Logo der ARD-Themenwoche (Foto: ard-foto s2-intern/extern)

Kinderarmut

„Kinder sind arm, weil ihre Eltern arm sind“

Stand
AUTOR/IN
Sevde Cig
REDAKTEUR/IN
Andrea Wieland

Kino, Schwimmbad und Urlaub – das ist nicht für jedes Kind in Deutschland normal. Jedes fünfte Kind in Deutschland ist armutsgefährdet, das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion hervor. Somit stieg im vergangenen Jahr die Kinderarmut auf 20,8 Prozent und erreichte einen neuen Höchststand. Martin Künkler, Referatsleiter Hartz IV und Armutsbegrenzung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), erläutert Gründe und Lösungsansätze.

Die Armut von Kindern wird in Deutschland über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ihrer Eltern gemessen. Demnach gelten jene, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben, als armutsgefährdet. Für das Jahr 2021 beläuft sich der prozentuale Anteil an Kindern, die von Armut betroffen sind, auf 20,8 Prozent – das sind fast 2,9 Millionen Betroffene. Martin Künkler betont, dass Armut in Deutschland nicht nur „nackte Not“, sondern auch soziale Abkapselung bedeutet.

Kinderarmut in Deutschland - ARD Themenwoche "WIR GESUCHT - Was hält uns zusammen?" (Foto: IMAGO, 0102806590h)
Ein Kind mit einer roten Jacke sitzt alleine auf dem Spielplatz.

„Armut in einem reichen Land wie Deutschland meint mehr als Hunger und nackte Not. Armut ist ein Ausdruck für „Abgehängtsein“. Das heißt, dass Aktivitäten wie essen gehen, ins Kino gehen, in den Urlaub fahren in weiter Ferne liegen und nicht möglich sind. Und wenn ich völlig abgehängt bin von der Wohlstand-Normalität in der Mitte der Gesellschaft, dann spricht man in reichen Ländern von Armut."

Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander

„Der zentrale Grund ist, dass Einkommen in Deutschland auseinander gehen. Dass die armen Haushalte im Vergleich relativ zur Mitte immer weniger Einkommen haben. Und das ist der Hauptgrund für die sehr hohen und stagnierenden Armutsquoten“, sagt Künkler. Die Schere zwischen arm und reich werde immer größer, da Sozialleistungen nicht an die allgemeine Einkommensentwicklung angepasst und dementsprechend erhöht werden. Dies lasse immer mehr Menschen unter die Armutsgrenze fallen. Künkler erwartet trotz steigender Inflationsrate und Energiepreise keinen Anstieg der Armutsquote für das Jahr 2022, jedoch solle das kein Grund zur Freude sein: „Die Armutsquoten werden vermutlich auch im Jahr 2022 stagnieren, dies ist aber kein Grund zur Entwarnung! Die Armutsmessung bezieht sich auf Einkommen, aber in der Inflation sinkt die Kaufkraft. Die Notlagen der Menschen verschärfen sich, obwohl man das bei den Armutszahlen gar nicht sehen kann.“ Die Armut verschärfe sich weiter, sei statistisch aber nicht sichtbar, daher sei es sehr wichtig, „dass die Politik und die Gesellschaft darauf hinweisen“, so Künkler.

„Wir als DGB sprechen uns stark dafür aus, die Hilfen stärker an die Höhe des Einkommens zu koppeln.“

Da Armut an der Einkommensverteilung gemessen wird, müsse man die staatlichen Hilfen auch nach Einkommen richten, um zielgenau die Menschen zu erreichen, die wirklich in Not sind. Einige Hilfen wie beispielsweise der Tankrabatt würden eher einkommensstarke Haushalte begünstigen. „Wer ein größeres Auto hat, der tankt auch öfter“, sagt Künkler.

4,01 Euro pro Tag sind für ein 13-jähriges Kind vorgesehen

Gute Löhne seien unumgänglich, um der Armutslage in Deutschland entgegenzusteuern. „Es gibt zwei große Hebel, um Kinderarmut zu bekämpfen. Das eine sind gute Löhne. Viele denken, dass Kinderarmut ein Randphänomen ist, das Erwerbslose und Alleinerziehende betrifft. Aber das stimmt nicht. Die zahlenmäßig größte Gruppe, die arm ist, sind Erwerbstätige.“ Ein weiterer Hebel sei die Kindergrundsicherung, die eine angemessen hohe Sicherung bietet, damit alle Kosten für ein Kind gedeckt werden können. „Das ist bei Hartz IV heute nicht der Fall. Bei Hartz IV sind für ein 13-jähriges Kind 4,01 Euro am Tag für Ernährung angesetzt – das kann nicht funktionieren“, erklärt Martin Künkler. Zudem sei gefordert, die Kindergrundsicherung so unbürokratisch wie möglich zu machen, um Menschen nicht mit komplizierten Anträgen abzuschrecken.

Kinderarmut: Nicht nur ein Mangel im Hier und Jetzt

Armut zieht sich für viele Menschen durch ihr ganzes Leben, der Sprung aus der Armut gelingt nur den Wenigsten. „Kindern werden auch Zukunfts- und Entwicklungschancen geraubt. Wer in Armut lebt, hat es schwerer, einen guten Schulabschluss zu machen. Auch sind Kinder buchstäblich ausgegrenzt, da sie am sozialen Leben nicht teilhaben können, da es an Geld fehlt“, warnt Künkler.

WIR GESUCHT - Das Projekt

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gehört zu den Unterstützern der ARD-Mitmachaktion WIR GESUCHT – das Projekt. Unsere weiteren Unterstützer sind: AWO Bundesverband e.V., Caritas Deutschland, Diakonie Deutschland, nebenan.de Stiftung / Netzwerk nebenan.de und ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft.

Projekte mit Beteiligung des DGB

Stand
AUTOR/IN
Sevde Cig
REDAKTEUR/IN
Andrea Wieland