Der VfB Stuttgart feiert. (Foto: IMAGO, Eibner)

Fußball | Bundesliga

Unaufgeregt gegen Union: Die neue Stuttgarter Souveränität

Stand
AUTOR/IN
Ann-Kathrin Rose
INTERVIEW
Jens Ottmann

Der VfB Stuttgart hat mit dem Sieg gegen Union Berlin gezeigt, warum er eine Spitzenmannschaft ist. Die Stuttgarter sind vielleicht auch deshalb unaufgeregt und überlassen das Träumen den Fans.

In der Stuttgarter Stadtbahn, in der an Spieltagen "liebe VfBler" aus den Lautsprechern dröhnt, läuft am Morgen nach dem 2:0-Sieg der Schwaben gegen Union Berlin nicht alles nach Plan. An den Haltestellen sind die Überreste der Fan-Party vom Freitagabend unübersehbar, und in der Bahn steht sie Kopf, die Zeitung mit der Schlagzeile zum VfB und dem Bild von Sebastian Hoeneß. Die Zeitung, fast achtlos in die Ablage neben der Tür gesteckt, aber sinnbildlich für die Stuttgarter Stimmung derzeit – es läuft beim VfB.

"Was dieses Jahr passiert, ist außergewöhnlich", sagt Chris Führich nach dem Sieg gegen die Köpenicker im Gespräch mit SWR Sport. "Dahinter steckt eine Menge Arbeit." Die Stutzen hat der Torschütze zum sehenswerten 2:0 in der 65. Minute nach unten geschoben, die Schienbeinschoner schon abgelegt. Nur wenige Meter entfernt spricht Sportdirektor Fabian Wohlgemuth über eben jenen Treffer. So schön wie einst die Tore von Arjen Robben. Für Wohlgemuth aber bleibt sein linker Flügelflitzer "der Chris".

Stuttgarter "Struggle"

Und "dem Chris" war nach dem Spiel durchaus bewusst: „Wir hatten in diesem Spiel auch Phasen, wo es kippen kann." Die erste dieser Phasen gab es direkt zu Beginn der Partie. Die Eisernen starteten mit frühem Pressing, zwangen den VfB, der zunächst ohne den angeschlagenen Kapitän Waldemar Anton mit neu formierter Defensive ranmusste, direkt zu Fehlern und hätten so schon in der 3. Minute durch Yorbe Vertessen in Führung gehen können.

Doch der Belgier nutzte seine Startelfchance und die Möglichkeit auf die frühe Berliner Führung nicht. Der VfB aber sortierte sich, die Defensive und das eigene Spiel. "Wir haben ein bisschen gestruggelt", findet Führich, der nach dem Berliner Warnschuss aber gemeinsam mit Maximilian Mittelstädt viel Alarm über die linke Seite machte.

"Nicht das beste Spiel", aber ein Sieg

"Letztes Jahr haben wir solche Spiele immer verloren, aber jetzt sieht man, dass wir dann doch noch gute Sachen mit dem Ball machen und das Spiel auf unsere Seite ziehen können", erklärt Führich. "Auch wenn es nicht das beste Spiel ist, müssen wir erwachsen bleiben und die Dinger ziehen." Das erste Ding zieht dann wenig überraschend Serhou Guirassy mit seinem 23. Saisontor, Treffer 21 in der Bundesliga.

Erwachsen war die Leistung vor allem deshalb, weil der VfB das Spiel spätestens nach dem Führungstreffer auf seine Seite zog, zwischenzeitlich 70 Prozent Ballbesitz hatte und die Gäste aus Berlin in einem Modus zwang, in dem diese vor allem reagierten. Zwar spielten sich die Köpenicker auch nach dem Seitenwechsel noch Möglichkeiten heraus, wie gegen Dortmund aber ging die Elf von Trainer Nenad Bjelica mit diesen viel zu fahrlässig um. András Schäfer leistete sich in der 69. Minute dann noch ein grobes Foul – offene Sohle, gestrecktes Bein und gesundheitsgefährdend für Gegenspieler Josha Vagnoman – und sah dafür Rot.

VfB souverän und unaufgeregt

Der VfB spielte die Partie gegen zehn Köpenicker unaufgeregt, aber dennoch souverän runter. "Es sind einfach richtig gute Spieler, die in der Lage sind, Dinge zu erkennen, Dinge umzusetzen. Das alles zusammen führt dazu, dass wir stabil daherkommen", sagt Hoeneß über sein Team. Stabil kommen die Schwaben auch dank des Trainers daher – seine vorzeitige Vertragsverlängerung sorgte schon vor dem Anpfiff für Jubel im Stadion – und den Spielern. "Wir haben uns riesig gefreut. Das ist ein Statement vom Trainer – für den Verein und für die Fans. Da freuen wir uns alle drüber", sagt Führich.

Die ganz große Ekstase ist das nicht, aber vielleicht ist auch das etwas, was den VfB aktuell auszeichnet – selbst mit großen News unaufgeregt umzugehen. So wie mit großen Zielen. "Natürlich haben wir die Ambition und den Ehrgeiz, dass wir da oben bleiben wollen. Da sind wir auch klar", sagt Hoeneß. "Und am Ende weiß jeder, dass es nur über Training und die Leistung am Wochenende geht. Da brauchen wir nicht viel quatschen, nicht viel träumen. Wir müssen abliefern." Und dann steht in Stuttgart in der kommenden Saison vielleicht auch nicht nur die Zeitung in der Stadtbahn Kopf.  

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Ann-Kathrin Rose
INTERVIEW
Jens Ottmann