Ein internationales Forscherteam mit deutscher Beteiligung hat ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich giftige PFAS-Chemikalien aus Wasser herausfiltern lassen können. (Foto: IMAGO, imago)

Umweltschutz

So lassen sich giftige PFAS aus Wasser herausfiltern

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INTERVIEW
Prof. Dr.-Ing. Markus Gallei, Chemiker an der Universität des Saarlandes
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Stefan Troendle
Stefan Troendle, Reporter und Redakteur bei SWR Wissen aktuell und SWR2 Impuls. (Foto: SWR, SWR, Christian Koch)
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Ralf Kölbel

Chemiker der Universiät des Saarlandes haben eine Methode entwickelt, um gefährliche Substanzen nachhaltig aus dem Wasser zu entfernen. SWR2 Impuls hat mit dem Chemiker Markus Galai gesprochen, der an der Entwicklung beteiligt war.

Per- und polyfluorierte Chemikalien (englisch: per- and polyfluoroalkyl substances) - kurz PFAS - sind wahre Alleskönner. Die fett-, wasser- und schmutzabweisenden Chemikalien kommen in tausenden Varianten vor, zum Beispiel in Kochgeschirr, in Funktionskleidung, in Kosmetika und als Feuerlöschmittel. Auch in vielen Wärmepumpen kommt derzeit noch PFAS-haltiges Kühlmittel zum Einsatz.

Diese Ewigkeits-Chemikalien sind allerdings auch ein massives Problem für die Umwelt. Sie können nämlich nicht auf natürlichem Weg abgebaut werden. PFAS stehen außerdem unter Verdacht, Krebs zu verursachen, unfruchtbar zu machen und das Immunsystem zu schwächen.

Polymerchemiker aus dem Saarland und den USA haben nun eine Methode gefunden, wie man PFAS nachhaltig aus dem Wasser entfernen kann. Das Verfahren wurde jetzt im Fachjournal ACS Applied Materials & Interfaces vorgestellt.

SWR2 Impuls-Moderator Stefan Troendle im Gespräch mit Markus Galai von der Universität des Saarlandes.

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SWR2 Impuls: Warum ist es eigentlich so wichtig, PFAS zu entsorgen? Wie gefährlich sind die, welche Schäden richten die an?

Markus Galei: Das Problem bei poly- oder perfluorierten Verbindungen ist einfach, dass man es gar nicht so genau weiß. Es gibt einige Verbindungsklassen, die fortpflanzungsgefährdend sind, einige stehen auch im Verdacht, Krebs zu erregen. Und es finden sich immer mehr Studien, die sagen, das Zeug ist einfach schädlich.

Warum machen die uns Probleme in der Umwelt?

Markus Galei: Die Natur mag einfach flourierte Verbindungen gar nicht und kann damit nichts anfangen. Es sind synthetische, das heißt menschengemachte, Verbindungen. Und die Natur hat auch keinerlei Mechanismen, wie sie diese abbauen können. Und so reichern sich diese Verbindungen in der Natur an.

Wir hatten ja auch hier in der Nähe von Karlsruhe das Problem mit Klärschlämmen auf Feldern, die dann sehr viel verunreinigt haben. Aber gibt es aktuell Möglichkeiten, so was aus der Umwelt, aus dem Wasser, wieder rauszuholen?

Markus Galei: Also derzeitiger Stand der Technik ist: Man nimmt bestimmte Membranen, die in der Lage sind, solche Verbindungen anzureichern, aufzureinigen. Und dann stecken diese Materialien voll mit diesem PFAS. Oder man nimmt einfach aktivierten Kohlenstoff. Das kennt man: Wenn man beispielsweise irgendwie Vergiftungserscheinungen hat oder der Hund was Falsches gegessen hat, dann kriegt er Kohletabletten. Und dann absorbieren diese Verbindungen solche Spezies wie PFAS oder andere Giftstoffe.

Auch in anderen Ländern, wie hier im belgischen Antwerpen, wird an Verfahren zur Beseitigung giftiger PFAS-Chemikalien gearbeitet. (Foto: IMAGO, IMAGO/Belga)
Auch in anderen Ländern, wie hier im belgischen Antwerpen, wird an Verfahren zur Beseitigung giftiger PFAS-Chemikalien gearbeitet.

Jetzt haben sie einen neuen Ansatz gefunden. Was haben Sie genau gemacht?

Markus Galei: Der Unterschied zu den bestehenden Ansätzen ist folgender: Wir haben ein Material gefunden, basierend auf metallhaltigen Polymeren. Diese Metalle sind ungiftig, insbesondere auch das darin enthaltene Eisen. Und diese Materialien sind in der Lage, diese PFAS-Verbindungen anzunehmen und anzureichern. Und wir können durch einen gezielten Reiz, den Strom, das Ganze umschalten und wieder gezielt freisetzen. Das ist ein riesengroßer Vorteil.

