Der russische Präsident Wladimir Putin während eines Interviews im März 2024. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Gavriil Grigorov)

Präsidentschaftswahl in Russland

Politikwissenschaftlerin: "Es gibt keinen Wahlkampf"

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Claudia Deeg
Claudia Deeg (Foto: SWR)
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Vom 15. bis zum 17. März wird in Russland ein neuer Präsident gewählt. Doch kann wirklich von einer Wahl die Rede sein? Für viele steht der Gewinner bereits fest: Wladimir Putin.

Mit sechs weiteren Jahren Amtszeit wäre Putin länger an der Macht als alle anderen in Russland seit Katharina der Großen im 18. Jahrhundert. Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin hat lange in Russland gelebt und über Politik und Gesellschaft geforscht. Im SWR1 Interview ordnet sie die Umstände der Präsidentschaftwahl ein.

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SWR1: Träumt Putin davon, der größte Herrscher seit der Zarin Katharina der Großen zu werden?

Sabine Fischer: Ich kann ihnen nicht genau sagen, wovon Putin träumt, aber er stellt sich selbst ganz klar immer wieder in die Linie dieser "großen" und sehr imperialistischen, russischen Herrscher und der einen Herrscherin, Katharina der Großen. Und es gibt Referenzen zu Stalin. Er sieht sich klar in dieser Tradition.

Präsidentschaftswahl: hohe Ergebnisse für Putin angestrebt

SWR1: Die Wahl am 17. März ist nicht wirklich eine Wahl. Mögliche Gegenkandidaten sind entweder tot, nicht zugelassen oder es kennt sie keiner. Werden die Menschen trotzdem wählen gehen?

Fischer: Es werden einige Menschen wählen gehen. Was wir sicherlich auch sehen werden, sind zum Beispiel Belegschaften von Unternehmen, Studenten, Studentinnen, die tatsächlich auch dazu gebracht werden, kollektiv zur Wahl zu gehen.

Und wir müssen davon ausgehen, dass eben auch die Zahlen stark manipuliert sein werden. Insofern ist es sehr schwierig, zu sagen, wie hoch die Wahlbeteiligung tatsächlich sein wird. Aber es wird angestrebt, eine hohe Wahlbeteiligung und ein hohes Wahlergebnis für Wladimir Putin am Ende veröffentlichen zu können.

Ukrainekrieg: das dominante Thema in Russland

SWR1: Wie ist das eigentlich mit der Wahl in den Gebieten der Ukraine, die Russland besetzt hat?

Fischer: Die Wahl wird ausgedehnt auf die okkupierten Gebiete. Und die Ausdehnung der Wahl auf diese Gebiete ist hochgradig völkerrechtswidrig. Das macht diese Wahl im Übrigen auch illegitim, wenn sie so wollen, denn abgegebene Stimmen in diesen okkupierten Gebieten sind natürlich eigentlich nicht gültig.

Die Ausdehnung der Wahl auf [ukrainische] Gebiete ist hochgradig völkerrechtswidrig.

SWR1: Welche Rolle spielt überhaupt der Krieg gegen die Ukraine bei der Wahl?

Fischer: Der Krieg ist das alles überwölbende Thema. Es gibt ja keinen Wahlkampf in dem Sinne, es gibt keine politische Debatte, es gibt schon lange keinen politischen Raum mehr in Russland, in dem politische Auseinandersetzungen wirklich stattfinden könnten.

Es geht im Grunde genommen in der russischen Innenpolitik nur noch um diesen Krieg. Das hat man auch bei Putins Rede an die Föderalversammlung Ende Februar nochmal sehr deutlich gesehen. Da hat er eben wirklich alles, was innenpolitisch, gesellschaftlich, et cetera in Russland passiert und läuft, unter das Zeichen des Krieges gestellt. Insofern ist der Krieg das dominante Thema.

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Bleibt Putin, gibt es keine Veränderung

SWR1: Weitere sechs Jahre Wladimir Putin – was bedeutet das für Russland und für den Westen, für uns?

Fischer: Die Fortsetzung der Putinschen Herrschaft bedeutet einfach das Andauern diktatorischer Verhältnisse in Russland. Auch die Fortsetzung dieser extrem aggressiven, gewalttätigen, chauvinistischen und imperialistischen Außenpolitik.

Solange dieses Regime an der Macht ist, kann man auf keinen Fall davon ausgehen, dass sich daran irgendetwas ändert. Für die Ukraine, auch für andere unmittelbare Nachbarstaaten Russlands, wird das eine existenzielle Bedrohung bleiben. Auch westliche Demokratien müssen sich darauf einstellen, dass die russische Politik ihnen gegenüber ausgesprochen aggressiv bleiben wird.

Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.

Weitere Informationen über Sabine Fischer finden Sie bei der Stiftung Wissenschaft und Politik Berlin.

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