Schwarzwald (Foto: IMAGO, IMAGO / Zoonar)

Zwischen romantischer Verklärung und Wirklichkeit

„Typisch Schwarzwald!“ - Wie viel Klischee steckt in der Schwarzwald-Kultur?

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Sophia Volkhardt
Sophia Volkhardt (Foto: SWR, Patricia Neligan)

Vieles, was wir heute als „typisch Schwarzwald“ abgespeichert haben, ist tatsächlich Klischees entsprungen, die sich seit dem 19. Jahrhundert kaum verändert haben und die Lebenswirklichkeit der Schwarzwälder in der Zeit überhaupt nicht widergespiegelt haben. Aber in diesem Fall hat sich die Wirklichkeit mal den Klischees angepasst.

Zwei Frauen mit Bollenhut (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Patrick Seeger)
Der berühmte Bollenhut, der heute für viele Leute sofort mit dem Schwarzwald assoziiert wird, beruht zumindest auf den ganzen Schwarzwald bezogen auf einer erfundenen Tradition.

Der Schwarzwald steht symbolisch für Bilderbuchurlaub in Deutschland. Obwohl auch hier der Klimawandel dem Wald zusetzt und die typischen Schwarzwaldhäuser weniger geworden sind – nach wie vor assoziieren viele mit der Region eine heile Welt. Dieses Bild ist im Grunde eine der langlebigsten Werbestrategien überhaupt.

Schwarzwald Realität eher düster

Das idyllische Bild vom Schwarzwald entsteht in der Romantik. Damals sieht die Realität der meisten Menschen in der Region aber ganz anders aus. Die Landwirtschaft prägt das Leben. Die ist vor allem in den schmalen Seitentälern mit ihren landschaftlichen Herausforderungen, unter anderem den steilen Hängen, schwierig.

Und, heute kaum vorstellbar, 120 Tage im Jahr liegt vielerorts Schnee, viele Höfe sind in dieser Zeit kaum erreichbar. Bevor der Schwarzwald mit der Eisenbahn erschlossen wird, ist ein Großteil der Menschen ohnehin abgeschottet von der Außenwelt.

Die Bevölkerung im Schwarzwald leidet unter den widrigen Lebensbedingungen. Bis in die 1860er Jahre hinein ist der Schwarzwald ein Auswanderunsgebiet – knapp zehn Prozent der Bevölkerung verlässt das vermeintliche Idyll, weil die Leute ihr Leben hier nur mit Mühe und Not bestreiten können. Erst mit der Erschließung durch die Eisenbahn wandelt sich alles.

Wie das Idyll entsteht

Im 19. Jahrhundert sucht man als Gegensatz zu der zunehmenden Urbanisierung und Verstädterung im Kaiserreich nach Fluchtorten. Einer, der damals in den Schwarzwald kommt, um nach Motiven zu suchen: Der junge sächsische Maler Wilhelm Hasemann.

Rezension der großen Sonderausstellung über Hasemann:

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Die Landschaften, Häuser und Trachten, die er in wenigen Dörfern sieht, prägen das Bild des Schwarzwaldes bis heute. Der weltberühmte Bollenhut, die lustigen Hüte mit roten Wollknäueln, die bis heute jeden Schwarzwald-Tourismus-Katalog zieren, gibt es zu der Zeit nur in drei Dörfern – durch die massenhafte Verbreitung auf Postkarten wird er später zur Nähvorlage der Trachtennäherinnen im ganzen Schwarzwald. Eine erfundene Tradition.

Auch das ewig bemühte Klischee der Kuckucksuhr, die viele Touristen neben dem Oktoberfest als urtypisch deutsch wahrnehmen. Dabei ist die Kuckucksuhr gar nicht so alt – auch eine Erfindung des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Und: Sie wird größtenteils nur für die Touristen produziert.

Detail einer Kuckucksuhr (Foto: SWR, NMZmedia)
Alles andere als eine Schwarzwald-Tradition: Die Kuckucksuhr.

Region macht sich Klischees zunutze

Die Klischees festigen sich und die Schwarzwaldregion trägt dazu bei, indem sie sie direkt selbst aufgreift und für sich nutzt. Beiträge für das kulturelle Gedächtnis wie die heute retro-kultige Schwarzwaldklinik führen das Klischee fort.

Ein Marketing-Coup, der schon seit dem 18. Jahrhundert wunderbar funktioniert. Trotzdem wichtig festzuhalten: Die Kultur der Region ist in Wirklichkeit deutlich vielfältiger und vor allem weniger homogen. Der Traum von der Flucht in die ländliche Idylle hat sich dennoch ganz ungebrochen bis heute gehalten.

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