Der Alte Zoll in Geislingen erstrahlt in neuem Glanz – dank Denkmalpflege, öffentlicher Finanzierung und fachkundigen Handwerkern der Region. Das mittelalterliche Hochhaus mit sieben Fachwerk-Etagen ist ein Zeugnis der regionalen Kultur, sagt Architekt Thomas Neugschwender: „Das steht hier seit 500 Jahren, und vieles funktioniert noch wie am ersten Tag“.
Wenn man in der Altstadt von Geislingen die Hauptstraße entlang geht, vom Rathaus Richtung Süden, dann zieht ein imposantes Gebäude alle Blicke auf sich: der Alte Zoll, erbaut um 1495. Die sieben Stockwerke des Baukörpers überragen alles, und seine mächtigen Fachwerkbalken leuchten geradezu in intensivem Goldgelb. Doch das Schmuckstück machte lange Zeit keine so gute Figur: dunkel und grau, der Turm des Lastzuges schief, seit Jahrzehnten vernachlässigt.
Unter dem Graut der Fassade entdeckte ein Restaurator den Goldocker-Farbton
Und zwar so, dass Bürgerschaft und Verwaltung das Gebälk zunächst in Grau gestrichen haben wollten, als 2016 endlich die Instandsetzung möglich wurde.
Doch dann untersuchte ein Restaurator die Fassade, und es kam jener Goldocker-Farbton zum Vorschein, den man heute wieder sieht. Zur Bauzeit, in der gedämpften Farbwelt des Spätmittelalters, ein enormes Ausrufezeichen, erklärt Architekt Thomas Neugschwender: „Früher wars ja so, die repräsentativen, wichtigen Gebäude waren immer in dem Alt-Ocker gestrichen, damit sich das hervorhebt. Also so ein normales Gebäude hat die Farbe nicht verwenden dürfen.“
Massive Holzbohlen aus dem 1510 von Tapeten und Putz befreit
Um die alte Pracht wieder herzustellen, wurden im Gebäudeinneren alle historisch minderwertigen Einbauten entfernt. Zum Beispiel eine Trennwand im Erdgeschoss – Plunder aus dem 19. Jahrhundert, so die Vermutung. Dann aber kam unter Tapeten und Putz eine Konstruktion aus massiven Holzbohlen zutage, datierbar aufs Jahr 1510 und 16 Meter lang, einmalig in Baden-Württemberg. Damit die Bretter nicht allzu schnöde wirkten gegenüber dem aufwändigen Fachwerk ringsum, wurden die Bohlen beim Einbau optisch aufgehübscht.
Spätmittelalterliches Hochhaus mit spitzem Giebel
Karsten Preßler vom Landesdenkmalamt skizziert den besonderen Charakter des Gebäudes: Den kleinsten Teil nahmen Wohnung und Büro des Zöllners ein, ab dem zweiten Stockwerk war das Haus ein reines Lager, gekrönt von vier Dachgeschossen: „Wir haben hier in der Tat ein spätmittelalterliches Hochhaus, das vor allem dann im Bereich der Dachgeschosse sehr hoch, sehr steil, sehr spitz ist. Und das prägt ja eben auch diese typische deutsche oder mitteleuropäische Giebel-Landschaft der spätmittelalterlichen Stadtkerne.“
Lastzug-Mechanik funktioniert wie am ersten Tag
Hoch oben unterm Dach steht ein massives Drehkreuz aus Eichenholz, daran eine lange Kette mit Haken. Seit 500 Jahren können damit schwere Lasen hier hochgezogen wurden, die Mechanik funktioniert wie am ersten Tag.