Feature | ARD Radiofeature

Die äußerste Außengrenze – Doku über die EU-Flüchtlingspolitik im Indischen Ozean

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AUTOR/IN
Fabian Federl

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Der Archipel der Komoren liegt in der Straße von Mosambik, vor Madagaskar. Mayotte ist ein Teil des Archipels – aber auch eine andere Welt. Auf Mayotte zahlt man mit Euro, es gibt französische Gesetze und staatliche Hilfen, jedes Kind geht zur Schule. Auf den Komoren hat es in 40 Jahren 20 Staatsstreiche gegeben, und der derzeitige Diktator, Azali Assoumani, könnte der bisher schlimmste sein. Ein großer Teil der komorischen Bevölkerung ist wegen politischer Verfolgung geflohen, die meisten von ihnen nach Mayotte. Es gibt es heute auf Mayotte mehr illegale Einwanderer als registrierte Bürger – und das größte Slum der Europäischen Union mit 250.000 Einwohner.

Unbeachtetes Geflüchteten-Drama

Die französische Regierung hat Sondergesetze für das Gebiet erlassen, die Menschenrechtsorganisationen als unmenschlich bezeichnen. Das Geburtsrecht auf die Staatsbürgerschaft wurde aufgehoben, der Wohnsitz auf Mayotte, obwohl rechtlich Französisch, erlaubt keine internationalen Reisen mehr, und fast alle Wege zur Staatsbürgerschaft sind Komorern versperrt. Abschiebungen werden im Schnellverfahren durchgeführt und dauern weniger als 12 Stunden, was dazu führt, dass bereits schwarze französische Staatsbürger versehentlich auf die Komoren abgeschoben wurden. Tausende von Komorern, die ihr ganzes Leben auf Mayotte verbracht haben, haben keine Möglichkeit, legal zu bleiben und werden an ihrem 18ten Geburtstag abgeschoben.

Mayotte – Französisches Territorium ohne EU-Recht

30.000 Komorer werden jedes Jahr aus Mayotte abgeschoben, die Zahl der Ankömmlinge ist unüberschaubar, jede Nacht kommen Dutzende von kwassa-kwassa an den Stränden von Mayotte an. Nach Angaben des französischen Senats sind seit 1995 zwischen sieben- und zehntausend Komorer bei dem Versuch ertrunken, Mayotte von der Komoreninsel Anjouan aus zu erreichen. In Grande Comore schätzt die Regierung die Zahl der Toten auf bis zu 50.000. Im Indischen Ozean spielt sich die Migrationskrise in mikroskopisch kleinem Rahmen, aber in gleichem, erschreckendem Ausmaß wie im Mittelmeer ab.

Die Recherche wurde vom IJ4EU-Stipendium unterstützt.

(Produktion: WDR 2023)

Fabian Federl ist franco-deutscher Reporter und Autor für verschiedene Magazine und Radiosender. Er arbeitet auf Deutsch, Englisch, Französisch und Portugiesisch; seine Arbeiten wurden in 10 Sprachen übersetzt. Er wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet und ist Alumnus des Pulitzer Center und des European Journalism Center. Seine Geschichten spielen meist in Brasilien, Portugal oder der afrikanischen francophonie. Er lebt und arbeitet in Rio de Janeiro und Berlin.

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