Bei den diesjährigen Nibelungen-Festspielen steht die isländische Königin Brynhild im Zentrum. Regisseurin Pınar Karabulut verrät wenige Tage vor Probenstart, dass es in ihrer Inszenierung vor allem um das Hinterfragen von Erwartungen geht: Müssen Helden immer den ihnen zugeschriebenen Rollenbildern entsprechen?
Bei den Nibelungen-Festspielen 2023 haben Frauen vor und hinter der Bühne die Zügel in der Hand
Schon 2022 standen die zwei großen Frauen der Nibelungensage im Zentrum. In „Hildensaga“ ging es um die ungleichen Herrscherinnen Kriemhild und Brunhild. Auf der Bühne waren die Frauen in dem Königinnendrama zwar sehr präsent, hinter der Bühne allerdings nicht. Dies soll nun anders werden, sehr zur Freude von Regisseurin Pınar Karabulut.
Schon seit ihren ersten Regiearbeiten versuche sie, Frauen in ihrem Regieteam zu pushen, sagt die Regisseurin. „Mir ist das wichtig, weil ich als Regisseurin natürlich auch Jobs vergeben kann. Das gehört auch zu meinem Feminismus dazu.“

Die Auseinandersetzung mit der Geschlechtsidentität (Gender) gehört für Karabulut ebenfalls zu ihrem Feminismus. „Und deswegen ist es irrelevant, welches Geschlecht eigentlich welche Figur spielt. Es geht eigentlich darum: welcher Mensch kann das ausfüllen.“ So wird in diesem Jahr zum Beispiel die Rolle des gleichsam treuen wie verschlagenen Hagen von der Schauspielerin Ruby Commey verkörpert.
Intendant Nico Hofmann versichert, die Besetzung sei nicht entstanden, weil es gerade „woke“ und modern ist, divers zu sein in Film und Theater.
Auf der Suche nach Lebensrealitäten im alten Sagenstoff
Für Regisseurin Pınar Karabulut passt ihr Ensemble vor allem zu der Geschichte, die sie zusammen mit Autorin Maria Milisavljevic erzählen möchte. „Ich würde gerne dieses Jahr einen neuen Blick auf das alte Nibelungenlied zeigen. Was wollen diese Figuren eigentlich, wer ist diese Brynhild? Und muss sie eine Walküre sein?“
Auch die Figur des Siegfired (im Stück Sigurd) betrachtet sie neu: „Ist es das, was einen Mann ausmacht? Dass er in Blut badet und dann auch noch bei einer Vergewaltigung hilft?“
Was Karabulut am meisten interessiert, ist zu schauen, in welcher Lebensrealität die Menschen miteinander leben und wie sie ihr Leben ändern können.

Film-Schauspielerin Lena Urzendowsky spielt die Rolle der Brynhild
Die 23jährige Film- und Fernseh-Schauspielerin Lena Urzendowsky soll als Brynhild diesen Perspektivwechsel vornehmen. Weil sie noch mitten in Dreharbeiten steckt, kann sie erst zum Probenstart in anderthalb Wochen nach Worms kommen. Bekim Latifi von den Münchner Kammerspielen wird als Sigurd auf der Bühne stehen. Außerdem wurden unter anderem der dänische Schauspieler Jens Albinus und die schillernde Allround-Künstlerin Parisa Madani verpflichtet.
Der aus Togo stammende Bless Amada vom Wiener Burgtheater wird als germanischer Gott Odin zu sehen sein. Er befinde sich noch im Prozess, die Rolle zu erarbeiten, sagt der Schauspieler: „Ich finde es gut, ich finde es auch wichtig für die heutige Zeit, dass mit diesen Rollenbildern auch gebrochen wird. Dass man neue dadurch erschaffen kann, dass man auch Sehgewohnheiten erschafft. Das finde ich wahnsinnig spannend.“
Die Freilicht-Inszenierung in der Karriere von Regisseurin Pınar Karabulut
Es soll also vieles anders werden, als es das Wormser Publikum gewöhnt ist. Am 7. Juli wird die Premiere stattfinden. Bis dahin muss die riesige Bühne vor dem Dom mit Leben gefüllt werden.
Nicht nur für Regisseurin Pınar Karabulut ist es die allererste Freilicht-Inszenierung der Karriere. Auch Bless Amada hat bisher nicht Open Air gespielt. Er blickt der Herausforderung mit Vorfreude und voller Energie entgegen: „Ich weiß nicht, ob ich bereit bin. Aber ich bin bereit zu springen.“
Nibelungen-Festspiele Worms
Nibelungenlied in Neufassung Rivalinnen werden Verbündete – starke „Hildensaga“ am Theater Baden-Baden
Regisseurin Isabel Osthues gelingt am Theater Baden-Baden eine sehr konzentrierte, energiegeladene Inszenierung der Hildensaga , die den starken Text des Bachmann-Preisträgers Ferdinand Schmalz bestens zur Wirkung bringt.
Bühne Spektakuläre Premiere – „hildensaga“ verpasst den Nibelungenfestspielen Worms ein feministisches Update
Das gab es in 800 Jahren Nibelungen-Epos nicht: Autor Ferdinand Schmalz lässt Kriemhild und Brünhild in seinem Stück „hildensaga. ein königinnendrama“ aus ihrer Opferrrolle emanzipieren und zeigt die Königinnen als machtvolles Frauenduo. Unter der Regie von Roger Vontobel stimmt jeder Blick, jede Geste, jedes Wort des beeindruckenden und hochkarätigen Ensembles – ein nahezu perfekter Theaterabend.
Theater Nibelungenfestpiele Worms: Bühne ist spektakulär, aber nicht umweltfreundlich
Höher, schneller, nasser – unter diesem Motto könnte das Bühnenbild für das Stück „hildensaga. ein königinnendrama“ bei den Nibelungenfestspielen 2022 zusammengefasst werden. Der Däne Palle Steen Christensen hat diese Kulisse entworfen – eine gigantische Wasserlandschaft, für die die Schauspieler teilweise sogar Tauchunterricht nehmen mussten. Das ist beeindruckend, aber in Zeiten knapper Ressourcen auch bedenklich. Den Veranstaltern ist das Problem bewusst. Sie versuchen, den Energiebedarf so gering wie möglich zu halten.
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