ADAC- und ADFC-Studien zur Radverkehrssicherheit in Städten

Was Radfahrerinnen und Radfahrer brauchen

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Lothar Nickels
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Kathrin Fuchs
Isabell Thomas

Es klingt ganz einfach: Um sicher anzukommen, brauchen Radfahrer mehr Platz. Denn mehr Abstand von Autos bedeutet mehr Sicherheit. Laut ADFC-Fahrradklima-Test 2020 fühlen sich mehr als zwei Drittel der Befragten beim Radfahren unsicher. Im stetig dichter werdenden städtischen Verkehr herrscht gefühlt ein regelrechter Straßenkampf zwischen Auto und Fahrrad.

Mehr Verkehr, aber die Fahrradfreundlichkeit bleibt auf der Strecke

Noch nie gab es so viele Autos in Deutschland wie heute: fast 50 Millionen PKW. Demgegenüber stehen knapp 80 Millionen Fahrräder. Ebenfalls so viele wie nie zuvor. Eine Entwicklung, die auch auf die Corona-Situation zurückzuführen ist. Die Verkaufszahlen für Fahrräder und E-Bikes schossen in die Höhe. Zwei Drittel der Befragten gaben bei der gerade veröffentlichten ADFC-Umfrage „Fahrradklima-Test“ 2020 an, dass Corona die Bedeutung des Fahrrads gesteigert habe. Besonders im Freizeitbereich hat die Nutzung gegenüber 2018 um 27 Prozent zugelegt.

Stuttgart: Autos fahren durch die Innenstadt (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/Sina Schuldt/dpa)
Immer mehr Autos fahren in Deutschlands Städten, aber auch die Anzahl der Fahrräder nimmt zu.

Diesem Boom seien aber keine „handfesten Verbesserungen“ der Radinfrastruktur gefolgt, was die Teilnehmer mit der Gesamtnote 5,0 abstraften. Lediglich in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern habe die Fahrradfreundlichkeit zugelegt. Dazu gehören Berlin, München, Stuttgart und Düsseldorf. Hier wurden Pop-up-Radwege, Fahrradstraßen, verkehrsberuhigte Zonen oder Poller zum Schutz gegen Durchgangsverkehr eingerichtet.

Autos nehmen in den Städten weiterhin den meisten Platz ein

Nach wie vor fällt die Flächenverteilung in Städten überproportional zu Gunsten der Autos aus. Eindrucksvoll zeigt sich das am Beispiel Berlin, wo es 1,2 Millionen zugelassene Fahrzeuge gibt. Würden sie alle Stoßstange an Stoßstange hintereinanderstehen, ergäbe dies eine Strecke von 5.400 Kilometern. Das entspricht fast der Länge des Straßennetzes von Berlin. Greenpeace beziffert die Fläche, die der Autoverkehr in der Hauptstadt für sich beansprucht, auf etwa 60 Prozent. Der Radverkehr kommt dagegen gerade mal auf 3 Prozent.

Das müsste sich in Städten für mehr Fahrradfreundlichkeit ändern:

Dabei soll insbesondere für den städtischen Verkehr das Fahrrad eine wesentliche Alternative zum Auto werden. Dafür müsste es allerdings zu einer deutlichen Umverteilung von urbaner Verkehrsfläche kommen – weg vom Auto, hin zum Rad, sagen Verkehrsexperten vom Wuppertal Institut. Das gelte für fließenden und ruhenden Verkehr gleichermaßen.

Verbesserungsbedarf besteht vor allem bei Radwegen

Wie notwendig solche Maßnahmen sind, zeigt der ADFC-Fahrradklima-Test: Die Breite der Radwege wird in der Umfrage Jahr zu Jahr schlechter bewertet, so der Club. Sie seien oft zu schmal, meinten 80 Prozent der Befragten. Mit den Radwegen oder Radfahrstreifen sind ebenfalls viele „sehr unzufrieden“. Schlechte Baustellenführung und fehlende Kontrollen von Falschparkern auf Radwegen wurden als mangelhaft bewertet.

Wo und wie sich der Verkehr ändern muss, fragt der SWR in seiner Mitmachaktion 2021 für zwei Thementage rund ums Rad. © SWRThomas Reutter (Foto: SWR, Thomas Reutter)
Die Ergebnisse vom ADFC-Fahrradklima-Test und der ADAC-Umfrage zeigen eine deutliche Unzufriedenheit mit Radwegen auf.

Die ADAC-Umfrage „Monitor 2020 Mobil in der Stadt“ kommt zu ähnlichen Ergebnissen beim Thema Radwege: Die Kategorien Zustand und Breite landen beide auf hinteren Plätzen. Nur das Angebot an Fahrradstellplätzen an ÖPNV-Stationen und Bahnhöfen sowie das Verhalten von Autofahrern erhielten noch schlechtere Zufriedenheitswerte.

Diese Maßnahmen sind notwendig

Um insgesamt wirkliche Verbesserungen für Radfahrende zu erreichen, müsste der Autoverkehr Fahrspuren und Parkplätze abgeben, die dann in Maßnahmen für eine sichere und geschlossene Fahrrad-Infrastruktur umgewidmet werden. Dazu zählen neben ausreichend breiten Radwegen auch sogenannte Protected Bike Lanes (PBL).

Radfahrer fährt auf einer sog. Protected Bike Lane (einem geschützten Radweg)  (Foto: dpa Bildfunk, Paul Zinken)
Geschützte Radfahrstreifen, Protected Bike Lanes, trennen Rad- vom Autoverkehr.

