Auf dem Album „Parchman Prison Prayer – Some Mississippi Morning“ ist die Aufnahme eines Sonntags-Gottesdienstes im Hochsicherheitstrakt der Parchman Prison Farm im Mississippi-Delta US-Bundesstaates Mississippi zu hören. Dieser berüchtigte Gefängniskomplex wurde schon in zahlreichen Blues- und Folksongs besungen.
Produzent Ian Brennan hatte drei Jahre auf eine Besuchererlaubnis gewartet. Als es dann so weit war, blieben ihm nur wenige Stunden für die Aufnahmen mit den Gefangenen. Fotos und Videos waren verboten, die Sänger blieben anonym.
Unerträgliche Haftbedingungen
Die US-Südstaaten sind von Rassismus und Armut geprägt. Auch für die Inhaftierten stärken Musik und Gesang hier seit jeher die Resilienz unter lebenswidrigen Umständen. Die Parchman Prison Farm war in den letzten Jahren immer wieder wegen ihrer furchtbaren Haftbedingungen in den Schlagzeilen. Maden im Essen, kein fließendes Wasser, Ratten in den Zellen.
Gesang voller Freude, Trauer und Reue
Zustände, die teilweise verbessert worden sind, die Realität bleibt aber düster - seit 1980 hat sich US-weit die Zahl der Inhaftierten vervierfacht – die Häftlinge, die Ian Brennan aufgenommen hat, sitzen großteilig wegen Vergewaltigung, Mord und Totschlag ein. Ihre Gesangsdarbietungen durchzieht große Freude, aber auch eine schmerzhafte Reue, eine tiefe Trauer.
„Some Mississippi Morning“ ist ein politisches Projekt
„Some Mississippi Morning“ ist kein rein musikalisches, sondern auch ein eminent politisches Projekt – hier erhielten die eine Stimme, die sonst am wenigsten hörbar sind. Dass die Häftlinge gerade im christlichen Glauben ihre Stimme finden, ist kein Zufall – er bietet als einzige Instanz so etwas wie Vergebung, wenn alles andere verloren erscheint.
Wunsch nach Vergebung, nach Erlösung und Freiheit
Der Wunsch nach Vergebung, nach Erlösung und Freiheit durchzieht die Gesangsperformances mit fast körperlich spürbarer Dringlichkeit – „Some Mississippi Morning“ ist eine ergreifende Botschaft aus einer hermetisch abgeschotteten Welt, aus der normalerweise kein Laut nach draußen dringt.
„I give myself away, so you can use me“ aus dem Album „Parchman Prison Prayer - Some Mississippi Morning" von Ian Brennan:
Jazz Jazzechter Hinhörer: „Songs for My Daughter“ von Camille & Paul Bertault
Als die Studentin Camille Bertault im Jahr 2015 am Conservatoire de Paris in einer Prüfung scheiterte, sang sie einen eigenen, selbstironischen französischen Text auf John Coltranes Klassiker „Giant Steps“ und veröffentlichte das Video über Facebook. Mit seinen atemberaubenden Kapriolen wurde der Cover-Song ein Hit und Camille Bertault konnte kurz darauf ihr erstes Album bei einem arrivierten Jazz-Label produzieren. Bis heute genießt jede Veröffentlichung der Französin große Aufmerksamkeit, denn in eine Schablone lässt sich die Sängerin nicht hineinpressen. Ihre neuste CD mit dem Titel „Songs for My Daugther“ hat sie gemeinsam mit ihrem Vater Paul Bertault aufgenommen. Ein echter Hinhörer, findet Georg Waßmuth, weil mit Vater und Tochter zwei tolle Künstler am Werk sind.
Jazz Ausgeprägtes Storytelling: „Tales of Utopia“ von Shalosh
„Tales of Utopia“ ist ein Konzeptalbum, das während der Covid-Pandemie entstanden ist. „Wir hatten die Zeit, uns mit unserer Herkunft zu beschäftigen. Wir lasen Geschichten aus der Bibel oder aus „Tausendundeine Nacht“ und vielen anderen Mythologien“, sagt Pianist Gadi Stern. So sei mitten in einer Zeit des Chaos eine friedvolle Utopie entstanden.
Das Trio Shalosh aus Tel Aviv interagiert auf höchstem Niveau. Es gibt kein melodisches Übergewicht vom Klavier oder instrumentale Schauläufe, mit denen Jazzalben manchmal zu sportlichen Wettbewerben mutieren. Hier ist alles ein Guss, meint unser Jazzkritiker Georg Waßmuth.