Unterwasser Aufnahme: Schildkröte schwimmt im Meer. (Foto: IMAGO, IMAGO / YAY Images)

Artenschutz

Jede fünfte Reptilien-Art ist massiv bedroht

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Stefanie Peyk
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Lilly Zerbst

Schlechte Nachricht für Krokodil, Schildkröte & CO.: Weltweit ist rund eine von fünf Reptilien-Arten massiv bedroht. Das ist das Ergebnis eines jahrelangen internationalen wissenschaftlichen Projekts.

Über 15 Jahre hat es gedauert, bis die Forschenden alle nötigen Daten zusammen hatten, um die Bedrohung von Reptilien-Arten weltweit zu kartieren und mögliche Gründe zu analysieren. Fast 1000 Fachleute aus der ganzen Welt haben mit ihrem Wissen beigetragen. Die Ergebnisse wurden jetzt in einem umfassenden Bericht im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht. Die bedrohten Reptilien-Arten finden sich vollständig auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN wieder.

Über 1.800 Reptilien-Arten sind massiv bedroht

Im Bericht wurde analysiert, wie gefährdet alle über 10.000 bekannten Reptilien-Arten sind und warum. Das Ergebnis: Weltweit sind derzeit über 1800 Reptilien-Arten massiv bedroht. Das sind ungefähr zwei Mal so viel wie es Vogelarten in den USA und in Kanada gibt, sagt Bruce Young, Chef-Zoologe bei der nordamerikanischen Artenschutz-Organisation Nature Serve. Er wirkte an der Veröffentlichung maßgeblich mit.

Die Hälfte aller Krokodile und sogar mehr als die Hälfte aller Schildkröten sind gefährdet – genauso wie rund drei von vier Leguan-Arten. Ähnlich sieht es bei Schlangen aus der Familie der Schildschwänze aus. Mehr als 30 Reptilienarten sind bereits definitiv ausgestorben, für weitere 40 Arten ist das wahrscheinlich, weil man schon länger kein Exemplar mehr gesehen hat. Zu den Regionen mit besonders vielen bedrohten Reptilien gehören Südostasien, Westafrika, Nord-Madagaskar, die nördlichen Anden und die Karibik.

Grüne Grubenotter lauert auf Geästen im Tropenwald. (Foto: IMAGO, IMAGO / YAY Images)
Arten, die in Wüsten, Savannen und Grasland vorkommen, sind deutlich weniger bedroht als Arten, die in Wäldern leben, so Young.

Invasive Arten bedrohen heimische Reptilien

Den Reptilien macht zu schaffen, worunter auch andere Landwirbeltiere leiden: Landwirtschaft, Siedlungen und Rodungen zerstören ihre Lebensräume. Außerdem sind die Tiere durch eingeschleppte invasive Arten bedroht – so etwa die Echsen aus der Familie der Skinke in der Karibik.

Einige von ihnen sind bereits ausgestorben, andere stehen kurz vor der Ausrottung, erklärt Stephen Blair Hedges, Reptilienforscher von der Temple University im US-amerikanischen Philadelphia. Die Bedrohung geht von einem eingeschleppten Säugetier aus, dem Mungo. Er wurde im 19. Jahrhundert auf die Inseln gebracht, um die Rattenpopulationen zu kontrollieren. Das hat nicht gut geklappt, dafür hat das Raubtier viele tagaktive Reptilien ausgerottet, auch die Skinke.

Portrait eines Mungos. (Foto: IMAGO, IMAGO / agefotostock)
Die invasiven Mungos sorgten in der Karibik für die Ausrottung von einheimischen Reptilien.

Reptilien sind auch durch die Jagd bedroht

Andere Reptilien jagt der Mensch selbst: Schildkröten werden gefangen, um sie zu essen. Der Panzer mancher Arten ist in der traditionellen asiatischen Medizin begehrt. Viele Schildkröten werden als Heimtiere verkauft. Krokodile oder die Königskobra werden auch deshalb getötet, weil sich die Menschen vor ihnen fürchten.

Langfristig dürfte außerdem der Klimawandel zu einer immer ernsteren Bedrohung für Reptilien werden – etwa wenn Inseln überflutet werden.

Reptilien erhalten das Gleichgewicht im Ökosystem

Für viele Reptilien sieht es also schlecht aus – dabei sind sie wichtig für Mensch und Ökosysteme. Denn sie helfen bei der Bekämpfung von Schädlingen wie Insekten und Nagetieren, halten die Insektenzahlen geringer, werden auch selbst gefressen und sind deshalb ein wichtiger Teil der Nahrungskette, erklärt Stephen Blair Hedges.

Wenn die Reptilien aussterben, verlieren wir auch einen wichtigen Teil der Evolutionsgeschichte. Ein Beispiel dafür ist die Meerechse auf den Galapagos-Inseln. Sie ist die einzige Echse, die ihre Nahrung im Meer sucht und dort Algen abweidet.

Meerechse auf einem bemoosten Stein auf den Galapagos-Inseln. (Foto: IMAGO, IMAGO / McPHOTO)
Die Meerechse auf den Galapagos-Inseln hat sich über Jahrmillionen an ihre Umgebung angepasst. Sie ist die einzige Echse, die Algen abweidet.

"Die Meerechse hat diese einzigartige Lebensweise über einen Zeitraum von etwa 5 Millionen Jahren entwickelt – ein Beispiel dafür, wie viel Evolution verloren gehen kann, wenn nur eine einzige Art verschwindet"

Reptilien profitieren auch von Säugetierschutz

Immerhin: die Forschenden habe auch eine gute Nachricht. In den vergangenen Jahrzehnten gab es nämlich zahlreiche Anstrengungen, beliebtere Tiere wie Säugetiere und Vögel zu schützen. Über deren Gefährdung war viel mehr bekannt. Davon haben auch Reptilien profitiert, berichtet Bruce Young:

"Was uns überrascht hat: Wenn man Gebiete unter Schutz stellt, in denen viele bedrohte Vögel, Säugetiere und Amphibien leben, dann schützt man gleichzeitig auch viel mehr bedrohte Reptilien als man zufällig erwarten würde."

Portrait eines grünen Leguans. (Foto: IMAGO, IMAGO / YAY Images)
In Schutzgebieten für Säugetiere und Vögel haben auch Reptilien bessere Überlebenschancen.

Trotzdem brauche es auch Maßnahmen, die ganz gezielt bedrohte Reptilien schützen. Die Forschenden hoffen, dass die gesammelten Daten dabei helfen – indem sie zeigen, wo Reptilien am dringendsten Hilfe benötigen.

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