Diese PFAS-Verbindungen kommen teilweise in sehr, sehr geringen Konzentrationen vor, wenn die gerade im Trinkwasser oder in anderem in Böden zum Beispiel vorhanden sind. Da ist fast nichts da, und wir müssen eigentlich versuchen, so viel wie es geht, aufzufinden, zu analysieren und natürlich auch zu separieren und zu entfernen aus dieser Umwelt.

Geht das nur mit Wasser oder geht das auch im Prinzip aus organischen Lösungsmitteln?

Markus Galei: Das kommt auch ein bisschen darauf an, wo diese PFAS alle enthalten sind. Diese PFAS sind Alleskönner, die mögen irgendwie alles. Das sind Seifenmoleküle, die haften überall. Die können auf polaren Oberflächen auf unpolaren Oberflächen haften, und im Prinzip findet man die immer und überall. Und leider können sich diese Chemikalien auch in sehr geringer Konzentration im menschlichen Körper über die Jahre anreichern und dort Schäden anrichten. Das ist das Problem.

Auch die Antihaftbeschichtung in Bratpfannen enthält häufig per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (englisch per- and polyfluoroalkyl substances, abgekürzt PFAS. (Foto: IMAGO, IMAGO/Christian Ohde)
Auch die Antihaftbeschichtung in Bratpfannen enthält häufig per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, abgekürzt PFAS.

Ist dieses Verfahren einfach anwendbar? Wären wir das Problem los, wenn alle es so machen würden?

Markus Galei: So ist es natürlich immer wünschenswert. Aber an der Stelle muss man einschränkend sagen: Wir haben jetzt ein Material gefunden, das sehr gut ist. Wir haben auch ein paar andere Materialien gefunden, die das können, mit verschiedenen Stärken und Schwächen. Also es gibt immer mehrere Betrachtungsweisen, die man benötigt. Auf der einen Seite müssen wir die Chemikalien erst mal finden, wenn Sie sich vorstellen, wir reden hier von PPM (also: Parts per Million), oder dann PPB oder PPT.

Also wir sind schon bei sehr geringen Konzentration. Und wenn man jetzt über die Jahre denkt, dass die sich anreichern, dann hat man auf einmal höhere Konzentration über die Jahre an einer Stelle. Wie gesagt: Die Natur kann diese Stoffe nicht abbauen. Und der große Vorteil des neuen Verfahrens ist jetzt: Wie wollen wir zum einen diese Stoffe einfangen? Das könnte man mit Kohle genauso gut. Aber der große Vorteil ist: Wir legen den Schalter um, einen einfachen Stromschalter, und wir können die on Demand wieder freisetzen. Und das ermöglicht, dass wir die ganzen Materialien analysieren. Also wir wissen dann, welche Form von PFAS das sind sind. Es gibt nicht nur eines, es gibt 4.700 verschiedene PFAS-Verbindungen und es gibt vielleicht auch noch viele, viele mehr.

Und dann können wir erst mal untersuchen, welche sind das überhaupt? Und wo kommen die vielleicht her? Wer ist der Verursacher an der Stelle? Und auf der anderen Seite wollen wir natürlich auch diese dann in einem kleineren Volumen unschädlich machen.

Auch in vielen Wärmepumpen wird PFAS-haltiges Kühlmittel verwendet. Deshalb wird intensiv nach Alternativen gesucht. (Foto: IMAGO, IMAGO/Rupert Oberhäuser)
Auch in vielen Wärmepumpen wird PFAS-haltiges Kühlmittel verwendet. Deshalb wird intensiv nach Alternativen gesucht.

Kann so ein neuer Filter, wie sie ihn jetzt vorgestellt haben, einfach in eine Kläranlage eingebaut werden?

Markus Galei: Ja, also eine Kläranlage ist natürlich ultrakomplex, gerade weil wir dort verschiedene andere Mechanismen haben. Wir haben dort Algen, wir haben Fouling, die Membranen, die dort verwendet werden. Die müssen einiges aushalten. Also man könnte sich vorstellen, dass man solche Materialien am Ende dieser Kette nimmt, wenn der grobe Schmutz schon entfernt ist, man eine sinnvolle Beschichtung gefunden hat, dass man ganz am Ende, das man bei ganz reinem Wasser und bei dem man landen möchte, solche Systeme auch als Module, als sogenanntes Decks, auch einbaut.

Haben Sie denn schon Anfragen von der Industrie bekommen?

Markus Galei: Durchaus. Wir arbeiten natürlich auf der einen Seite der absoluten Grundlagenforschung mit solchen Materialien. Und natürlich gibt es verschiedene Leute, die jetzt Interesse haben an der Analyse oder an der Separation und der Zerstörung dieser PFAS-Verbindungen.

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