Das Bild zeigt viele Pillen neben einer Pillendose verteilt. (Foto: IMAGO, imagebroker)

Arzneimittel

Erste Pille gegen Wochenbettdepression

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Ulrike Till
Portraitbild von Ulrike Till, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Jochen Krumpe)
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Lena Schmidt

Antriebslosigkeit und Selbstzweifel: Nach einer Geburt leiden manche Mütter an Wochenbettdepressionen. In den USA wurde nun erstmals eine Pille zur Behandlung der Krankheit zugelassen.

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Für manche Frauen sind die ersten Wochen nach der Geburt die die schönste Zeit ihres Lebens: Sie genießen den engen Kontakt mit dem Baby, trotz aller Erschöpfung ist die Freude groß. Doch längst nicht bei allen Frauen ist das Mutterglück so ungetrübt. Viele haben Probleme beim Stillen und leiden noch körperlich an den Folgen der Geburt.

Und dann gibt es Mütter, die eine richtige Depression entwickeln: Sie fühlen sich traurig, antriebslos und zweifeln an sich selbst. In schweren Fällen kommen Selbstmordgedanken dazu und die Angst, dem Kind etwas anzutun. In den USA wurde nun erstmals eine Pille gegen Depression im Wochenbett von der Arzneimittelbehörde FDA zugelassen.

 

Neues Medikament als "Gamechanger"

Eine Wochenbettdepression ist ein bedrohlicher Ausnahmezustand: für die betroffene Mutter genauso wie für ihr Kind und die restliche Familie. In leichteren Fällen helfen verschiedene Formen von Psychotherapie, bei schwer Betroffenen kommen meist auch bestimmte Antidepressiva zum Einsatz. Die haben allerdings einen entscheidenden Haken: sie entfalten oft erst nach Wochen ihre volle Wirkung. So geht entscheidende Zeit für eine positive Bindung zwischen Mutter und Kind verloren.

Bei dem jetzt in den USA zugelassenen Mittel ist das anders: laut FDA lindert Zurzuvae die Beschwerden innerhalb weniger Tage. Einige amerikanische Fachleute bewerten das Medikament deshalb auch als "Gamechanger". In den USA ist zwar schon jetzt ein ganz ähnlicher Wirkstoff desselben Herstellers auf dem Markt - allerdings lässt der sich nur per Infusion in einer Klinik verabreichen. Mit einer Pille für zu Hause könnte man deutlich mehr Frauen behandeln.

Das Bild zeigt eine Mutter, die traurig in die Ferne guckt, als sie ihr Kind hält. (Foto: IMAGO, Shotshop)
Etwa jede fünfte Mutter entwickelt eine Wochenbettdepression, viele bleiben unerkannt.

Entlastung und professionelle Unterstützung oft wichtiger als Medikamente

Aber es gibt auch kritische Stimmen aus den USA, die vor überzogenen Hoffnungen warnen: denn auch ungünstige soziale Faktoren können eine Wochenbettdepression auslösen. Frauen, die zu Hause Gewalt erfahren oder die Zeit nach der Geburt ganz alleine bewältigen müssen, haben ein erhöhtes Risiko. Entlastung durch Angehörige, Freunde und professionelle Unterstützung ist in solchen Fällen wichtiger als Medikamente.

Klar ist aber auch, dass die hormonelle Umstellung nach der Geburt die Psyche aus dem Gleichgewicht bringen kann. Genau hier setzt das neue Mittel des US-Pharmaunternehmens Sage Therapeuticals an: Der Wirkstoff ist ein neuroaktives Steroid, das eng verwandt ist mit Allopregnanolon.

Während der Schwangerschaft produziert der Körper diesen Stoff selbst in großen Mengen - und zwar aus dem Hormon Progesteron. Nach der Geburt fallen die Spiegel im Blut dann plötzlich ab. Bei einigen Frauen kann das vermutlich eine Wochenbettdepression auslösen. Die Entwickler des Medikaments gehen davon aus, dass die Pille den plötzlichen Verlust an Allopregnanolon ausgleichen und so die depressiven Symptome lindern kann.

Das Bild zeigt eine schwangere Frau, die glücklich lächelt. (Foto: IMAGO, Westend61)
Nach einer Geburt hat die hormonelle Umstellung große Auswirkungen auf die Psyche der Mutter. Während der Schwangerschaft produziert der Körper Allopregnanolon in großen Mengen aus dem Hormon Progesteron. Nach der Geburt fallen die Spiegel im Blut dann plötzlich ab.

Studien zeigen Erfolg, aber auch Nebenwirkungen

In zwei Studien ging es den Probandinnen nach zwei Wochen mit täglich einer Pille Zurzurvae deutlich besser als den Frauen, die nur das Placebo geschluckt hatten. Einen Monat später hielt die positive Wirkung immer noch an. Allerdings gab es auch einige Nebenwirkungen: Schläfrigkeit, Schwindel, Durchfall, Erkältungssymptome und Harnwegsinfektionen. Und in den ersten zwölf Stunden nach der Einnahme sollten Patientinnen kein Fahrzeug bedienen.

Fachleute in den USA fordern, nun die Langzeitwirkung genau zu beobachten - bisher gibt es nur Daten aus den ersten sechs Wochen. Ob und wann das Medikament auch nach Europa kommt, ist offen: bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA liegt bisher noch kein Zulassungsantrag vor.

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