wir wieder die Menschen dazu bewegen könnten, in kleine, in lokale Clubs zu gehen. Da wo etwas Neues entsteht, wo man neue Künstler*innen entdecken kann“, findet sie.

„Aber es ist schwierig, wenn man sagen soll: ‚Kommt, zieht Euch warm an und geht raus, statt auf dem Sofa zu sitzen. Ihr habt am Ende doch mehr davon, wenn Ihr ein Livekonzert seht.‘“ Die Hoffnung will Ulita Knaus aber nicht aufgeben.

Youtube-Video: Trailer zum Album „Old Love and New“:

Ulita Knaus im Südwesten erleben

Apropos – Ulita Knaus kommt im Februar und März mit mehreren Konzerten in den Südwesten. Ihr vielversprechendes aktuelles Programm, das sie mit ihrem Quartett in verschiedenen Städten präsentiert, sollte man sich nicht entgehen lassen.

„Old Love and New“ wurde von der Presse hochgelobt und bietet stilistisch ganz unterschiedliche Vertonungen von Lyrik amerikanischer Dichterinnen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Vierzehn Neukompositionen – wunderschöne Jazzsongs, emotional, zuweilen politisch -, die das große Können der Ausnahmesängerin und Komponistin Ulita Knaus zeigen.

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Jörg Armbrüster