Leeres Klassenzimmer in einer Grundschule, tags: Schulschließungen, gelernt (Foto: IMAGO, CHROMORANGE)

Kommentar zum Pandemieende

Was wir aus den Schulschließungen gelernt haben

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Leila Boucheligua

Vor einem Jahr wurde das Ende der Coronapandemie erklärt. Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Gerade bezüglich der Einschränkungen für Kinder, wie den Schulschließungen, werden heute Fehler eingeräumt.

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Schulausfälle über Wochen, lange Lockdowns und Kontaktverbot. Gerade für Kinder waren diese Einschränkungen in der Corona-Pandemie schwer zu verstehen und zu verkraften.

Wie bereits andere Politiker vor ihm, hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach eingeräumt, dass der größte Fehler war, „dass wir bei den Kindern zum Teil zu streng gewesen sind und mit den Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich etwas zu spät angefangen haben.“

Jetzt wird verstärkt eine Aufarbeitung der Zeit gefordert auch um für die nächsten Krisen besser gewappnet zu sein.

Keine empirische Grundlage für besondere Virusverbreitung durch Kinder

Ja, es gab viele Entschuldigungen und Verneigungen vor der Generation der Kinder und Jugendlichen, die in der Zeit der Corona-Pandemie zuallererst eingeschränkt wurden – und auch mit am längsten unter Verschluss gehalten wurden. Eine empirische Grundlage dafür gab es nämlich nicht.

Dass Kinder Virenschleudern sind, wurde zunächst von Virologen vermutet – vor allem auch, weil sie viele Kontakte zu Gleichaltrigen, aber auch in ihre Familien hinein haben. Recht schnell wurde daraus, ohne wirklich empirische Daten zu haben, ein hartes Kontaktverbot für den Nachwuchs abgeleitet.

Nicht nur Kitas und Schulen mussten schließen, selbst öffentliche Kinderspielplätze wurden abgeriegelt. Aus heutiger Sicht eine weniger wissenschaftsgetriebene, denn machtpolitische Entscheidung.

Denn auch als recht früh in der Pandemiezeit klar wurde, dass gerade Kinder und Jugendliche die geringsten gesundheitlichen Schäden durch eine Erkrankung an Covid 19 haben, wurde für diese Gruppe nicht gelockert, obwohl es immer mehr Stimmen aus der Wissenschaft gab, die darauf hinwiesen, dass die Rolle der Kinder und Jugendlichen im Infektionsgeschehen gering war.

Schulen blieben lange geschlossen

Erinnern wir uns: Sogar die Biergärten durften früher öffnen als die Schulen. Es ging weniger um den Eigenschutz der Kinder, sie dienten sozusagen vielmehr als Schutzschild für die ältere Bevölkerung und andere Risikogruppen.

Und das, obwohl schon früh Kinderärzte, Psychologen und Sozialarbeiter von Einschränkungen für die Jüngeren abgeraten hatten. Sie warnten vor den psychischen Folgen, aber auch den gesundheitlichen Folgen und vor Kindesmisshandlung zuhause.

Doch was hat das Wegsperren der Kinder unserer Gesellschaft genutzt? Sicherlich war der Schockeffekt der ersten Schulschließungen wirksam und hat uns den Ernst der Lage verdeutlicht. Denn durch diese Maximal-Maßnahme waren auf einmal alle – nicht nur die Eltern, sondern auch Unternehmen und die gesamte Wirtschaft betroffen.

Für zukünftige Krisen sind Fragen zu klären

Soweit verständlich. Doch warum wurde der Lockdown gerade bei Kindern und Jugendlichen nicht gelockert – spätestens ab dem Zeitpunkt, zu dem klar war, dass ihre Gesamtgesundheit mehr darunter leidet, als dass sie durch eine Covid 19 Erkrankung gefährdet sind?

Das sind Fragen, die man klären muss, um für die nächste Krise besser gewappnet zu sein. Möglicherweise ist das eine ethische Abwägung - ähnlich der Triage. Aber darüber müssen wir reden. Denn Kinder waren und sind die größten Verlierer dieser Krise.

Heute noch leidet fast jedes dritte Kind unter psychischen Einschränkungen, vor allem unter Ängsten, Depressionen und Schlafstörungen. Doch Therapieplätze bei Kinder und Jugendpsychotherapeuten sind immer noch Mangelware.

Das Problem zieht sich bis in die Hochschulen. Dort ringen die psychologischen Beratungsstellen mit der Masse an Studierenden, die anfragen. Doch fehlt ganz offenbar der politische Wille, hier etwas für die Nachwuchs-Generation zu tun, die unter der Corona-Pandemie so lange weggeschlossen wurde.

Unglücklicher Junge hat den Kopf auf dem Tisch neben seinem Schulheft abgelegt, tags: Schulschließungen, gelernt, Pandemie (Foto: IMAGO, Pond5 Images)
Die psychischen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch die Schulschließungen und weitreichenden Kontaktsperren sind nach wie vor spürbar.

Förderung von Aufholprogrammen an Schulen zu früh ausgelaufen

Um die teilweise wirklich großen schulischen Lücken auszugleichen, die durch den Fernunterricht oder auch Nicht-Unterricht entstanden sind, wurden immerhin zahlreiche Programme aufgelegt – auf einzelne Bundesländer, ja sogar einzelne Schulen zugeschnitten.

Gefördert durch das zwei Milliarden Euro schwere Bund-Länder Programm "Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche". Doch das Programm ist nach zwei Jahren Ende 2022 ausgelaufen. Viel zu früh – das zeigen die miesen Ergebnisse der jüngsten Bildungsstudien wie Iglu, IQB Bildungstrend und Pisa. 

Auch die Finanzierung für die vielbeschworene Digitalisierung der Schulen, die vorangetrieben werden sollte, damit in der nächsten Krise nicht noch einmal so ein Unterrichts-Desaster entsteht, läuft im Mai diesen Jahres aus. Für die Fortsetzung des Digitalpaktes ist erstmal kein Geld im Haushalt vorgesehen. 

Gelder für Bildung Kitas soll gestrichen werden

Trotz des Versprechens, die junge Generation nicht noch einmal so aus dem Blick zu verlieren wie zu Zeiten der Pandemie, scheinen die Interessen der anderen Generationen schon wieder wichtiger. So gehen stolze 200 zusätzliche Bundesmilliarden in die Sicherung der Rente, doch nur eine Milliarde pro Jahr extra in die Bildung und das Bundesgeld für den Kita-Ausbau soll sogar ganz gestrichen werden.

So bleiben die ganzen schönen Entschuldigungen gegenüber dem Nachwuchs eben doch nur Lippenbekenntnisse.

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