gezeichnetes Paar schreit sich an (Foto: IMAGO, IMAGO/ Ikon Images)

Partnerschaft

Toxische Beziehungen – Liebe, die nicht gut tut

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INTERVIEW
Martin Gramlich
ONLINEFASSUNG
Elisabeth Theodoropoulos

In einer Umfrage eines online Datingportals haben mehr als ein Drittel der Befragten angegeben, Erfahrungen mit einer toxischen Beziehung zu haben – oder noch darin zu stecken. Woran erkennt man eine solche Beziehung? Sind toxische Beziehungen überhaupt zu retten?

Eine Liebesbeziehung ist eigentlich etwas Wundervolles, ein Schweben auf Wolke sieben. Aber selbst in harmonischen, gut funktionierenden Beziehungen kracht es manchmal. Doch in manchen Beziehungen gehen diese Meinungsverschiedenheiten über einen normalen Streit deutlich hinaus.

Wenn eine Beziehung eher verletzend als schön ist, kann es sein, dass man in einer „toxischen Beziehung“ gelandet ist. Der Hamburger Psychologe und Paartherapeut Christian Hemschemeier beschreibt es so, dass man sich von der Partner*in manipuliert und belogen fühlt, und von der Beziehung so eingenommen ist, dass man nicht mehr schlafen, nicht mehr arbeiten und nicht mehr essen kann.

„Ich rede auch gerne von Liebessucht, da man immer wieder drüber nachdenken muss und das ganze Leben beeinträchtigt ist.“

Unterscheidung: normaler Liebeskummer – toxische Beziehung

Diese Gefühle kennt man vielleicht auch noch aus der Schulzeit, auch Liebeskummer kann auf den Magen schlagen. Es gibt tatsächlich eine große Überschneidung von normalem Liebeskummer und einer toxischen Beziehung.

Junge Frau unglücklich auf Parkbank (Foto: IMAGO, IMAGO/ Shotshop)
Auch "normaler" Liebeskummer kann zu Appetit- oder Schlaflosigkeit führen.

Hemschemeier erklärt, dass es jedoch auch auf die Bindungsstile der Partner*innen ankommt: „Häufig ist es so, dass sehr verlustängstliche und sehr bindungsvermeidende Menschen zusammenkommen. Diese gegensätzlichen Bindungssysteme können toxische Beziehungen bedingen.“ Bei diesen missbräuchlichen Beziehungen kann es, laut dem Psychologen, durch Grenzübertritte zu körperlichen und psychologischen Traumata kommen.

Welche Persönlichkeitsmerkmale/-störungen begünstigen toxische Beziehungen?

Der Psychologe und Paartherapeut erklärt, dass sogenannte Cluster D Persönlichkeitsstörungen (z. B. Borderline oder Narzissmus) oder auch nur Tendenzen in diese Richtung, welche gar nicht diagnostiziert sind, beispielsweise sehr egozentrisches Verhalten, auf der einen Parter*innenseite und Menschen mit einem sehr abhängigen Beziehungsmuster auf der anderen Seite eine toxische Beziehung begünstigen können.

Solch ein abhängiges Beziehungsverhalten kann manchmal auch auf Suchterkrankungen der Elternteile zurückgeführt werden, da die Betroffenen in ihrer Kindheit dadurch vermehrt Ablehnung erfahren mussten. Jedoch bedeutet das natürlich nicht, dass alle Beziehungen von diesen Menschen toxisch verlaufen. Auch schwierige Lebenssituationen, die man durchläuft, können toxische Beziehungen begünstigen.

zerstrittenes Paar (Foto: IMAGO, IMAGO/ Panthermedia)
Egozentrisches Verhalten auf der einen Seite und abhängiges Beziehungsverhalten auf der anderen Seite kann eine toxische Beziehung begünstigen.

Was kann man machen, um die toxische Beziehung zu „entgiften“?

Da der Begriff etwas breit verwendet wird, muss man schauen, ob es „nur“ eine Beziehung ist, die nicht so gut läuft. Der Paartherapeut Hemschemeier sagt, dass, solange von beiden Seiten eine grundsätzliche Bereitschaft zur Klärung besteht, oft miteinander Reden oder eine Paartherapie helfen kann.

Paar spricht mit Therapeutin (Foto: IMAGO, IMAGO/ Shotshop)
Wenn die Beziehung "nur" nicht so gut läuft, kann eine Paartherapie oft helfen.

Wenn die Beziehung aber tatsächlich toxisch ist, ist laut Hemschemeier eigentlich die einzige Lösung, diese Beziehung zu beenden. Um sicher zu gehen, ist eine Therapie- oder Beratungsstelle immer ein guter Anlaufpunkt. Diese haben einen Erfahrungshintergrund bei der Differenzierung von normalen, unglücklichen und tatsächlich toxischen Beziehungen.

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