Zwei Meter Körpergröße und fast 110 Kilogramm auf der Waage: Leo Neugebauer bringt optimale körperliche Voraussetzungen mit. Der Stuttgarter Zehnkämpfer war schon in der Jugend talentiert. Der große Durchbruch bei den Erwachsenen gelang ihm aber erst in den USA.
Vom Jugendtalent zum Zehnkampfstar
Ehrgeizig, talentiert und ein bisschen verpeilt, so wird Neugebauer von seinen ehemaligen Trainingskollegen bei der LG Leinfelden-Echterdingen beschrieben. Dort hat er seine Leichtathletik-Karriere begonnen und seine ersten Wettkämpfe in der Jugend bestritten. Häufig mussten die Teamkollegen im Training auf ihn warten oder ihn bei Wettkämpfen daran erinnern, die Schuhe einzupacken. Mit einem Schmunzeln erinnert sich Neugebauer zurück: "Die Zeiten sind vorbei. Ich habe viel dazugelernt, bin pünktlich und strukturiert."
Bei den U18-Weltmeisterschaften 2017 in Nairobi hatte Neugebauer erstmals angedeutet, was in ihm steckt: Mit der Bronzemedaille machte er international auf sich aufmerksam. Trotzdem war er lange nur Insidern ein Begriff. Bis zur Weltspitze bei den Erwachsenen sollte es noch dauern. Der entscheidende Schritt für seinen Durchbruch: Vor vier Jahren beschloss Neugebauer mit einem Sportstipendium in die USA zu gehen. Dort schrieb er sich an der Uni Texas ein, wo er noch immer studiert und trainiert. Dort mauserte er sich Schritt für Schritt zum Top-Athleten.
Rundum-sorglos-Paket: US College-Sport
Das Sportstipendium in den USA lieferte Neugebauer professionelle Rahmenbedingungen: Zweimal Training pro Tag, Physiotherapie und kurze Wege. Die Aufmerksamkeit und Wertschätzung für den Sport sei in den USA auf einem anderen Niveau, schwärmt der Stuttgarter. Mehrere Mitarbeiter an der Uni planen seinen Tag, bringen Vorlesungen und Training unter einen Hut oder stellen seinen Wettkampfkalender zusammen. Neugebauer hat den Kopf frei, reift nicht nur körperlich, sondern auch mental zum Spitzenathleten.
"Wenn ich so weitermache, ist alles möglich"
Bei den amerikanischen Studentenmeisterschaften gelang dem Wirtschaftsstudenten dann ein Meisterwerk: Mit neuen persönlichen Bestleistungen über 100 Meter, 400 Meter, Stabhochsprung, Weitsprung, Diskus- und Speerwurf knackte er den 39 Jahre alten deutschen Zehnkampfrekord von Jürgen Hingsen. 8.836 Punkte, ein internationales Ausrufezeichen, das ihn für die WM in Budapest zum Mitfavoriten macht.
Neugebauers größte Stärke: Er hat kaum Schwächen. Mit guten Leistungen bei den meisten Disziplinen sammelt er gleichmäßig seine Punkte. Bis auf den 1.500-Meter-Lauf, der den meisten Zehnkämpfern als einziger Ausdauer-Disziplin zu schaffen macht, hat Neugebauer keinen Ausreißer nach unten. Mit weiteren kleinen Verbesserungen über alle Disziplinen hinweg, traut Neugebauer sich sogar Großes zu: Als fünfter Zehnkämpfer der Geschichte möchte er die "magische" 9.000-Punkte-Marke übertreffen.
WM Budapest: Neugebauer vs. Kaul
Bei der WM in Budapest (Ungarn) trifft sich vom 19. bis 27. August die Weltelite der Leichtathletik. Ein Jahr nach seinem 10. Platz bei der WM in Eugene (USA) möchte Neugebauer nicht nur dabei sein, sondern vorne mitmischen. Starke Gegner bekommt er aus der eigenen Mannschaft: Welt- und Europameister Niklas Kaul hat mit Neugebauer plötzlich unerwartete Konkurrenz dazubekommen. Trotzdem schätzen sich die beiden: "Niklas und ich sind gute Freunde. Gegenseitig können wir uns zu noch größeren Leistungen pushen", sagt der der College-Student freudig.
Familie und Freunde fiebern mit
Der Preis für die Sportkarriere in den USA: Die Familie und die Freunde aus Stuttgart musste Neugebauer zurücklassen. Zweimal im Jahr bezahlt ihm die Uni einen Trip in die Heimat. Öfter kann er seine Eltern nicht in die Arme schließen. Und trotzdem: Vater Terrence ist mächtig stolz auf seinen Sohn, fiebert bei jedem Wettkampf mit: "Leo geht seinen Weg und macht etwas aus seinem Leben."
Nach dem großen Erfolg bei den College-Meisterschaften wurde Mutter Diana Neugebauer etwas mulmig zumute. Sie hatte Sorge, dass der Druck für ihren Sohn zu groß werden könnte. Plötzlich prasselten hunderte Medienanfragen, Interviews und Termine auf Neugebauer ein. Aber schon nach kurzer Zeit entspannte sich die Mutter: "Leo ist total gelassen. Er ist immer noch derselbe, wenn er nach Hause kommt."
Heimat-Support bei WM und Olympia
Die WM in Budapest und die Olympischen Spiele in Paris 2024 sind für Neugebauer ganz besondere Highlights: Nach unzähligen Wettkämpfen in den USA, können seine Freunde und Verwandte wieder mit im Stadion sein. Für den aufstrebenden Zehnkämpfer eine extra Motivation. Die kann er gut gebrauchen, denn nach dem deutschen Rekord geht es für Neugebauer um Medaillen.