Ende April sorgten Lehrer aus Brandenburg für Aufsehen, als sie in einem Brandbrief eine Vielzahl von rechtsextremen Vorfällen an ihrer Oberschule beschrieben: Nazi-Sprüche im Unterricht, eingeritzte Hakenkreuze, rassistische Chat-Nachrichten. Das sei beileibe kein Einzelfall, so RBB-Redakteur Sebastian Schiller im Gespräch mit SWR2. Die rechte Infrastruktur sei fest etabliert.
Pädagoginnen und Pädagogen weitgehend ratlos
Viele Pädagog*innen in Brandenburg seien inzwischen weitgehend ratlos, wie sie diesem Phänomen begegnen sollten. Es gebe zwar Handreichungen, die aber mitunter nur bedingt praxistauglich seien. Man fühle sich speziell in Südbrandenburg politisch „ein bisschen alleingelassen“, so der RBB-Redakteur. Zwar habe es in den vergangenen Monaten Gesprächsangebote auf Bundesebene gegeben – die für die Schulen eigentlich zuständige brandenburgische Landesregierung habe sich dagegen bislang noch nicht zu Wort gemeldet.
Rechte Infrastruktur in Brandenburg fest etabliert
In ihrer Not entwickelten Schülerschaft, Lehrer*innen und Pädagog*innen eigene Konzepte, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Dabei sei es zum einen wichtig, den von Homophobie und Rassismus Betroffenen „den Rücken zu stärken“, so Schiller. Zugleich müsse man aber auch mit den „Tätern“ ins Gespräch kommen, Ausgrenzung sei da „der falsche Weg“. Es gehe letztlich darum, sie zurückzuholen, „ohne mit dem Finger auf sie zu zeigen“. Was auf längere Sicht gegen rechte Tendenzen helfe, so Schillers Resümee, sei „eine starke Zivilgesellschaft“. Angesichts fest etablierter rechter Infrastruktur sei die aktuell aber eher Wunsch als Wirklichkeit.
Antisemitismus und Rassismus in Deutschland
Zeitgenossen Meron Mendel: „Mein Ziel ist, dass wir alle vorurteilsbewusst werden.“
„Dass die Künstler aus dem globalen Süden uns provozieren, ist an sich nicht zu kritisieren“, sagt Meron Mendel, der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank Frankfurt. Rund um die Antisemitismusvorwürfe gegen die diesjährige Documenta hat sich der Publizist, Historiker und Pädagoge unermüdlich für den Dialog eingesetzt. Ohne Erfolg.
Zeitgenossen Saba-Nur Cheema: „Sensibilisierung für Rassismus und Antisemitismus hat zugenommen.“
„In einer pluralistischen Gesellschaft kommt es darauf an, die Widersprüche und die Mehrdeutigkeit auszuhalten“, sagt die Politikwissenschaftlerin Saba-Nur Cheema. Die Tochter muslimisch-pakistanischer Eltern ist als Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Heute lehrt sie an der Frankfurt University of Applied Sciences und ist als Referentin an der Anne-Frank Bildungsstätte aktiv.
Reform des islam Islamwissenschaftler Ourghi über Antisemitismus im Koran: „Juden werden als Ungläubige betrachtet“
Ist der Antisemitismus des politischen Islam schon im Koran verwurzelt? Davon geht der Islamwissenschaftler Abdel Hakim Ourghi in seinem neuen Buch „Die Juden im Koran“ aus. Man finde im Koran ein ganzes Sündenregister über die Juden, so Ourghi. Freunde und Kollegen hätten ihm davon abgeraten darüber zu schreiben. Das Thema sei mit vielen Tabus und Empfindlichkeiten belegt. Ourghi meint aber: „Wir brauchen eine zeitgemäße Lektüre des Korans.“
Gespräch Für eine Gesellschaft ohne Diskriminierung – Lorenz Narku Laing erforscht den Rassismus in Deutschland
Ein rassistisches Vorurteil, das ihn schon immer geärgert hat: Schwarze haben einen tollen Körper und sind sportlich, aber sie sind nicht klug. Prof. Dr. Lorenz Narku Laing ist einer der wenigen schwarzen Professoren in Deutschland.
Gesellschaft Über Antisemitismus sprechen (1/2) – Was hilft gegen Judenhass?
Jahrzehntelange Aufklärungsarbeit hat es nicht geschafft, den Antisemitismus in Deutschland zu beseitigen. Im Gegenteil: Jüdinnen und Juden in Deutschland fühlen sich so bedroht wie niemals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Was ist schief gelaufen?