Frauenärztin Sheila de Liz sieht Positives in Wechseljahren

"Die meisten Frauen sind schlecht informiert!"

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Hanns Lohmann
Hanns Lohmann (Foto: SWR)
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Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Herzrasen, etc. – typische Beschwerden in den Wechseljahren. Autorin und Frauenärztin Dr. Sheila de Liz sieht in dieser Zeit aber auch Positives.

Dr. Sheila de Liz schreibt in ihrem aktuellen Buch "Women on Fire", die Wechseljahre sind besser, als viele glauben. Warum sie das so sieht, und was vielen Frauen helfen kann, erklärt sie im SWR1 Interview.

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SWR1: Sie schreiben in Ihrem Buch sogar von fabelhaften Wechseljahren. Ich kenne Frauen, die würden sich im besten Fall darüber jetzt kaputt lachen. Wie sehen Sie denn diese Fabelhaftigkeit ganz genau?

Sheila de Liz: Die Fabelhaftigkeit kommt dadurch zustande, dass viele Frauen in den Wechseljahren tatsächlich wieder ihre Stimme finden. Natürlich hat man da körperliche Beschwerden oder Symptome. Die eine mehr, die andere weniger. Aber viele finden gerade in dieser Zeit die Kraft, sich wirklich um sich selbst zu kümmern und um ihre eigenen Bedürfnisse. Das ist schon eine kleine Sensation, weil viele Frauen doch bis dahin sehr viel Energie für die Versorgung von anderen Menschen aufgebraucht haben. Und da eigentlich bei vielen das erste Mal so diese Idee kommt, Moment, was ist mit mir? Das finde ich immer sehr positiv.

Wechseljahre – Ein guter Zeitpunkt, um über das Leben nachzudenken

SWR1: Aber nicht so positiv sind halt Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, das Verändern des Aussehens, was viele Frauen auch belastet. Nicht so richtig angenehm. Wie bringen Sie das da in Zusammenhang?

de Liz: Gut, der Körper zwingt einen, sich mit sich selber auseinanderzusetzen. Das muss man ganz klar so sagen. Also ich sage ja auch, man muss das jetzt nicht irgendwie heroisch aushalten. Es gibt keine Trophäen für Wechseljahresbeschwerden aushalten, da gibt es Wege und Möglichkeiten. Aber es zwingt einen dennoch, sich um einen selber zu kümmern. Man muss sich genau anschauen, wie ernähre ich mich? Treibe ich Sport? Wie gehe ich mit meinem Körper um? Wie gehe ich mit meiner Gesundheit um? Wie gehe ich mit meiner Zeit um? Mit welchen Menschen verbringe ich dann meine Zeit? Habe ich Energieräuber in meiner Umgebung, die mir eigentlich nichts bringen?

Das sind Fragen, die Frauen sich in dieser Zeit tatsächlich sehr nüchtern stellen können. Oftmals, weil der Körper einen wirklich dazu zwingt. Der Klassiker sind nämlich Schlafstörungen. Dass man nachts wach liegt und grübelt und nachdenkt und überlegt, was stimmt mit meinem Leben? Und was stimmt mit meinem Leben nicht? Das Spannende ist ja, dass wir Frauen jetzt in diesem Zeitalter die Möglichkeit haben, nochmal doppelt so lange zu leben, wie wir bis jetzt gelebt haben. Also wenn wir quasi mit 45 in die Wechseljahre kommen, dass wir bis 90 leben können. Und wir können uns auch überlegen, was wollen wir in den nächsten 45 Jahren machen?

Probleme durch Hormonmangel können gelindert werden

SWR1: Leuchtet grundsätzlich alles ein. Aber da liegt eine Frau nachts um vier wach und grübelt nach und hat auch sonst so diverse Probleme. Wie bekommt sie diese in den Griff?

de Liz: Also die körperlichen Beschwerden kommen durch Hormonmangel, fehlende Hormone oder absinkende Hormonlevel zustande. Die meisten Frauen können heutzutage körperidentische Hormone zu sich nehmen. Das trifft für die meisten Frauen zu, nicht für alle Frauen. Das geht meistens mit Cremes oder Gels, die man sich auf die Haut schmiert, die vom Körper aufgenommen werden und die einfach diesen Mangel ausgleichen. Das Ganze muss natürlich in einem ärztlichen Gespräch besprochen werden. Aber man kann diese Probleme relativ leicht beheben.

Die meisten Frauen sind schlecht informiert, und viele Ärzte sind auch schlecht informiert.

SWR1: Das heißt Frauen, die unter Wechseljahresbeschwerden leiden, aber ja das nicht so machen, wie Sie es empfehlen, sind schlichtweg schlecht informiert?

de Liz: Gut, man muss das vielleicht ein paar Schritte zurücknehmen und sagen, die meisten Frauen sind schlecht informiert, und viele Ärzte sind auch schlecht informiert. Muss man ganz ehrlich sagen. Viele Frauen verbinden mit den Wechseljahren nur Hitzewallungen und Schlafstörungen. Aber es gibt so viel mehr Symptome, die damit zusammenhängen können. Also fehlende Libido beispielsweise, Gelenkschmerzen sind ein Riesenproblem. Konzentrationsschwäche ist ein Riesenproblem. Gerade bei Frauen, die wirklich selbstständig sind oder im Beruf stehen.

Eine Frau im Gespräch beim Gynäkologen (Foto: Colourbox)
Viele Frauen haben in den Wechseljahren Beschwerden wie etwa Hitzewallungen, aber auch Schlafstörungen können entstehen, depressive Phasen zunehmen, Konzentration und Leistungsfähigkeit können nachlassen.

SWR1: Würden Sie so weit gehen und sagen, Hormontherapie bei allen betroffenen Frauen sorgt dafür, dass das Thema Wechseljahre dann eigentlich komplett weg ist? Mit allen Beschwerden, die Sie angesprochen haben?

de Liz: Das würde ich tatsächlich nicht sagen. Weil Hormontherapie, so wunderbar sie auch heutzutage ist, löst nicht alle Themen. Interessanterweise ist es so, dass die Frauen nicht zu der Frau zurück werden, die sie mal waren, wenn der Hormonspiegel ausgeglichen wird – in vielerlei Hinsicht. Wenn man zum Beispiel die Erkenntnis gewonnen hat, was im eigenen Leben vielleicht nicht stimmt oder wo Korrekturbedarf ist, ist es nicht so, dass man Hormone nimmt und dann sagt, so schlecht war es doch gar nicht. Es gibt da durchaus Partnerschaftsprobleme und Dinge im Leben, die ein bisschen besser betrachtet werden müssen. Insofern ja, man kann mit der Hormontherapie eine gesunde Basis oder eine stabile Basis wiederherstellen, um dann die Veränderungen, die vielleicht sein müssen, mit voller Kraft anzupacken.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.

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