Diese geschützten Radstreifen sind baulich durch Poller, Pflanzenkübel oder Schutzplanken vom Auto- und Fußverkehr getrennt. Somit sind sie relativ einfach einzurichten, bieten aber große Vorteile gegenüber herkömmlichen Radstreifen, die nur durch eine Linie markiert sind. Sie können nicht vom Pkw befahren oder zugeparkt werden. Außerdem kommt es nicht mehr zu Unfällen durch plötzlich aufgehende Autotüren.

Die erste PBL in Deutschland entstand 2018 in Osnabrück. Mittlerweile gibt es solche geschützten Radstreifen häufiger. Trotzdem wussten der Umfrage „Sinus Fahrradmonitor 2019“ zufolge fast 60 Prozent der Befragten nichts mit dem Begriff Protected Bike Lane anzufangen. Lediglich 7 Prozent hatten bis dahin eine PBL benutzt. Fahrradstraßen kannten dagegen 70 Prozent. Etwa ein Drittel war schon selbst auf einer solchen Straße unterwegs, die Radfahrenden auf der gesamten Fläche Vorrang gibt.

Zu einer sicheren Radinfrastruktur gehören übersichtliche Straßenkreuzungen mit ausreichend Abstand zum motorisierten Individualverkehr. Besser Rad fahren lässt sich auch mit separaten Ampeln für Kfz und Fahrrad mit unabhängig voneinander geschalteten Grünphasen.

In seinen „Leitlinien für sichere, zukunftsfähige Radverkehrsinfrastruktur“ fordert der ADFC außerdem, die Geschwindigkeit innerorts auf 30 km/h zu senken. Das könnte zusätzlich dazu beitragen, dem Konzept „Vision Zero“ im Straßenverkehr näher zu kommen, das sich die Bundesregierung seit 2018 auf die Fahnen geschrieben hat. Bis 2020 sollten 40 Prozent weniger Menschen im Straßenverkehr sterben. Das wurde nicht erreicht. Bis 2019 verringerte sich die Zahl der Verkehrstoten nur um 24 Prozent. Ziel von „Vision Zero“ ist es, die Zahl der Verkehrstoten auf null zu bringen. Wirklichkeit werden soll die Vision durch eine Infrastruktur, die menschliche Fehler verzeiht und Unfälle nicht mehr tödlich enden lässt.

Neben Sicherheit ist auch der Komfort wichtig

Sicherheit ist das eine, damit Menschen sich überhaupt trauen, mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilzunehmen. Um seine Attraktivität als selbstverständlich und regelmäßig genutztes Verkehrsmittel im Alltag zu steigern, muss die Infrastruktur aber auch Komfort bieten.

Dass da noch einiges geht, zeigt der ADAC in seiner Studie „Mobil in der Stadt“. Danach verzichten 52 Prozent der Befragten bei privaten Fahrten immer auf das Rad. Für gewerbliche oder dienstliche Fahrten in die Pedale zu treten, kommt sogar für 79 Prozent nicht infrage. Letzteres hat sicher auch damit zu tun, dass Arbeitgeber erst langsam dazu übergehen, radfahrenden Mitarbeiter*innen beispielsweise geeignete Wasch- oder Duschmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Laut Fahrradmonitor 2019 wäre das aber 22 Prozent der Befragten wichtig.

E-Bikes und ÖPNV als echte Alternative zum Auto?

Gerade im städtischen Bereich liegen über die Hälfte der zurückzulegenden Strecken bei maximal fünf Kilometern, so Greenpeace. Diese könnten also bequem mit dem Fahrrad bewältigt werden. Mit E-Bikes, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen, dürften auch zehn Kilometer und mehr kein Problem sein. In Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind dann auch weiter entfernte Ziele leichter erreichbar.

Voraussetzung dafür wären allerdings der einfache und günstige Transport von Fahrrädern sowie sichere Abstellplätze an Bahnhöfen oder ÖPNV-Stationen. Daran hapert es aber sehr häufig, wie ebenfalls der ADFC in seiner aktuellen Studie belegt: Beides wird von den Befragten nur mit „ausreichend“ bewertet.

Für eine attraktive Radnutzung spielt das schnelle und unkomplizierte Überwinden größerer Entfernungen eine wichtige Rolle. Die sogenannte „Multimodale Mobilität“ ist hier das Stichwort, bei der abwechselnd verschiedene Verkehrsmittel genutzt werden. Für den Weg zur Arbeit kann das an einem Tag das Fahrrad sein. Weil es tags drauf regnet, zieht man lieber einen trockenen Platz in der Bahn vor. Wiederum am nächsten Tag soll es der Bus sein.

Bahn der Albtalverkehrsgesellschaft in Karlsruhe (Foto: SWR)
Wer das Rad mit dem ÖPNV im Pendler-Alltag kombinieren kann, ist flexibler und hat eine Alternative zum Auto.

Das individuelle Zusammenstellen einer Mobilitätskette aus verschiedenen Transportmitteln wird mit zunehmender Digitalisierung und Vernetzung immer einfacher werden. Ein Handy und die App eines Mobilitätsanbieters genügen.

Fahrradfreundlichkeit in Städten höchstens befriedigend

Bis es soweit ist, muss die Infrastruktur für Fahrräder in Deutschland jedoch noch um einiges zulegen. Denn beim ADFC-Fahrradklima-Test 2020 reichte es selbst für die Prämierten unter den großen und größeren Städten nur für befriedigende Gesamtbewertungen.

Von unangenehm bis gefährlich An diesen 12 Stellen macht das Radfahren wenig Spaß

44 Prozent der Radfahrenden fühlt sich laut einer Studie des Bundesverkehrsministeriums eher unsicher auf dem Fahrrad. Für einen sicheren Radverkehr im Südwesten braucht es eine sichere Infrastruktur. Andernfalls steigt das Unfallrisiko.

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